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It‘s a women‘s (wine) world

Weinzeit am Arlberg: Zum wiederholten Male kam die internationale Wein-Elite in der beschaulichen Ortschaft Lech in Vorarlberg zusammen. Wein-Kritiker:innen, -Autor:innen und -Macher:innen diskutierten über die Zukunft der Branche - und bewiesen einmal mehr, dass diese zunehmend von Frauen geprägt wird.

„It’s a man’s world“ klingt es aus den Lautsprechern, als sich die Gruppe in dem weitläufigen Weinkeller versammelt hat. Von wegen! Die anwesenden Frauen strafen James Brown Lügen: Arianna Occhipinti, Pionierin der sizilianischen Naturwein-Szene. Sara Pérez aus dem nordwestlich von Barcelona gelegenen Priorat, die vielen als einflussreichste Frau des spanischen Weines gilt und die deutsche Winzerin Katharina Wechsler, die als Quereinsteigerin das elterliche Weingut von Masse auf Weltklasse umgepolt hat.

Der Arlberg als Treffpunkt der Wein-Elite

Der Arlberg Weinberg 2024 hat einmal mehr gezeigt, dass die Welt des Weines längst nicht mehr den Männern gehört. Unter der Regie von Dorli Muhr – selbst Winzerin und Gründerin der Agentur Wine+Partners – hat sich erneut die internationale Wein-Elite im beschaulichen Voralberg versammelt. Erstmals fand die Veranstaltung im neu eröffneten Veranstaltungszentrum „Lechwelten“ statt, das sich als schlichter Holzbau demütig in die umliegende Berglandschaft einfügt.

Herzstück des Weinbergs ist das hochkarätig besetzte Fach-Sympisum, das am vergangenem Sonntag mit einer Verkostung der Steirischen Terroir- und Klassikweingüter begann. Beim anschließenden Dinner im Oberlecher Burg Hotel schenkten die anwesenden (durchweg jungen) Winzer:innen ihre liebsten Jahrgänge aus: 2011, 2004, 1997 – Weine, die von den Großvätern gepflanzt und den Eltern abgefüllt wurden. Die abendliche Kellertour machte deutlich, warum der abgelegene Arl- zum Weinberg auserkoren wurde: Um die 50.000 Flaschen und viele Millionen Euro lagern dort. „Weltgourmetdorf“ wird Lech Zürs gerne genannt, denn Sammlungen wie diese gibt es in dem Ort viele.

Das Programm der folgenden Tage bestand wie gewohnt aus Verkostungen und Fach-Konferenzen. Etwa zur Zukunft von Chardonnay und Sauvignon Blanc – zwei der weltweit wichtigsten Rebsorten. Auf der Bühne saß unter anderem die Kanadierin Cokie Ponikvar: Knapp 500.000 Menschen, der Großteil unter 30, folgen ihrem Instagram-Account cokiesworldofwine, auf dem sie über Wein und Weinbau aufklärt. Mit ihren 24 Jahren war sie beinahe halb so alt, wie die außer ihr anwesenden, drei Männer und damit Sinnbild für eine neue Generation, die ungezwungen (und für alle verständlich) über Wein redet.

Am nächsten Tag ging es um eine der drängendsten Herausforderungen der Branche: Den Klimawandel und die damit einhergehende Wasserknappheit. Es waren vor allem die leidenschaftlichen Schilderungen der Winzerinnen Arianna Occhipinti und Sara Pérez, die das Publikum mitrissen: Bessere Bodenqualität durch Humusaufbau, Schafwolle zur Kühlung, neue Schnitttechniken. Dank dieser Maßnahmen gelingen ihnen hervorragende Weine, trotz Rekordtemperaturen von bis zu 50 Grad. Doch auch grundlegende – berechtigte, aber schmerzhafte – Fragen kamen auf: Sollte man in solch heißen Regionen überhaupt noch Wein anbauen? „Der Klimawandel trifft alle überall“, meinte Sara Pérez und plädierte für mehr Austausch.

Wein als Brückenbauer

Dafür gab es am Weinberg auch abseits der Fachrunden viele Möglichkeiten: Ob beim morgendlichen Skifahren und Winterwandern, in der Mittagspause, wo es Spezialitäten Vorarlberger Erzeuger:innen zu verkosten gab oder bei den ausgiebigen Abendessen, bei denen meist auch die Winzer:innen mit am Tisch saßen. Dabei konnten dann auch ganz praktische Fragen diskutiert werden. Etwa: Tut es euch eigentlich weh, dass so viel Wein im Spuckeimer landet? „Ein bisserl schon“, gibt Winzer Mathias Jalits zu. Aber: „Die Fässer sind meine Babys, sobald er in den Flaschen ist, ist der Wein irgendwie erwachsen.“

Bevor es zum Abschluss in die Hospiz Alm ging, in deren Keller sich eine der bedeutendsten Sammlungen an Großflaschen befindet (die ältesten von 1894, die größten 27 Liter schwer), wurde nochmal lebhaft diskutiert: Terroir versus Naturwein. Die Terroir-Anhänger:innen wollen mit ihren Weinen das Gefühl für den Ort vermitteln, die Naturwinzer:innen dank minimaler Eingriffe die „wahre Essenz des Weins“. Isabelle Legeron, Gründerin der führenden Messe für Naturwein, RAW Wine, plädiert für mehr Transparenz; Winzerin Katharina Wechsler für weniger Lagerdenken. Worauf sich letztendlich alle Beteiligten einigen konnten.

Wie meinte Winzerin Katharina Tinnacher am ersten Abend: Wein ist Genuss, Geschichte, Tradition. „Er kann Brücken bauen, über Generationen und Vorlieben hinweg.“

Text: Verena Carola Mayer

Fotomaterial© Wine+Partners

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