Alles, was sie wollten, war faire Bezahlung. Mit diesem Wunsch sind die Fußballerinnen der australischen Fußball-Nationalmannschaft 2019 an die Öffentlichkeit getreten – und eigentlich haben sie sich damit eh gut Zeit gelassen, wenn man bedenkt, dass die erste Frauenfußballweltmeisterschaft schon 28 Jahre zuvor, im Jahr 1991, stattgefunden hat. Konkret forderten die „Matildas“, wie sich die Australierinnen nennen, damals bei der WM in Frankreich eine Erhöhung der WM-Prämie. Sie beriefen sich auf das Gleichstellungsgebot der FIFA – denn die Australierinnen sahen es nicht ein, dass das Preisgeld bei der Frauen-WM bei nur 7,5 Prozent von jenen 400 Millionen Dollar lag, die den Männern bei einem WM-Sieg bezahlt wurden. Die Australierinnen forderten damals jedenfalls nicht einmal die exakte Angleichung des Pots, sondern lediglich eine Anhebung von 30 auf 57 Millionen. „Ist das etwa zu viel verlangt?“, fragten sich die Matildas nicht nur sich selbst und die Öffentlichkeit, sondern vor allem die Verantwortlichen der FIFA. Spätestens hier waren sie endgültig vorbei, die Zeiten, in denen Frauen für ordentlich gekickt und sich artig bedankt haben. Ja, Frauen machen auch im Fußball den Mund auf, gleiches Geld für gleiche Leistung, das soll doch überall so sein, warum auch nicht hier? Schließlich bringen viele Frauenteams oft sogar bessere Leistungen als ihre männlichen Kollegen – und werden trotzdem schlechter bezahlt.
Seit 2019 ist der Frauenfußball jedenfalls ordentlich in Bewegung geraten, wahrscheinlich schon viel früher, aber rund um die WM in Frankreich hat er nochmal an Hype gewonnen und einen Imagewandel hingelegt und damit einhergehend enormen Zulauf bei Fans erfahren. Im März 2019 kamen beispielsweise 60.739 Zuschauer:innen ins Wanda Metropolitano Stadion, als Atlético Madrid gegen den FC Barcelona kickte. So viele Menschen bei einem Bundesligaspiel der Frauen? Gab es weltweit noch nie – und das ist kein Witz. Die Italiener:innen taten es den Spanier:innen gleich, dort fanden sich fast 40.000 Fans in den Stadien, in Frankreich waren es beim Spiel um die Meisterschaft zwischen Paris und Lyon fast 26.000 Menschen. Frauenfußball ist kontinuierlich aus dem Schatten der Männer gerückt – und das wirkt sich natürlich nicht nur in Sachen Gleichstellung aus, sondern auch wirtschaftlich – für die Spielerinnen selbst und für die Vereine.
Zur Situation in Österreich
In Österreich sind wir von solchen Zuschauer:innenzahlen noch deutlich entfernt, aber das österreichische Frauen-Nationalteam ist nicht minder beliebt als jenes der männlichen Kollegen. Wirft man einen Blick in die Geschichte des Frauenfußballs merkt man jedenfalls rasch, dass Frauenfußball hier eine durchaus lange, wenn auch öffentlich kaum präsente Tradition hat. Schon um 1905 finden sich Fotos von Frauen, die Fußball gespielt haben. 1923 veranstaltete die Zeitung „Der Montag“ Probetrainings für Frauen. 160 Spielerinnen folgten dem Aufruf damals. Gerade in den 1920er Jahren finden sich immer wieder Hinweise auf fußballspielende Frauen, konterkariert von einem Kanon biologischer, medizinischer und moralischer Einwände gegen den Frauenfußball. 1955 wurde der Frauenfußball dann verboten, in Deutschland bis 1970, in Österreich bis 1972. Und auch lange danach wurden Frauen, die Fußball spielten, nie so ganz ernst genommen.
Wir waren alle so aufgeregt, wie historisch dieser Moment war, das hat damals natürlich in der Tragweite noch niemand so genau begriffen.
Daran erinnert sich auch Rosi Wimmer. Die gebürtige Oberösterreicherin ist eine der Pionierinnen des österreichischen Damenfußballs. 1980 startete sie ihre Karriere beim Verein „Union Kleinmünchen“ in Linz, aktiv blieb sie bis 1996. „Ich selbst hatte Talent, und wurde selten blöd angeredet. Aber natürlich habe ich bei meinen Mitspielerinnen wahrgenommen, dass da ungut kommentiert wurde und sie weniger ernst genommen wurden als männliche Spieler.“ Wimmer war übrigens auch dabei, als das Frauennationalteam gegründet wurde – an ihr erstes offizielles Länderspiel und die 1:5 Niederlage gegen die Schweiz erinnert sie sich heute noch ganz genau. „Wir waren alle total stolz, dass wir für Österreich antreten durften – stellen Sie sich das vor, das erste Frauenfußballnationalteam und dann ist man beim allerersten Match dabei. Wir waren alle so aufgeregt, wie historisch dieser Moment war, das hat damals natürlich in der Tragweite noch niemand so genau begriffen. Aber wir haben für dieses Team und für unsere Mannschaft gekämpft.“ Seither sind rund 40 Jahre vergangen, der Frauenfußball steht an komplett anderer Stelle, als damals der Fall. Wie Wimmer die Entwicklungen beurteilt? Sie lacht. „Ganz ehrlich? Hätten Sie mich damals gefragt, hätte ich nie gedacht, dass tausende Menschen ins Stadion gehen, um ein Frauenfußballspiel zu sehen. Dass es jemals möglich sein wird, damit Geld zu verdienen? Undenkbar! Für uns war das ein Hobby, wir waren froh, wenn uns zwischendurch mal jemand die Dressen gesponsert hat. Aber der Weg dorthin war eh lange genug.“
Ähnlich sieht das auch Karin Danner. Die Münchnerin war bis Saisonende 2022/23 die Managerin der Frauenfußballabteilung bei Bayern München. Im Interview mit SHEConomy (siehe Kasten) sagt sie: „Es war sehr ernüchternd, wie lange es gedauert hat, den Frauenfußball gesellschaftlich zu etablieren. Der Frauenfußball, damals noch als „Damenfußball“ bekannt, wurde in seiner Anfangszeit oft als Belustigung gesehen. Zuerst ging es um die Akzeptanz, dass Frauen überhaupt Fußball spielen durften, dann um die Anerkennung der Leistung und letztendlich um die Wertschätzung für diesen Sport. Es waren Meilensteine, die in all den Jahrzehnten in die Geschichte eingegangen sind. Umso erfreulicher ist der heutige Stand. Wir haben in gut 50 Jahren beim DFB die gleichen Strukturen wie im Männerfußball geschaffen, es gibt einen Bundesliga-Spielbetrieb, den Pokal-Wettbewerb und die Champions-League-Gruppenphase, die in der letzten Saison eingeführt wurde. Somit bin ich sehr glücklich und zufrieden, wie sich der „Damenfußball“ in den letzten 50 Jahren hin zum Frauenfußball“ entwickelt hat.
Der Sponsoren-Ball kommt ins Rollen
Ja, man kommt um den Frauenfußball nicht mehr herum, auch in Österreich nicht mehr, wo ja bekanntlich alles ein bisschen länger dauert. Das verstehen nicht nur Vereine – Mannschaften wie der SK Rapid haben erst kürzlich angekündigt, eine Mädchenfußballabteilung zu etablieren, die ersten Probetrainings haben bereits im Juni stattgefunden (Infos: frauenfußball@skrapid.com) – sondern auch immer mehr Unternehmen. Eine der großen heimischen Firmen, die das Potential in Frauenfußball erkannt haben, war „Kellys“. Seit der EURO 2022 unterstützt das heimische Traditionsunternehmen die Frauenfußballnationalmannschaft. Warum man sich für ein Sponsoring der Mannschaft entschieden hat? „Weil es dabei um Haltung geht, die wir zeigen möchten, wie zum Beispiel die Gleichstellung von Frauen und Männern“, sagt Petra Trimmel, Marketing-Leiterin bei Kellys. Und weiter: „Unsere Fußballerinnen zeigen vor, wie wichtig der Glaube an sich selbst ist und wie sich Fleiß, Fairness und Teamgeist auf das Selbstbewusstsein auswirken. Sport ist für uns alle, aber besonders für Mädchen, immer auch ein Booster in Sachen Selbstbewusstsein und Persönlichkeitsentwicklung.“ Von Seiten des ÖFB war das jedenfalls ein wichtiger Schritt – so Bernhard Neuhold, GF der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe im Interview mit „Horizont“: „Der Frauenfußball ist mit all seinen Vermarktungspotenzialen längst zu einem interessanten Kooperationspartner für die Wirtschaft geworden.“ Und wenn man so will, dann sind es genau diese Firmen, die auch gefragt sind, die Gleichstellung im Fußball voranzutreiben. Indem sie Frauen fördern, also Sponsern, Vereine unterstützen, die wiederum in ihre Frauenfußballarbeit investieren können.
Übrigens: 2019 tat es das amerikanische Frauenfußballteam den Australierinnen gleich. Sie haben eine Sammelklage gegen den Amerikanischen Fußballverband eingereicht. Mit dem Vorwurf der institutionalisierten Geschlechterdiskriminierung. Im Gegensatz zum männlichen Nationalteam, das noch nie einen wichtigen Titel holte, wurden die Frauen in fast allen Bereichen diskriminiert. Angefangen bei Prämien, den Betreuern oder auf Reisen. Also gingen sie an die Öffentlichkeit und vor Gericht. Ihren Kampf? Einer für Gerechtigkeit und Solidarität – und zwar für den gesamten Frauensport.