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Business Case Klimaschutz

Der Klimawandel ist für Janna Ensthaler das größte Problem unserer Zeit. „Wenn wir es nicht schaffen, in Frieden mit unserem Habitat zu leben, erleiden wir Verluste, die wir nicht mehr einholen können“, sagt sie. Wie ein Treffen mit Al Gore in der Antarktis sie verändert hat und warum sie den Green Generation Fund gegründet hat, erzählt sie im Interview.

Warum haben Sie den Green Generation Fund 2021 gegründet?

Das Thema Nachhaltigkeit treibt mich schon lange um. Bereits 2012 war ich mit dem
Unternehmer und Umweltschützer Al Gore, seinen Wissenschaftler*innen und Sponsor*innen sieben Tage in der Antarktis und habe dort hautnah erlebt, welche Auswirkungen der Klimawandel mit sich bringt – das war für mich schockierend. Daraufhin habe ich alles hinterfragt, meinen Benziner gegen ein E-Auto getauscht, mich vegan ernährt, Second Hand eingekauft …

Das allein hat Ihnen aber nicht gereicht …

Durch einen Zufall habe ich Manon Sarah Littek kennengelernt – eine langjährige, erfahrene Investorin, die im FoodTech-Bereich unterwegs ist. Ich war zu der Zeit schon dreifache Gründerin. Die Idee zum Green Generation Fund war geboren. Das Thema Nachhaltigkeit ist das größte Problem unserer Zeit. Aber auch die größte Opportunity.

„GreenTech und FoodTech – zwei Komponenten, ohne die keine Gesellschaft funktioniert.“

Das heißt konkret?

Es ist so wichtig, in einer zunehmend unvorhersehbaren Welt mit geopolitischen Unruhen Energy and Food Security herzustellen. Es gibt wahnsinnig viele Technologien, die uns da helfen werden – und in die investieren wir.

Wo liegt der größere Hebel: In GreenTech oder in FoodTech?

Es sind unterschiedliche Bereiche. Energy Security und Energieressourcen zu haben, ist extrem wichtig. Noch viel wichtiger, als man so denkt. Wir brauchen Energie zum Autofahren, zum Heizen, um das Handy aufzuladen. Wir müssen effiziente Energien erwirtschaften – egal, ob solar, Wind, neue Hydrogen- oder Biogas-Plants. Im Food-Bereich müssen wir autarker werden. FoodTech wird lösen, dass wird resilientere Foodsysteme haben, die uns auch Nahrungsmittel liefern, wenn wir in Situationen kommen, dass Ernten oder Lieferketten ausfallen – zwei Dinge, ohne die keine Gesellschaft funktioniert. Beide sind komplett elementar, also müssen wir Lösungen finden.

Wo zahlt es sich wirtschaftlich betrachtet mehr aus?

Man muss unterscheiden: Start-ups in der Food-Industrie lassen sich sehr gut skalieren kann und auch sehr schnell verkaufen. Große Food Companys sind an diesen Technologien interessiert und schaffen so nachhaltig Veränderung. Das ist ein guter Exit-Markt und ist finanziell lukrativ. GreenTech ist groß, ohne GreenTech werden wir den Klimawandel nicht schaffen. Es ist mit KI und Robotics das relevanteste und größte Investmentfeld der jetzigen Zeit.

Sind nachhaltige Unternehmen schwerer profitabel zu machen?

Hier muss man unterscheiden. Hast du ein Business-Modell, das im neuen Green- oder Tech-Market top funktioniert, dann kannst du schneller wachsen, profitabler und erfolgreicher sein als fast jedes andere Modell heute. Bist du aber ein Unternehmen im Kosmetikbereich und möchtest nachhaltiger produzieren, dann ist es eine Challenge,
deine Profitabilität zu halten. Europäische Unternehmen, die diesen Weg gehen, stehen auf der Kosten- und Profitseite auch erst mal im Wettbewerbsnachteil zu anderen internationalen Firmen.

„Wir brauchen internationale Beschlüsse, über alle Länder hinweg, die wir durchziehen müssen.“

100 Millionen haben Sie mit dem Green Generation Fund gesammelt. Wie ist das gelungen?

Das richtige Thema, die richtige Ansprache und die richtigen Netzwerke, die uns vertrauen. Wir haben es tatsächlich geschafft, das Who-is-who der europäischen Wirtschaftsgrößen und Privatinvestor*innen zu vereinen.

Was ist mit den 100 Millionen passiert?

Wir sind bei 50 Prozent Ersttickets und 50 Prozent Follow-on und haben in eine tolle Gruppe an Unternehmen im FoodTech- und im GreenTech-Bereich investiert, zum Beispiel Reverion, Greenlyte und Protein Distillery. Und ja, wir haben auch gemacht, was andere nicht machen: Wir haben schon während des Fundraisings investiert. Das konnten wir, weil unsere ersten Investor*innen sehr stark an uns geglaubt haben und gesagt haben, dass wir schon loslegen dürfen, obwohl der Fund noch nicht geschlossen war.

Wie gehen Nachhaltigkeit und Rendite denn zusammen?

Auf der einen Seite sind da die Investor*innen, denen es egal ist, wenn es wirtschaftlich nicht so spannend ist, die aber den Planeten retten wollen. Auf der anderen Seite jene Investor*innenseite, die sagt: „Wir brauchen neue Technologien und Errungenschaften, die auch kommerziell verkaufbar sind.“ Ich ziehe hier gerne den Vergleich mit NGO-Arbeit: Auch die muss in einem kapitalistischen System Früchte tragen. Wir müssen uns deutlich kompetitiver zeigen als der Status quo. Wir müssen den großen kommerziellen Erfolg schaffen und das Unicorn finden, das auch CO2 reduziert. Das ist der Weg, an den wir glauben und den wir gehen.

Können wir die Welt nur retten, wenn wir auch wirtschaftlich denken?

In dieser Welt, in diesem System geht es nur so. Wir spielen so krass mit dem Feuer, wir sind schon 30 Sekunden vor 12, nicht 5 vor 12, und wir haben es nicht geschafft, ein internationales Gremium herzustellen, das sich um das Überleben der Menschheit kümmert. Die Zahlen gibt es ja, das ist alles Wissenschaft. Die Welt ist zu korrupt, zu
kapitalistisch, sie bevorzugt Short-Term Gains finanzieller Art – und jeder Art.

Kein gutes Bild, das Sie zeichnen …

Das Problem ist, dass wir Europäer*innen uns schon wirtschaftlich zurücknehmen, den Wunsch nach Veränderung haben und das CO2-Problem lösen wollen. Das ist sehr löblich, aber das ist in anderen Ländern nicht so. Nicht in China, nicht in Indien, nicht in Südostasien und auch nicht in Amerika. Hier kommt ein game-theoretisches Problem ins Spiel: Wenn wir auf einem Schachbrett auf Attacke gehen und sich die anderen nicht um das Thema kümmern, schwächen wir uns wirtschaftlich, haben auf der Weltbühne weniger zu sagen, sind angreifbarer und haben noch nichtmal die Klimakrise gelöst. Das heißt, wir haben auf allen Ebenen verloren.

Was braucht es, um das zu vermeiden?

Ein ganz hartes Erwachen von uns Europäer*innen, dass die Sprache, die in den nächsten 100 Jahren gesprochen wird, Macht und Wirtschaftskraft ist. Dann bestimmst du auch das Geschehen. Und wir brauchen internationale Beschlüsse über alle Länder hinweg, die wir durchziehen müssen. Und ich würde tatsächlich Bürokratie, Auflagen, Steuern, alles, was das Wirtschaftsdasein erschwert, komplett zurücknehmen. Dieses Geld wäre besser in Schlüsseltechnologien investiert, die Lösungen bringen und kompetitiver sind als der internationale Standard. Damit würden wir schneller vom Fleck kommen.

„Meine Töchter haben mich zu einem besseren Menschen gemacht. Es war eine Metamorphose, die ich durchlaufen bin.“

Warum setzen sich Menschen noch so wenig für echte Nachhaltigkeit ein?

Der krasse Schockmoment fehlt. Wir denken gerne kurzfristig und egoistisch und haben wenig Interesse an Dingen, die nicht wirklich direkt vor der Haustür auf uns warten. Wenn meine Heimatstadt Braunschweig jeden Tag überflutet wäre, dann würden wir alles tun, um das zu verhindern. Die Anzeichen, die darauf schließen, dass das passieren kann, beachten wir nicht.

Sie sind Mutter von drei Töchtern. Sind sie Ihr Antrieb?

Absolut. Ehrlich gesagt haben mich meine Töchter auch zu besseren Menschen gemacht haben, besonders meine erste, die schon seit neun Jahren bei mir ist. Es war eine Metamorphose, die ich durchlaufen bin. Mir sind Werte sehr wichtig, und ich lebe sehr
nach ihnen.

Wie investieren Sie persönlich?

Ich möchte in nichts investieren, was die Gesellschaft schwächt. Mein Hauptaugenmerk ist bei Themen, die auf der Nachhaltigkeitsebene oder auf der gesellschaftlichen Ebene relevant sind. Das setze ich auch bei „Die Höhle der Löwen“ um.

Wenn Sie auf Ihre Gründung Glossybox zurückblicken, was kommt Ihnen da zum Thema Nachhaltigkeit in den Sinn?

Es war eines der unnachhaltigsten Modelle überhaupt. Eine Box, in der Kosmetikpröbchen sind – mehr Verpackung geht eigentlich nicht. Es war eine andere Zeit, und es zeigt auch meinen Weg und mein Wachstum. Man braucht eine gewisse Art von Gutmütigkeit zu sich selbst. Ich mag den Spruch: „As long as you do it a little bit better than the generation before you, you’re already good.“ Eine meiner Töchter hat vor wenigen Tagen ihr Zeugnis bekommen, und darauf stand die Bemerkung: „Das Beste, was man sein kann, ist man selbst.“ Ein Ansatz, mit dem man durchs Leben gehen sollte.


Zur Person:

Janna Ensthaler, geboren 1983, ist eine deutsche Unternehmerin. Bereits 2010 gründete sie die Kosmetikfirma Glossybox, die sie 2017 verkaufte. Beim Green Generation Fund screent sie mit einem achtköpfigen Team Tausende Start-ups im Jahr. Das Manager Magazin zählt sie zu den 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft. Seit 2023 ist sie Mitglied der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ (VOX).


Was die Invests des Green Generations Fund bewirken:

Reverion ist eine Ausgründung der TU München und entwickelt das „Kraftwerk der Zukunft“ – eine Schlüsseltechnologie für eine zu 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung. So kann mit der Technologie von Reverion die elektrische Leistung von konventionellen Biogasanlagen verdoppelt werden.

Das Start-up Greenlyte aus Essen hat eine neuartige elektrochemische DAC („Direct Air Capture“)-Technologie entwickelt, bei der Kohlendioxid, Wasserstoff und Sauerstoff als
separate Gasströme freigesetzt werden. Der von Greenlyte patentierte Prozess verspricht eine noch nie dagewesene Energieeffizienz von DAC-Technologien.

Protein Distillery recycelt verbrauchte Hefe aus dem Bierbrauprozess, um funktionale Zutaten zu gewinnen. Diese dienen als Alternativen zu Zusatzstoffen, Emulgatoren und Stabilisatoren, die üblicherweise in den Bereichen alternative Proteine und Fertiggerichte verwendet werden.

Fotomaterial(c) Sevda Albers
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