StartInnovationProteine aus der Luft

Proteine aus der Luft

Ein Startup verwendet Mikroben, um aus dem Treibhausgas CO2 begehrte Aminosäuren herzustellen. Damit will das junge Unternehmen die Suche nach nachhaltig hergestelltem Protein auf eine neue Stufe heben.

In Wien hat sich eine aufstrebende Tech-Start-up-Szene etabliert, die das Potenzial hat, Innovation und Wachstum in der Region voranzutreiben. Heute im Fokus: Arkeon, ein Startup, das sich der Proteinherstellung verschrieben hat. Die wichtigsten Zutaten: Mikroben und Luft. Oder genauer gesagt das Treibhausgas CO2.

Weltweit steigende Nachfrage nach Proteinen

Eine weltweit steigende Nachfrage nach Eiweiß, das ohne Tierleid auskommt, baut Druck auf die Soja- und Erbsenindustrie auf, aus denen viele Fleischersatzprodukte hergestellt werden. Expert:innen sprechen bereits heute davon, dass die Nachfrage das Angebot in den kommenden Jahren übersteigen wird. Die Welt braucht also Alternativen. Können diese aus den Fermetiertanks der Tüftler:innen aus Wien kommen?

Mit Winzlingen gegen globale Herausforderungen

Bei Arkeon sind die großen Helden die ganz Kleinen: Urzeitliche Mikroorganismen mit dem klingenden Namen Achaea können so gezüchtet werden, dass sie aus CO2 Aminosäuren herstellen. Das funktioniert über Fermentierung, und zwar circa so wie Bierbrauen – nur umgekehrt. Statt sich von Zucker zu ernähren und Alkohol und CO2 entstehen zu lassen, verwenden die Kleinstlebewesen CO2 als Nahrung und stellen Aminosäuren her. Aminosäuren sind wiederum die Bausteine, aus denen Proteine bestehen. Arkeon kann so alle 20 Aminosäuren herstellen, darunter auch jene neun, die als essentiell gelten. Sie können nicht vom Körper hergestellt werden und müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Aminosäuren und Peptide liegen aber nicht nur in der (funktionalen) Ernährung im Trend: Auch die Kosmetikindustrie ist am Kauf nachhaltiger Inhaltsstoffe interessiert und bereit, gutes Geld für gute Qualität zu zahlen.

Where the magic happens: Im Fermenter produzieren Mikroben Aminosäuren aus CO2. Foto: Christoph Öhlknecht, Arkeon
Where the magic happens: Im Fermenter produzieren Mikroben Aminosäuren aus CO2. Foto: Christoph Öhlknecht, Arkeon

Geplanter Markteinstieg: USA

„Wenn wir die Produktion so hochfahren können wie geplant, werden wir in den kommenden Jahren mit nur einem Reaktor rund 3400 Tonnen Aminosäuren pro Jahr produzieren“, sagt Ipek Egal. Sie ist Mikrobiologin, Molekularbiologin und Chief of Staff bei Arkeon. Außerdem verantwortet sie die Bereiche Strategie und Operations. Das Produkt, das das Startup in den Markt bringen will, richtet sich nicht an Endkonsument:innen. Es ist für den B2B-Markt gedacht, da es sich dabei um Aminosäuren in Pulverform handelt, das wiederum verschiedenen Produkten zugesetzt werden kann. Als Einstiegsmarkt hat Arkeon die USA gewählt: „Wir brauchen einen konstanten Strom an günstiger Energie und CO2„, sagt Ergal. Das und die Tatsache, dass der amerikanische Markt in vielen Bereichen neuen Produkten gegenüber aufgeschlossener ist, soll helfen, Arkeons Produkte in großen Mengen an den Mann und an die Frau zu bringen. Entwickelt und geforscht wird weiterhin in Wien: „Wir haben in Wien einen regelrechten Biotech-Hub. Viele Fachkräfte aus dem Bereich sind bereits hier angesiedelt, daher ist Wien der optimale Standort für unsere Forschungsabteilung“, begründet Ergal die Entscheidung, nicht mit Sack und Pack nach Übersee auszuwandern. 

Aminosäuren: Ein Milliarden-Markt

Das Einsatzgebiet von Aminosäuren ist denkbar groß. Food und Beverage bildet eine mögliche Schiene der Rezipienten von Arkeons Produkten ab. Alleine der Functional Drinks Bereich umfasst laut Ergal rund 100 Milliarden Dollar Marktvolumen. Dazu gehören Getränke, die um Mineralien, Vitamine, oder im Fall von Arkeon – Aminosäuren angereichert wurden. Cultured Meat, also In-Vitro-Fleisch braucht ebenfalls Aminosäuren, um in der Petrischale zu wachsen – und diesem Sektor werden gigantische Zuwächse prophezeit. Und auch für den Sektor Körperpflege rechnet Arkeon mit großem Interesse.

Die Molekularbiologin Ipek Ergal ist Chief of staff beim Aminosäuren-Hersteller Arkeon. Foto: Christoph Öhlknecht, Arkeon
Die Molekularbiologin Ipek Ergal ist Chief of staff beim Aminosäuren-Hersteller Arkeon. Foto: Christoph Öhlknecht, Arkeon

Investments und Mission

Über zehn  Millionen Euro an Investitionen wurden bereits aufgetrieben. Auch strategische Unternehmenskooperationen wurden abgeschlossen. Unter ihnen sind namhafte Unterstützer wie Biogena, ReGen Ventures oder ICL Auch Synthesis Capital steckt Geld in Arkeon – ihr Kapital stellten sie bereits anderen Pionieren im Sektor der alternativen Proteinherstellung wie Impossible Foods zur Verfügung. Eine der größten Herausforderungen besteht jedoch im Recruiting bestimmter Positionen, z.B. im Ingenieurswesen. Ipek Ergal will auch Frauen für die freien Ingenieursstellen bei Arkeon rekrutieren. Das Startup muss seinen Herstellungsprozess skalieren und damit auch Tanks und Maschinen um ein Vielfaches vergrößern. Das braucht Technik und jemanden, der sie entwickelt. Frauen sind zwar in der Mikrobiologie gut vertreten, Mechatronik und Bioverfahrenstechnik sind jedoch notorisch männlich dominierte Sparten: „Wir bemühen uns trotzdem. Mir als Frau ist es natürlich wichtig. Aber das Thema Equality und Gender Diversity stößt bei uns auch in der Führungsebene auf starke Unterstützung. Wir bleiben dran.“

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