StartBusiness„Wir sollten mehr auf uns selbst hören“

„Wir sollten mehr auf uns selbst hören“

Ein Familienstreit kostete Sophie Lacoste und ihrer Familie die bekannte Modefirma mit dem Krokodil. Doch heute sieht sie es positiv.

Dieses Interview erschien zuerst am 22. April 2020 auf www.her-career.com

Gemeinsam mit ihrem Bruder hat sie dank des Verkaufs von Lacoste die Skisportmarke Fusalp erworben. Im Interview mit der herCAREER spricht die Verwaltungsrätin von Fusalp über ihre Learnings aus der teils schmerzhaften Vergangenheit und über ihre Strategie für die Zukunft.

Frau Lacoste, Sie waren zehn Jahre lang im Vorstand von Lacoste, bis 2012. War es für Sie immer klar, dass Sie in das Familienunternehmen einsteigen wollten?

Sophie Lacoste: Eigentlich bin ich nie wirklich in das Familienunternehmen eingestiegen, denn ich war „nur“ im Verwaltungsrat und natürlich in vielen Ausschüssen. Ich leitete auch die Unternehmensstiftung, die jungen Menschen hilft, sich durch sportliche Aktivitäten und sportliche Werte zu entwickeln und ihren Weg zu finden. Mit dem operativen Geschäft hatte ich aber wenig zu tun. Ich habe zwar Wirtschaft und Management studiert, mich dann aber für eine Karriere als Schauspielerin entschieden. Zehn Jahre lang, parallel zu meinen Verwaltungsratsaufgaben, war ich hauptberuflich als Schauspielerin beschäftigt und leitete mein eigenes Unternehmen, ein Theater. Am Anfang arbeitete ich nicht mehr als einen Tag pro Woche für das Familiengeschäft. Aber ab 2010 kostete mich Lacoste immer mehr Zeit, und so beschloss ich irgendwann, das Theater aufzugeben und mich auf das Management zu konzentrieren.

Was war der Grund für diese Veränderung in Ihrer Karriere?

Lacoste: Das Unternehmen ist damals sehr stark gewachsen und ich hatte den Eindruck, dass wir darauf schlecht vorbereitet waren. Ich fühlte mich verantwortlich, mich stärker zu engagieren. Das passte nicht mehr so gut zusammen: Theaterspielen und Firmengeschäft sind wirklich sehr verschiedene Formen von Energie. Künstler zu sein bedeutet, offen zu sein, zuzuhören und alles wie ein Schwamm aufzusaugen. Aber im Management muss man handeln. Es ist, als wäre man die ganze Zeit auf der Bühne. Man trifft Entscheidungen, und man muss selbstbewusst sein. Ich konnte nicht beides gleichzeitig tun. Also habe ich die Schauspielerei nach und nach reduziert.

Im Jahr 2012 gab es einen Familienkonflikt, über den in der Presse viel berichtet wurde. Nachdem Sie den Verwaltungsratsvorsitz von Ihrem Vater übernommen hatten, beschuldigte er Sie öffentlich, nicht die Kompetenz zu haben, ein Unternehmen zu führen. Letztendlich endete der Streit damit, dass die Familie das Unternehmen verkaufen musste. Würden Sie sagen, Sie haben versagt?

Lacoste: Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen. Ich möchte nicht die alte Geschichte wieder aufwärmen. Außerdem ist es in Frankreich schrecklich, wenn man scheitert. Es ist nicht leicht, das zuzugeben, und man weiß die Erfahrung des Scheiterns nicht zu schätzen. Natürlich war ich mitverantwortlich dafür, dass wir uns in der Familie nicht einigen konnten. Aber ich habe viel daraus gelernt. Es war wie ein beschleunigter MBA. Die ganze Erfahrung war schmerzhaft, aber nicht umsonst. Ich betrachte sie nicht als Fehlschlag, denn sie ermöglichte es meinem Bruder Philippe und mir, ein neues Unternehmen aufzubauen. Wir hatten dadurch die finanziellen Mittel, um die Marke Fusalp zu kaufen. Das ist für mich jetzt das Wichtigste: Wir haben ein tolles Team und ein wunderbares Projekt.

Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?

Lacoste: Die ganze Geschichte hat mir sehr viel Kraft gegeben. Wenn man ein Unternehmen führt, hat man immer Schwierigkeiten und viele Kämpfe zu kämpfen. Aber am Ende des Tages merkt man, dass nichts so schlimm war, dass man es nicht durchstehen konnte. Das ist es, was ich im Gedächtnis behalten möchte. Heute fällt es mir leichter, die Probleme des Unternehmens in einer freudvollen Geisteshaltung zu betrachten.

Dabei hilft mir auch meine Erfahrung als Schauspielerin. Denn ich habe gelernt, dass ich nicht alles persönlich nehmen muss. Wenn Aggressionen gegen mich gerichtet sind, dann nicht unbedingt gegen mich persönlich, sondern oft gegen meine Ideen oder das, wofür ich stehe. Heute kann ich die persönlichen Dinge besser von meiner Rolle in der Firma trennen. Das ebnet den Weg für ein positives Management. Freude ist für mich ein Schlüsselbegriff.

Wie leben Sie das bei Fusalp?

Lacoste: Ich kann jeden Tag Menschen um ein Projekt versammeln, das sie motiviert. Sie arbeiten gemeinsam an dieser Sache, und sie und ihre Familien leben davon. Wir sind uns bei Fusalp unserer sozialen Verantwortung bewusst. Gemeinsam mit dem CEO, der Partner und Aktionär des Unternehmens ist, fördern wir eine menschenfreundliche Unternehmenskultur. Wir kommunizieren zum Beispiel sehr transparent, unser CEO verschickt jede Woche einen persönlichen Newsletter an alle und berichtet über das, was wir gelernt haben. Bei all dem müssen wir jedoch sehr bescheiden sein, denn in unserem Geschäft geht es nicht um Leben und Tod. Wir verkaufen nur Kleidung.

Warum haben Sie die Rolle des CEO nicht selbst übernommen?

Lacoste: Als Mitglied des Verwaltungsrates kann ich verschiedene Themen mitgestalten. Wir sind ein kleines Unternehmen, deshalb beteilige ich mich auch beim Thema Finanzen, an allen rechtlichen Fragen, an der Kommunikation und an der Strategie – zum Beispiel, wo wir in Zukunft Geschäfte eröffnen wollen. Das ist sehr vielfältig und ich bin gerne Teil eines Teams – mit dem CEO, meinem Bruder und seiner Frau Mathilde, die die künstlerische Leitung hat. Und ich möchte auch Zeit für meine Familie haben.

Was sind Ihre Herausforderungen bei der Neupositionierung einer traditionellen Marke wie Fusalp?

Lacoste: Die Konkurrenz in der Textilbranche ist groß. Als wir die Marke Anfang 2014 gekauft haben, mussten wir dem Unternehmen deshalb zunächst eine eigene Note geben und das Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten: Wir sind nicht nur eine Skibekleidungsmarke, sondern unsere Mode kann man überall tragen – auch zuhause, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Yoga. Wir haben neue Vertriebswege gefunden, indem wir weltweit eigene Geschäfte eröffnet haben. Das hilft uns, uns global zu entwickeln. Denn nur wenn wir das Geschäft weiter ausbauen, wird es auf Dauer rentabel sein.

Bislang war Ihr Unternehmen sehr erfolgreich. Seit der Übernahme ist der Jahresumsatz von 6 auf 30 Millionen Euro und die Zahl der Mitarbeiter von 40 auf 150 gestiegen [Anm.: Stand April 2020]. Aber Unternehmertum ist auch immer ein Risiko…

Lacoste: Das stimmt, das Risiko ist allgegenwärtig. Aber wir schrecken nicht davor zurück. Wichtig ist, dass wir uns nicht unter Druck setzen lassen. Wir versuchen, die Dinge richtig zu machen, aber nicht zu schnell. Viele Leute drängen uns, die Dinge schneller zu tun, deshalb sind wir sehr froh, in unserer Aktionärsstruktur autonom zu sein. Wir gehen bei der Entscheidungsfindung in unserem eigenen Rhythmus vor und gehen nur Risiken ein, die wir überschauen können – nicht mehr. Es geht darum, die Marke langfristig zu sichern, was wichtiger ist als der persönliche Erfolg eines jeden von uns.

Aber es gibt keine Erfolgsgarantie, gerade im Moment angesichts der Corona-Krise. Trotz aller bisherigen Erfolge sollten wir deshalb demütig bleiben. Wir wissen nicht, was das Jahr noch bringen wird. Vermutlich gehen wir direkt von der Gesundheitskrise in die Wirtschaftskrise über. Das sind enorme Herausforderungen, die aber auch viele Chancen bieten, wenn wir sie gut bewältigen. Das wird harte Arbeit und wir werden auch ein bisschen Glück brauchen.

Wie ist aktuell die Situation in Ihrem Unternehmen?

Lacoste: Unsere Geschäfte sind seit einigen Wochen geschlossen [Anm.: Interview fand im April 2020 statt] und wir wissen nicht, wann wir sie wieder öffnen können. Sogar der elektronische Handel funktioniert nicht so gut, weil die Leute gerade keine Kleidung kaufen. Fast alle unsere Mitarbeiter sind im Home-Office, nur einige wenige kommen ins Büro – unter Einhaltung der Sicherheitsstandards natürlich. Die meisten der Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit: Sie arbeiten derzeit nur etwa ein Drittel ihrer normalen Arbeitszeit. Wir erhalten von der französischen Regierung eine Kurzarbeitsprämie, so dass wir nur etwa so viel bezahlen müssen wie die Mitarbeiter tatsächlich auch arbeiten. Dadurch können wir während der Krise unsere Fixkosten senken.

Wie versuchen Sie die ungewissen Zukunft zu managen?

Lacoste: Wir arbeiten seit Herbst an einer Strategie für die Zeit nach dem Lockdown. Wir sind auch in China aktiv und dort lockert die Regierung nun nach den Betriebsschließungen die Maßnahmen wieder. Deshalb haben wir einen Zeitplan, wann welche Geschäfte wiedereröffnen könnten. Parallel widmen wir uns der Kollektion für den nächsten Winter. Wir nutzen die Zeit für künftige Innovationen. Natürlich starten wir gerade keine Kommunikationskampagne, aber wir bereiten uns auf die Zeit der wirtschaftlichen Belebung vor. 

Haben Sie in beruflicher Hinsicht irgendwelche Vorbilder?

Lacoste: Meine größten Vorbilder sind meine Großeltern. Sie hatten einen ausgeprägten Sportsgeist, bei dem es auch dazugehört, mit Niederlagen umzugehen und danach wieder aufzustehen. Meine Großmutter Simone Lacoste war für mich eine bei allem eine Inspiration, weil sie sehr offen für das alle gesellschaftlichen Geschehnisse war. Und es gibt noch eine andere Frau, die wirklich ein Vorbild für mich ist: Claudie Haigneré, die bisher einzige Französin, die im Weltall war. Sie ist einfach unglaublich und hat eine faszinierende Sichtweise auf die Welt. Bei all den Veränderungen und Herausforderungen, denen wir als Menschheit jetzt gegenüberstehen, ist es wichtig, dass man dieser Art von Menschen zuhört.

Inwiefern brauchen Frauen mehr derartige weibliche Vorbilder?

Lacoste: Ich fühle mich von solchen Frauen, die eine besondere Leistung vollbracht haben, besonders angesprochen. Von ihnen können wir sehr viel lernen und es motiviert, dass sie etwas so Außergewöhnliches geschafft haben. Das sehen sicher viele Frauen so. Es ist gut, wenn wir mehr miteinander kommunizieren und unsere Learnings austauschen. Doch wir erleben nicht nur Herausforderungen aufgrund unseres Geschlechts – das ist nicht alles. Darauf sollten wir uns nicht reduzieren lassen. Unsere Art und Weise zu denken, wird nicht nur durch unser Frausein bestimmt. Wir sollten offenbleiben und unsere Persönlichkeiten in alle Richtungen erweitern, die uns guttut. 

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, wie sie mit der aktuellen Situation beruflich umgehen sollten?

Lacoste: Es ist wichtig, sich selbst zuzuhören. Das gilt zumindest für mich: Jedes Mal, wenn ich bei einer Entscheidung ein schlechtes Gefühl hatte – sei es beim Recruiting oder bei einer Strategiefrage, lag ich oft richtig. Wenn wir uns dann aber von den konventionellen Vorstellungen davon abbringen lassen, geht die Sache oft in die Hose, zum Beispiel, weil eine Person nicht ins Team passt und sich das nicht so leicht auflösen lässt. Es ist oft besser, diese kleine Stimme ernst zu nehmen statt uns am Führungsstil oder der Verhaltensweise anderer zu orientieren. Wir sollten mehr auf uns selbst hören.


Über Sophie Lacoste

Nach ihrem Abschluss in Oxford in England und Dauphine in Paris trat Sophie Lacoste 2004 in den Verwaltungsrat von Lacoste SA ein, wo sie bis 2014 blieb. Die Geschichte ihres Großvaters René Lacoste und die ihrer Familie war der Auslöser für ihre Leidenschaft für das Unternehmen. Ende 2012, als das Familienunternehmen verkauft wurde, beschlossen Sophie Lacoste und ihr Bruder Philippe, sich auf ein neues unternehmerisches Abenteuer einzulassen: Im Dezember 2013 kauften sie das Unternehmen Fusalp, dessen Verwaltungsrätin Sophie Lacoste ist. Die Herausforderung bestand darin, die Marke in Frankreich und im Ausland wiederzubeleben und ihre Legitimität auf den Pisten und in der Stadt zu etablieren.

Nach ihrem Abschluss an der ERACM (Nationale Schauspielschule Frankreichs) im Jahr 2003 trat Sophie Lacoste auch als Schauspielerin auf und leitete fast 10 Jahre lang ihr eigenes Theater. Ebenso leidenschaftlich engagiert sie sich für wohltätige Zwecke. Als Hommage an ihren Großvater, dem sie sehr nahestand, gründete sie 2006 die René-Lacoste-Stiftung, die jungen Menschen hilft, einen neuen Weg durch den Sport zu finden. Sie führte den Vorsitz der Stiftung bis 2014. Heute ist Sophie Lacoste Präsidentin des Porosus Endowment Fund, eines Ende 2012 gegründeten Familienfonds, der sich der Förderung junger Talente in den Bereichen Kunst und Sport widmet. Der Fonds bietet Schreibstipendien für Regisseure von Spiel- und Kurzfilmen, Produktionsstipendien für Theatergruppen sowie Stipendien für Studenten an nationalen Kunstschulen. Er unterstützt auch Sportprojekte im Bereich Golf, Reiten, Surfen und Tanzen.

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