StartMoneyInvest„Vertrauen ist eine Konstante, die sich fortsetzen wird“

„Vertrauen ist eine Konstante, die sich fortsetzen wird“

Die Bankenwelt im Umbruch: Während es vor wenigen Jahren noch üblich war, in die Filiale vor Ort zu gehen, nutzen heute laut einer Studie von Bitkom e.V. 81 Prozent aller Deutschen Onlinebanking zur Verwaltung ihres Kontos. Nadine Methner, Head of Business Banking bei der ING Deutschland, treibt den Wandel in der Branche mit voran.

Frau Methner, Sie betreuen bei der ING Deutschland das wachstumsstarke Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie Selbstständigen. Wie sieht die Bank der Zukunft aus?

Die Zukunft der Business Bank ist auf jeden Fall digital. Digital heißt nicht unpersönlich, sondern schnell verfügbar und einfach für die Kund*innen. Beim Business Banking werden wir einen großen Sprung sehen: Von einer chronischen Unterversorgung an guten Angeboten wird sich der Weg entwickeln zu maßgeschneiderten Angeboten, passend zum Entwicklungszyklus einer Branche, zum Lebenszyklus eines Unternehmens und zum ökonomischen Zyklus. Heute funktioniert das nur sehr selten und zu einem oft hohen Preis.

Wie wichtig ist das Vertrauen in eine Bank?

Es ist essenziell! Gerade deutsche Kund*innen legen darauf sehr viel Wert. Während BigTechs zwar neue Technologien, zum Beispiel e-Wallets oder neue Points of Sale wie zum Beispiel Online-Plattformen geschaffen haben, die auch im Banking genutzt werden, ist und bleibt das Bankgeschäft in Deutschland fest verankert bei regulierten Bankinstituten. Finanzielle Angelegenheiten sind ein sensibles Thema und haben nicht selten weitreichende Konsequenzen – das gilt besonders für unternehmerische Entscheidungen. Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt die eigene Bank. Die Abrechnung der Transaktion, die Kontrolle der Kontoauszüge – hier fragen Kund*innen die Bank ihres Vertrauens und rufen nicht bei Big-Techs an und sagen: „Hört mal, da stimmt etwas nicht.“ Vertrauen ist hier eine Konstante, die auch in Zukunft bleiben wird.

Braucht es direkte Ansprechpartner*innen?

Persönliche Verfügbarkeit ist und bleibt wichtig. Gleichzeitig sehe ich, dass in nicht allzu ferner Zukunft bestimmte standardisierte Prozesse durch KI bearbeitet werden. So werden Ressourcen frei für komplexere Angelegenheiten, die der persönlichen Betreuung bedürfen. Wir stellen schon heute fest: Je jünger die Kund*innen sind, desto mehr Selfservices wünschen sie sich, weil sie unabhängig sein möchten. Aber sicher gibt es auch Fälle, da möchte ich die Möglichkeit haben, jemanden persönlich zu kontaktieren. Ich möchte einen Menschen hören, der mich an die Hand nimmt und mir sagt, was zu tun ist. Aber dafür muss ich mich nicht zwingend physisch irgendwo hinbewegen. Banking mit einer persönlichen Interaktion kann auch digital erfolgen.

Viele kleine und mittelständische Unternehmen stehen jetzt vor einem Generationenwechsel. Wie können Banken sie unterstützen?

Handwerker*innen, Ärzt*innen, Rechtsanwält*innen, Steuerberater*innen – sie alle stehen oft vor der Herausforderung, ihre Unternehmen zu übergeben. Dass der Sohn oder die Tochter übernimmt, ist selten geworden, und am freien Markt ist es schwierig, Personen zu identifizieren, die unternehmerische Verantwortung übernehmen wollen. Banken stellen Kredite zur Unternehmensübergabe bereit, oder eben auch für strategische Investments, zum Beispiel den digitalen Auf- und Ausbau des Geschäfts oder den Umbau der Lieferketten. Und wir helfen bei der flexiblen Liquiditätssteuerung, zum Beispiel durch ein ordentlich verzinstes Tagesgeldkonto. Regelmäßig fragen wir uns: Welche Ansprüche hat die neue Generation, die digitaler ist? Welche Services müssen wir bereitstellen? Wie können wir das nächste Level erreichen? Auch Education und Awareness sind uns wichtig, etwa durch Webinare für Selbstständige und Kleinstunternehmer*innen zu verschiedenen Themen. Und ein persönliches Anliegen von mir: die gezielte Ansprache von Unternehmerinnen.

Inwiefern kann der Bankensektor Gründungen vorantreiben?

Aus meiner Sicht ist es im Start-up- und im Gründungsbereich heute wichtiger denn je, das Gespräch zu suchen und zu schauen, wie man unternehmerische Ambitionen unterstützen kann. Gründer*innenmessen, Kooperationen mit den Industrie- und Handelskammern, Absolventenkongresse – hier sollte der deutsche Bankensektor Präsenz zeigen und Nähe suchen. Ich sehe vor allem bei weiblichen Gründungen Luft nach oben, hier bedarf es Vertrauen und oft auch einer Extraportion Mut.

Braucht es die E-Identity, um Prozesse besser und schneller anzuschieben?

Die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises, die eID, ist eine sinnvolle Ergänzung zu den herkömmlichen Verfahren der Legitimation, zum Beispiel im Rahmen einer Kontoeröffnung. Es braucht immer Alternativen, denn Menschen ticken naturgemäß unterschiedlich. Auch das Video-Identifikationsverfahren oder der Gang in die Postfiliale zur Legitimation haben nach wie vor ihre Berechtigung. Gerade für die Kund*innen, denen der menschliche Kontakt wichtig ist. Die eID muss erst noch einen gewissen Reifeprozess durchleben.

Welche Banken kommen in Zukunft am besten an?

Werbeslogans wie „Wir wissen, wie Ihr Business zu laufen hat“ kommen heute bei niemandem mehr an. Die Zeiten der Arroganz im Bankensektor sind längst vorbei. Gefragt sind Banken, die den Kund*innen auf Augenhöhe begegnen, Vertrauen vermitteln und emotionaler sind. Die Bank, die in Zukunft gefragt sein wird, ist die, die weiß, wie sie mit den Daten der Kund*innen umgeht. Persönlich, digital, schnell – auf diesen Dreiklang kommt es an, im Privatkund*innen- wie im Geschäftskund*innenbereich.


Zur Person

Nadine Methner (42) ist Leiterin des Geschäftskund*innenbereichs Business Banking der ING Deutschland. Als erfahrene Managerin und Generalbevollmächtigte verantwortet sie einen der strategisch wichtigsten Bereiche der Bank. Zuvor war sie bei der Unternehmensberatung McKinsey und bei Accenture in leitenden Positionen tätig. Nadine Methner ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.

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