In Deutschland stehen laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn bis 2026 rund 190.000 Familienunternehmen zur Übergabe an. Ein idealer Zeitpunkt für Unternehmen, eingefahrene Strukturen zu hinterfragen, neue Ideen zu entwickeln und nachhaltige Veränderungsprozesse anzustoßen. Das Momentum der Nachfolge bietet die Chance, Innovation, Kulturwandel und Veränderung strategisch zu nutzen – insbesondere für Nachfolgerinnen, die zunehmend bereit sind, mutige Wege zu gehen. Dennoch werden derzeit nur 15% der Nachfolgen von Frauen übernommen. Ein Fehler?
Eine Unternehmensübergabe schafft einen einzigartigen Raum für Veränderungen, die weit über den reinen Führungswechsel hinausgehen. Auch vergleichbar mit einem Reset-Knopf. Alles kann auf null gestellt werden. Das ist bei und nach einem Generationswechsel in Familienunternehmen oft nicht das Ziel – und sollte es auch nicht sein. Doch es geht darum, die Chancen zu nutzen, sich den Veränderungen unserer Zeit – dynamischere Märkte, disruptive Entwicklungen – anzupassen. Hierfür ist die Phase des Generationswechsels ein idealer Zeitpunkt. Eignen sich Frauen hier besonders? Klares ja!
Die Kraft des Neustarts
Eine Nachfolge hat viele Phasen – die erste Phase nach dem offiziellen Staffelstabwechsel ist jedoch eine entscheidende. Jetzt ist das Unternehmen in Bewegung. Traditionen und Abläufe, die in letzter Zeit wenig hinterfragt wurden oder als selbstverständlich galten, rücken in den Fokus. Die Kraft eines solchen Führungswechsels gilt es zu nutzen. Dieser Phase bietet der neuen Generation mit ihrem unvoreingenommenen Blick von außen die Chance, Prozesse und Strukturen zu prüfen und bei Bedarf aufzubrechen. Neue Ansätze einzubringen und zu etablieren.
Jetzt ist es besonders wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, wozu eine transparente Kommunikation maßgeblich beiträgt. Die Kunst liegt darin, die Mitarbeitenden an Bord zu halten oder zu holen, die Motivation und die Umsetzungsenergie hochzuhalten und Veränderungen gemeinsam erfolgreich umzusetzen.
Das Plus als Frau: Dabei helfen Kompetenzen wie Empathie, Kommunikationsstärke und Offenheit, die bei Frauen besonders ausgeprägt sind.
Der perfekte Zeitpunkt für Transformation und Kultur
Die digitale Transformation ist für Nachfolgerinnen und Nachfolger nicht nur Pflichtprogramm, sondern eine weitere Chance. Während etablierte Führungskräfte oft in gewohnten Mustern denken, bringen nachfolgende Generationen ein natürliches Verständnis für die Möglichkeiten der Digitalisierung mit. Sie erkennen die Potenziale moderner Technologien als Katalysator für Innovation und Wachstum und sind der digitalen Welt meist näher verbunden als die Vorgänger. Dies zeigt sich in der selbstverständlichen Implementation neuer digitaler Tools und agiler Methoden. Der Generationswechsel wird so zum Innovationstreiber: Neue Geschäftsmodelle entstehen und digitale Märkte werden erschlossen.
Parallel zur technologischen Transformation vollzieht sich damit einhergehend meist ein kultureller Wandel in den Unternehmen. Die neue Generation von Führungskräften prägt dabei einen eigenen Führungsstil: Sie setzen verstärkt auf partizipative Entscheidungsprozesse und flexible Arbeitsmodelle. Diese moderne Form der Unternehmensführung ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil – gerade, wenn es darum geht, neue Talente zu gewinnen und zu binden. Darunter fallen nicht zuletzt aktuelle Themen wie Vereinbarkeitsmodelle, hybrides Arbeiten oder Mentale Gesundheit. Viele aus der Nachfolger-Generation legen darauf selbst großen Wert und setzen sich entsprechend dafür ein – dass sie damit als attraktive Arbeitgeber punkten ist ein weiterer wichtiger Effekt.
Das Plus als Frau: Gerade Themen rund um Vereinbarkeit und Flexibilität betreffen Frauen (leider immer noch) besonders stark – sie sind daher wichtige weibliche Vorbilder in der Unternehmensführung, um diesen kulturellen Themen noch mehr Gewicht zu geben.
Change-Management: Mit Fingerspitzengefühl zum Erfolg
Ein erfolgreicher Wandel braucht mehr als nur gute Ideen – er erfordert vor allem ein kluges Change-Management. Denn: der Spagat zwischen Tradition und Innovation verlangt Fingerspitzengefühl. Besonders im Mittelstand, wo langjährige Mitarbeitende das Unternehmen prägen, ist psychologisches Geschick gefragt. Widerstände gegen Veränderungen sind dabei meist keine persönliche Ablehnung der neuen Führung, sondern Ausdruck von Unsicherheit.
Der Schlüssel liegt in einer durchdachten Change-Strategie: Eine offene, transparente Kommunikation der Ziele schafft Orientierung. Die aktive Einbindung der Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess wandelt potenzielle Skeptiker in Unterstützer. Erfolgreiche Nachfolgerinnen und Nachfolger setzen dabei auf einen Mix aus Respekt vor dem Bestehenden und klarer Zukunftsvision. Sie verstehen: echter Wandel braucht Zeit – und die Menschen müssen ihn mittragen.
Das Plus als Frau: Psychologisches Geschick, ausgeprägte Sensibilität sowie hohe Kritikfähigkeit liegt Frauen oftmals mehr als Männern. Dadurch und mit ihrem häufig kooperativen Führungsstil sorgen sie für Sicherheit in Zeiten der Veränderung.
Erfolg hat der Wandel, der aktiv gestaltet wird
Ein Momentum, das es zu nutzen gilt: Unternehmen, die den Generationenwechsel strategisch angehen, sind langfristig erfolgreicher. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist also der Balanceakt zwischen Neu und Alt. Jetzt ist die Zeit, Unternehmenskultur und -strategie zukunftsorientiert auszurichten und Prozesse zu optimieren. Bewährtes wertschätzen und gleichzeitig den Mut haben, neue Wege zu gehen.
Nachfolgerinnen bringen ideale Voraussetzungen mit, um Unternehmen durch die Herausforderungen der Transformation zu führen. Mit ihrer oft ausgeprägten emotionalen Intelligenz, ihrer Fähigkeit zur kooperativen Führung und ihrem Gespür für nachhaltige Entwicklung legen sie wichtige Grundsteine , um Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten.
Wer diesen Weg bewusst geht, authentisch führt und dabei auf starke Netzwerke baut, positioniert sich nicht nur als moderne Führungskraft, sondern schafft auch die Basis für langfristigen Unternehmenserfolg.
Zur Autorin:
Andrea Hartmair verbrachte 15 Jahre in Familienunternehmen, zuletzt als Chief Communications Officer. Seit Anfang 2021 ist die Marketing- und Kommunikationsexpertin selbständig mit ihrer eigenen Boutique-Beratung Goldstück. Nicht zuletzt als Initiatorin ihres Blogs Manager Mama liegt ihr Schwerpunkt schon seit vielen Jahren auf Frauen und deren Karrieren sowie Sichtbarkeit. Mehr dazu lest ihr auch im sheconomy-Interview, im ersten Teil der Serie Leidenschaft als Erfolgstreiber in Familienunternehmen, in Teil zwei, Souveräner Bühnenwechsel: die nächste Generation im Rampenlicht, und in Teil drei, Tschüss Fachkräftemangel, hallo Employer Branding.