Der Blick in den Himmel beruhigt sie. Besonders nachts. Da leuchten Sterne, Planeten, der Mond, ganze Galaxien. Schon als Kind hat Sabine Pongruber den Blick neugierig nach oben gerichtet. Dass sie eines Tages mit Weltraumtechnologie arbeiten wird, hat die Salzburgerin nicht geahnt. Doch der Reihe nach. Sputnik 1 ist nicht alt geworden. Der erste künstliche Erdsatellit ist am 4. Oktober 1957 gestartet und 92 Tage später bei seinem Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht. Auf Deutsch bedeutet sein russischer Name so viel wie „Weggefährte“, oder „Begleiter“, und nichts anders hat er getan; er folgte seiner Bahn und begleitete den blauen Planeten rund drei Monate lang. Sputniks Erben sind langlebiger, zahlreich und heute so umtriebig wie nie. Was in den späten 50er-Jahren in Forschungsabteilungen begonnen hat, lässt sich längst kommerziell nutzen. Und zwar umfassend. Die europäische Raumfahrtagentur ESA rechnet, dass sich etwa 13.230 Satelliten im Erdorbit befinden, rund 10.200 davon sind im Einsatz. Tendenz stark steigend. Der Andrang lässt sich etwa damit begründen, dass nach Elon Musks SpaceX auch China im All ein Netzwerk aus tausenden Satelliten baut, um Internetzugänge zu schaffen. Ein global geltendes Weltraum-Verkehrsgesetz bahnt sich an.
Inspiration von Oben
In dieser Rush Hour der Satellitentechnologie baut Sabine Pongruber ihr Business aus. Die Volks- und Betriebswirtin hat eine aufregende Reise in der Energiewirtschaft hinter sich, danach hat sie sich als Beraterin selbstständig gemacht. Im neuen Job wollte sie anspruchsvolle Probleme ihrer Kundschaft lösen. Beim „Welche Probleme“ und beim „Wie lösen“ haben sich anfangs große Fragezeichen aufgetan. Businessplan aus dem Handgelenk schütteln? Fehlanzeige. Die zündende Idee kam ihr bei einem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel. Wie damals als Kind hat sie die Gedanken kreisen lassen. Am Ende des Kreisens stand fest: Beinahe jede Information lässt sich mittels Weltraumtechnologie beschaffen. „Für mich ist es darum gegangen, meinen Kund*innen Daten von extrem entlegenen Orten der Welt zu beschaffen. Ich spreche nicht von Kals am Großglockner, sondern von einer Anreise über 48 Stunden mitten in Indien per Pickup“, erklärt Sabine Pongruber das Geschäftsmodell. Ihren Job in der Weltraumbranche, einem Multimilliarden-Geschäft musste sie erst einmal kreieren. Trotz aller Innovationskraft, Satelliten gibt es immerhin seit 1957, als Sputnik 1 die Reise ins All angetreten hat und das erste Mal um die Erde gekreist ist. Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von Einsätzen von Satelliten zur Verteidigung oder Wetterbeobachtung. 2002 begann mit SpaceX eine Revolution in Sachen Transport – Elon Musks Raketen haben die Reise der Satelliten ins All immer günstiger gemacht. Und auch demokratischer. Will heißen: Der Markt ist zugänglich geworden, weil die Kosten teils um das Hundertfache gesunken sind. Ein Kilogramm Technologie lässt sich aktuell für rund 1000 Euro in den Orbit befördern. Und weil Satelliten heute nicht mehr zwei Tonnen oder mehr wiegen, sondern fünf Kilogramm und weniger, haben Menschen begonnen zu tüfteln. Mit dem Effekt, dass selbst kleine Unternehmen von Satelliten im All profitieren können. Stichworte: Produktionssicherheit, Lieferkettenüberwachung, faktische Nachhaltigkeitsüberwachung aus dem Weltall.
Health-Check mit Infrarot
Hier tritt Sabine Pongrubers Business auf den Plan. Seit 2022 nutzt sie Satellitendaten und kooperiert unter anderem mit der ESA und dem Raumfahrtkonzern Airbus. Ihr Unternehmen WEME Earth hat Zugriff auf rund 300 Satelliten. „Von ihnen aus können wir die Daten aus jedem Winkel der Welt organisieren“, sagt sie. Als Beispiel nennt sie eine Kaffeeplantage in Malaysia: Die Felder, auf denen die Pflanzen wachsen, sind gigantisch groß, messen um die 10.000 Hektar. Wer wissen will, ob alle Sträucher gesund sind, hat zwei Möglichkeiten: Die eine ist, die Plantage mit viel Personal Stück für Stück abzufahren. Das ist allerdings zeitaufwändig und gefährlich, leben zwischen dem Kaffee doch wilde Tiere. Krankheiten durch Pilze oder Insekten sind schwer zu entdecken und fallen oft erst auf, wenn bereits die gesamte Ernte in Gefahr ist. Die zweite Möglichkeit ist, mittels fortschrittlichen Sensoren und Satellitenbildern auf die Plantage zu blicken. „Sie liefern keine Fotos wie wir sie vom Smartphone kennen, sondern arbeiten entlang des gesamten elektromagnetischen Spektrums mit Infrarot, Radar und Mikrowellen. Mit dem Radar können wir durch Wolken blicken. Wir sehen alles jederzeit“, sagt die Salzburgerin und erklärt, dass sich via Infrarot der Gesundheitszustand einer Pflanze erkennen lasse. „Je grüner, desto gesünder“, lautet hier die einfache Rechnung. Mittels Mikrowellen ist die Bodenfeuchte messbar. Pongruber: „Wir messen, wie schnell ein Partikel zurück zum Satelliten kommt. Das ist wie bei einem Gummiball, der auf den Boden prallt.“
Wälder schützen und Wasser sparen
Eine Gabe der Salzburgerin ist, dass sie hochkomplexe Inhalte so erklärt, dass auch Laien sie verstehen. „Das ist in mir drinnen, Komplexität zu reduzieren, weil ich die Vorteile der Technologie sehe“, sagt sie. Pongrubers Sprache ist bildreich und niemals überfrachtet. Dass sie gern mit Zahlen, Daten und Fakten argumentiert, wird schnell deutlich. Sie spricht nach dem Motto „Facts in, Emotions out.“ Diese Klarheit hilft ihr, ihr neues Business voranzutreiben. Der Fokus liegt momentan auf der EU-Entwaldungsverordnung. Deren Ziel ist, die globale Rodung und Waldschädigung einzudämmen – vor allem im Zusammenhang mit dem Anbau von Soja, Kautschuk, Ölpalmen, Kaffee, Kakao und der Rinderzucht. Für Pongruber ist auch ein solider Blick auf das Wasser wichtig; nachhaltige Landwirtschaft bedeutet unter anderem, Agrarflächen schlau zu bewässern. Also nutzt sie für ihre Kundinnen und Kunden in Europa Satellitenbilder und -daten aus Malaysia, Indonesien, Thailand und Indien. Kurzum: „Wir generieren Informationen, um bessere und faktenbasierte Entscheidungen treffen zu können.“
WEME Earth bietet mittlerweile maßgeschneiderte Produkte für Kleinbauern, für Klein- und Mittelbetriebe sowie Konzerne. Von der Sicherstellung einer nachhaltigen und entwaldungsfreien Produktion von Kakao und Kaffee bis hin zur Verbesserung der Palmöl-Lieferketten liefern Satellitendaten bereits Ergebnisse. „Unsere Berichte sind so aufgebaut, dass wir Analysen übernehmen und das Gesamtergebnis als Foto, wie wir es vom Smartphone kennen, darstellen. Dieser Service macht uns einzigartig.“ Bedenken wegen Datenschutz räumt Pongruber so aus: „Mit der kleinsten Auflösung können wir zwar auf 15 Zentimeter auf die Erde herunterzoomen. Doch wir schauen nicht in Gegenden, in denen viele Menschen sind. Dazu kommt, dass Menschen auch nicht mit ihrem Gesicht nach oben herumspazieren und sie so nicht erkennbar sind.“ Sternbilder suchen, Distanzen erkennen, die eigene Existenz im großen Ganzen als ziemlich unbedeutend erleben: Wenn man weiß, wie weit die nächste Galaxie entfernt ist, relativiert sich einiges, gibt Pongruber zu bedenken. Sie weiß, dass ein Perspektivenwechsel oft schwerfällt, sich aber immer lohnt. Von oben auf Dinge zu schauen könne unendlich viel Neues bringen, sagt sie. Genauso wie der Blick nach oben, in die Sterne, mit dem sich für Sabine Pongruber ein völlig neues, innovatives Berufs- und Geschäftsfeld aufgetan hat.