StartBusinessJede Frau auf der Bühne soll eine weitere auf die Bühne bringen

Jede Frau auf der Bühne soll eine weitere auf die Bühne bringen

Bühnen sind nach wie vor fest in Männerhand. Warum Podien und Panels nicht nur paritätisch, sondern divers besetz werden müssen und wer die Verantwortung dafür trägt, dass möglichst viele Stimmen gehört werden – selbst in männerdominierten Branchen.

Abendtermine und Care-Pflichten passen nicht zusammen. Das wissen Frauen mit Kindern oder pflege bedürftigen Angehörigen. Das Resultat: Viele von ihnen nehmen Aufträge und Einladungen nicht an, während Männer ihre Seilschaften oft intensiv nutzen und sich unbeschwerter ins Rampenlicht begeben. Fränzi Kühne beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Umstand. Sie war nicht nur die jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands in einem börsennotierten Unternehmen, sie hat auch die Initiative „Ohne Frauen, ohne uns“ mitbegründet. Das Netzwerk setzt sich für ein paritätisches Panel-Prinzip ein und lehnt rein männlich besetzte Diskussionsrunden ab. Kühne merkte schnell: „Auf einmal funktionierte es auch, dass sich die Veranstalter bemühen, noch weitere Frauen ins Panel zu kriegen. Es geht also doch!“ Tendenziell verstünden Start-ups und junge Unternehmen dieses Ansinnen eher als die „Old Economy“, die für rein männlich besetzte Podien jede Menge Shitstorms ernten.

Martina Kapral arbeitet nicht nur selbst auf der Bühne, sie vermittelt auch Speakerinnen und Speaker ans Rampenlicht.

Männer sind sichtbarer, weil sie lauter schreien

Speakerinnen und Speaker für Events und Bühnen vermittelt Martina Kapral mit ihrer Agentur. Bei ihr sind Top-Podcaster Ali Mahlodji und Stuntfrau Miriam Höller ebenso unter Vertrag wie Kulturanthropologin Bettina Ludwig als Stimme für New Work. „Ali Mahlodji verbringt 200 Abende im Jahr auf Bühnen. Ich kenne keine Frau mit einem annähernd so großen Pensum“, sagt Kapral. Männer werden bei ihr definitiv öfter gebucht, was für die Agenturinhaberin an Rollenbildern und Geschlechterstereotypen liegt (s. auch Interview mit ORF-Polittalkerin Claudia Reiterer). „Hochkaräter unter den Keynote-Speakern bekommen bis zu 15.000 Euro für eine Veranstaltung. Die Entscheider, die Budgets für Speaker freigeben, sind oft CEOs und damit selbst Männer. So schlimm es klingt, sie scheinen einem Mann die Expertise eher abzunehmen.“ Die Erfahrung zeige außerdem, dass Männer deshalb am Markt sichtbarer seien, „weil sie lauter schreien“, so Kapral. Dieses Verhalten entspreche schlichtweg der Rolle eines Speakers. Zwar gebe es in Österreich kraftvolle Frauen für Bühnen – die Anzahl der Buchungen liege jedoch deutlich hinter jener von Männern zurück. Plus: „Hat eine Frau Familie, dann will sie nicht 50 Nächte oder mehr pro Jahr auswärts schlafen. Also nimmt sie Termine an, die in der Nähe stattfinden. Nur wenn sie einen Mann hat, der seine eigene Rolle nicht traditionell anlegt, sind Chancen für mehr Sichtbarkeit da.“ Dabei sei ein reines Bühnenprogramm mit Männern längst aus der Zeit gefallen.

Quote als Gefahr für Leistungsträgerinnen

Patissière, Chocolatière und Moderatorin Eveline Wild

Ob eine Quotenfrau bei Events eine gute Idee ist? Eveline Wild winkt energisch ab. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Hauben-Koch Stefan Eder, führt sie in der Steiermark das Vier-Sterne-Hotel „Der WILDe EDER„. Sie steht als Patissière, Chocolatière und Moderatorin vor Fernsehkameras ebenso wie auf Bühnen im Scheinwerferlicht – obwohl die Spitzengastronomie in Österreich und Deutschland eine wahre Männerdomäne ist. „Auf Podien bin ich auch heute manchmal die einzige Frau. Das hat den Beigeschmack von einer Quotenfrau und das kann ich gar nicht leiden“, erklärt die gebürtige Tirolerin. „Runden krampfhaft bunt zu machen ist für mich nicht sinnvoll.“ Für Wild schwächt es Personen, die Herausragendes geleistet haben, wenn jemand auf Bühnen kommt, die oder der zu wenig Expertise mitbringt und offensichtlich nur wegen der Quote eingeladen wird.

In der Spitzengastronomie hat Wild nur wenige Küchen-Kolleginnen, die beständig auf höchstem Niveau kochen. „Das resultiert schlicht und ergreifend daraus, dass wir Frauen um die 30 Jahre Kinder bekommen und uns ab dann das Mutterdasein in Anspruch nimmt.“ Dementsprechend seien die Männer die gefeierten Küchenchefs und die Frauen in der Regel die Service-Chefinnen, die ihre Partner erden. Wild, selbst Mutter, will jedenfalls weiter zeigen, dass die Kombination aus Kindern und Business funktionieren kann.

Diversität macht Bühnen erst spannend

Eine, die Eveline Wild gerne ins Rampenlicht holt, ist Martina Baumgartner. Die Salzburgerin ist für Marketing und Events bei den „Jeunes Restaurateurs“ zuständig, einer internationalen Vereinigung jüngerer Spitzengastronominnen und -gastronomen, bei der auch Wild Mitglied ist. Zu den „Festspielen der Alpinen Küche“ etwa hat sie Wild ins Salzburger Land geholt, ebenso wie die Food-Trendforscherin Hanni Rützler. „Wo immer es bei Kulinarik-Themen möglich ist, versuche ich, Diversität auf die Bühne zu bringen.“ Für eine gelungene Runde denkt Baumgartner Alter, Meinungen, Hintergründe und Emotionalität mit. Diese Komponenten gelte es im Blick zu haben, denn es brauche eine spannende Dynamik unter den Diskutierenden, damit ein Podium das Publikum fesselt. Dabei kommt es „so gut wie nie“ vor, dass eine Frau von sich aus die Bühne sucht, merkt Baumgartner an. „Es bedarf immer wieder jeder Menge Überzeugungsarbeit, auch wenn ich langsam einen Wandel im Selbstverständnis und Selbstbewusstsein von Spitzenköchinnen merke. Jedes mit Frauen besetzte Podium trägt dazu bei.“

In dieselbe Kerbe schlägt Speakerinnen- und Speaker-Agentin Martina Kapral: „Für mich ist eine Bühnenbesetzung dann gelungen, wenn die Menschen ein Spannungsfeld erzeugen und ein Stück weit polarisierend argumentieren.“ Ausgewogenheit sei das Um und Auf für Bühnen. „Ein männlicher Speaker bedingt 2024 eine weibliche Moderatorin – und umgekehrt. In letzter Zeit mehren sich die Anfragen für Doppelmoderationen, sodass sich Frauen und Männer die Bälle zu spielen können.“ Damit sich in den Köpfen der Entscheidungsträgerinnen und -träger Grundlegendes ändert, lautet Kaprals Anspruch: „Jede Frau auf der Bühne soll eine weitere Frau auf die Bühne bringen.“

 

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