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Rien ne va plus

Ein Jahr der Entlarvungen: von Credit Suisse über Sam Bankman-Frieds‘ FTX-Kryptowährungsbörse bis hin zu René Benko und der Signa Group.

Wie das Jahr begonnen hat, so endet es auch. Leider, muss man sagen. Es begann mit dem Niedergang der Credit Suisse und endet mit Krypto-Schneeballspieler Sam Bankman-Fried und dem Fall (des) René Benko. Es sind Geschichten über allzu rasches Wachstum und das Versagen der Kontrollorgane beziehungsweise ein gewisses Laissez-Faire. Schon im Frühjahr dieses Jahres warnte Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff im deutschen „Handelsblatt“: „Es gibt wieder dieses Gefühl des Jahres 2008“.

Die Abwärtsspirale der Credit Suisse lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen: Sie begann mit dem Abgang des Credit-Suisse-CEOs Tidjane Thiam: Dessen Nachfolger betrieb, kaum im Amt, gemeinsam mit einem britischen Finanzdienstleister hochriskante Unternehmensfinanzierungen, die zu Milliardenverlusten führten. Das eine Debakel war noch nicht aufgearbeitet, brach das nächste herein: ein Wall-Street-Investmentbanker, mit dem die Credit-Suisse zusammengearbeitet hatte, fuhr mit halsbrecherischen Trading-Strategien kurzfristig Milliardengewinne ein, bis sein System kollabierte. Weitere Skandale kamen dazu sowie das vollständige Versagen der Kontrollorgane (Verwaltungsrat), die die Credit Suisse immer tiefer in den Sumpf zogen und ein Bild festigten – jenes einer von Profitgier getriebenen Bank.

Bei René Benkos Signa Gruppe hätten – zumindest bei den Gesellschaftern – schon vor Jahren die Alarmglocken schrillen können. Denn die gesellschaftlichen Verschachtelungen innerhalb der Gruppe – zuletzt war von einem Geflecht aus rund 1.000 Unternehmen die Rede – wurden so gestaltet, dass keine gesetzliche Konsolidierungspflicht entsteht. Solange für alle Beteiligten und Involvierten Geld floss, schien sich keiner an der mangelnden Transparenz und den eigenwilligen Konstruktionen zu stoßen. Erst die Insolvenzverfahren rund um die Galerie Kaufhof-Kaufhäuser sowie die allgemein gestiegenen Kreditzinsen brachten Unruhe unter die Betroffenen.

Auch beim Krypto-Wunderkind Sam Bankman-Fried herrschte erst Alarmstimmung, als es bereits zu spät war: Der 31-jährige Gründer der FTX-Kryptowährungsbörse wurde vergangene Woche wegen Unterschlagung von Kundengeldern, Betrugs und Geldwäsche schuldig gesprochen. Vor einem Jahr wurde er noch hofiert und bewundert, von Forbes auf Platz 41 unter die Top 400 der Reichsten gehievt. Doch hinter den Kulissen verschob Bankman-Fried in großem Stil Investorengelder, um den von ihm gegründeten Hedgefonds zu retten, und führte ein Luxusleben auf den Bahamas.

Das primäre Problem aber ist das Bonussystem für die Führungsetage, das sich viel zu häufig rein an den Bilanzsummen orientiert. Deshalb kommt es zu fragwürdigen Risikobewertungen und Compliance Problemen. Was die Gier mildern könnte, wäre eine zielgerichtetere Umsetzungspflicht von ESG-Regeln. Wären die einzuhaltenden Nachhaltigkeitskriterien nicht in erster Linie ein Bürokratieakt (was derzeit häufig der Fall ist), sondern eine nachweisbare Kulturverankerung, würde dies den Gewinnbegriff verändern – und der Gambler-Mentalität einen Riegel vorschieben. Natürlich geht es beim erfolgreichen Wirtschaften um das Vermehren von Vermögen und Geld. Was aber spricht eigentlich gegen Korrektheit und Anstand?


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Fotomaterial(c) Canva

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