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Pilotprojekt bei Audi: Flexible Arbeitszeit auch in der Schicht

Schichtarbeit in der Produktion und Flexiblisierung der Arbeitszeit schließen sich bislang aus. Ein Pilotprojekt bei Audi soll nun auch Teilzeiteinsätze in der getakteten Produktion ermöglichen.

 

Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist im digitalen Wandel ein drängendes Thema. Durch die verstärkte Homeoffice-Nutzung in der Pandemie hat diese Entwicklung weiteren Schub bekommen. Für einen Großteil der Arbeitnehmerschaft schienen flexiblere Arbeitszeitmodelle allerdings bislang kaum möglich, etwa in der industriellen Produktion mit Schichtbetrieb. Mitarbeiter:innen, die aufgrund persönlich veränderter Lebensumstände in Teilzeit gehen wollten, mussten bislang zwangsläufig auf andere Arbeitsplätze wechseln.

Ein aktuelles Pilotprojekt beim deutschen Automobilhersteller Audi will diese starre Taktung nun aufbrechen.  Im Rahmen eines betrieblichen Praxislaboratoriums haben Audianer:innen aus verschiedenen Hierarchiestufen gemeinsam mit dem Betriebsrat und dem Münchner Institut für sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) als gemeinsames Lab-Team ein innovatives Arbeitsmodell entwickelt. Das Modell, entstanden in der Lackiererei am Standort Ingolstadt, soll es auch Schichtarbeiter:innen erlauben, ihren Job in Teilzeit auszufüllen.

Flexibiltät durch Springer-Modell

Die zeitlichen Lücken, die durch die Abwesenheit von Teilzeitkräften entstehen, füllen qualifizierte Springer:innen. Diese kommen aus Bereichen der Lackiererei, die nicht taktgebunden sind – etwa beispielsweise Auszubildende, Mitarbeitende mit Einschränkungen oder Angestellte, die normalerweise im Büro arbeiten. Muss ein Elternteil etwa ein Kind in die Kita bringen, ist durch das Springer-Modell ein späterer Start in den Arbeitstag möglich.

„Vor allem Frauen waren in diesem Projekt die Macherinnen“, erklärt Dr. Sabine Maaßen, Arbeitsdirektorin und Vorständin Personal und Organisation der AUDI AG (Foto). „Und sie haben sich für ein Thema eingesetzt, das keineswegs nur Frauen betrifft. Jeder dritte Beschäftigte bei Audi hat Interesse daran in einem flexiblen Arbeitszeitmodell zu arbeiten.“ Für Peter Mosch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der AUDI AG, ist das Lab daher nicht nur ein „Meilenstein im Gesamtprozess der Transformation bei Audi“, sondern auch ein „Projekt zur Zukunft der Mitbestimmung in Zeiten des digitalen Umbruchs“.

Gendergerechte Arbeitsgestaltung

Im Rahmen des Labs haben Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen der Audi-Lackiererei in Ingolstadt – von der Fertigungskraft über die Industriemechanikerin und Fahrzeuglackiererin bis hin zur Sachbearbeiterin und zum Gruppenleiter – Lösungen zur Flexibilisierung des starren Schichtmodells in der Automobilindustrie erarbeitet und erfolgreich erprobt. Unterstützt wurden sie dabei von Management, Betriebsrat und Wissenschaftlerinnen des ISF. Das gemeinsame Ziel: die Entwicklung eines zukunftsfähigen Arbeitszeitmodells, das auch in der getakteten Produktion die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und eine gendergerechte Arbeitsgestaltung ermöglicht. „Dass Produktionsbeschäftigte ihre Arbeitszeiten der Zukunft in einem ergebnisoffenen Prozess mitgestalten können, ist Ausdruck eines gewaltigen Umdenkens“, betont Dr. Kira Marrs, Projektleiterin des damit verbundenen Forschungsvorhabens #WomenDigit.

Das Projekt startete zunächst mit zwei Teilzeitkräften und vier Springer:innen, die Erweiterung erfolgt schrittweise und in enger Abstimmung der verschiedenen Abteilungen. „Die Initiative aus unserer Lackiererei zeigt, dass die besten Ideen aus dem Unternehmen selbst kommen“, so Audi-Personalvorständin Dr. Sabine Maaßen. „Taktgebundene Arbeit und Flexibilität liegen auf den ersten Blick zu weit auseinander. In den letzten Jahren ist aber eine gesellschaftliche Diskussion entstanden und ein Schub, der uns mutiger werden lässt, etwas zu verändern.“ Peter Mosch ergänzt: „Wir brauchen mehr Attraktivität auch für die Fertigung.“

Betriebliche Praxislaboratorien sind eine ISF entwickelte Methodik, um in Unternehmen komplexe Transformationsprozesse agil, beteiligungsorientiert und sozialpartnerschaftlich zu gestalten. „Wir haben den Beschäftigten in diesem Projekt das Heft des Handelns in die Hand gegeben, und das Lab-Team hat die Chance ergriffen, um den Wandel der Audi-Arbeitswelt selbst voranzutreiben“, so Dr. Kira Marrs. Nach dem offiziellen Ende des Projekts geht das Praxislaboratorium nun in Eigenregie weiter.

 

Fotomaterial©AUDI AG

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