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Wie sich Achtsamkeit in den Arbeitsalltag integrieren lässt

"Und wie ich ganz persönlich davon profitiere." Darüber erzählt Mission Female Member und Director Global Marketing bei Hapag-Lloyd Jenny Gruner in diesem Gastbeitrag. Außerdem beantwortet sie die Frage, wie man mit den Herausforderungen der immer komplexer werdenden Welt umgehen kann.

Es ist eine der wichtigsten Fragen im Business-Alltag von Angestellten und Führungskräften: Wie gehen wir mit den ständig neuen Herausforderungen unserer immer komplexer werdenden Welt um? Wie lassen wir uns eben nicht von der Flut an schlechten Nachrichten runterziehen und treiben trotzdem noch motiviert den Transformationsprozess voran, den gerade jeder Job und jedes Unternehmen meistern muss? Eine nicht nur mögliche, sondern vielversprechende Antwort liegt in mehr Achtsamkeit im Arbeitsalltag im Allgemeinen und für Führungskräfte im Mindful Leadership.

Die psychische Belastung steigt

Ein aussagekräftiger Beleg für diese außergewöhnliche Drucksituation, in der sich Firmen und jeder Einzelne befindet, ist die steigende Zahl psychischer Erkrankungen mit Job-Bezug. Im Spätsommer schlug die KKH Kaufmännische Krankenkasse Alarm. Sie errechnete, dass die psychische Belastung berufstätiger Menschen in Deutschland sprunghaft gestiegen sei. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die entsprechenden Fehlzeiten um 85 Prozent auf 303 Ausfalltage pro 100 Versicherte. 

Nicht mitgerechnet sind all jene, bei denen sich die hohe Belastung dadurch zeigt, dass sie schlechter schlafen oder es ihnen schwerer fällt, abzuschalten. Auch mir ging es so – und ich machte mich auf die Reise, herauszufinden, welche Techniken helfen könnten, ein besseres Gleichgewicht zwischen Belastung und Entspannung zu finden. Ob autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Qigong oder anderes: Egal was ich machte, es hatte keinen nachhaltigen Effekt. Bis ich MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) ausprobierte und begann, mich mehr mit Achtsamkeit zu beschäftigen. 

Achtsamkeit als Schlüssel zu mehr Ruhe

Auf meiner Suche nach Entspannung war Achtsamkeit der Schlüssel zu mehr Ruhe. Doch ich fand zusätzlich Fokus, Klarheit, Selbstbestimmung und Resilienz. Und so hilft mir Achtsamkeit in meiner Selbstführung, aber auch in meinem Sein als Führungskraft. Ich versuche, jeden Tag aufs Neue eine achtsame Haltung zu entwickeln, um die eigenen Ressourcen besser zu managen und Mitarbeitenden aufmerksamer zu begegnen.

Mindful Leadership – Achtsamkeit im Arbeitsalltag

Um mehr Menschen, ob Mitarbeitern oder Führungskräften, das Thema Achtsamkeit zugänglich zu machen, folgen hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu Mindful Leadership und mehr Achtsamkeit im Arbeitsalltag.  

Mehr als nur ein Modewort: Was ist überhaupt Achtsamkeit?

Achtsamkeit beschreibt eine spezielle Form der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Es geht darum, im Moment zu sein und seine Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen, ohne diese zu beurteilen. Im Fokus steht dabei die Entwicklung einer offenen, nicht wertenden Haltung gegenüber den eigenen Gefühlseindrücken. Achtsamkeit können wir in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens trainieren. Das steigert sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die physische Gesundheit.

Wie hilft mir Achtsamkeit in meinem Arbeitsalltag?

In der Hektik des Arbeitsalltags zwischen Meetings, Konflikten und vielen Themen nutze ich die kleinen Zeiträume dazwischen – die Fokusminute. Wenn ich an der Kaffeemaschine stehe und der Kaffee läuft durch, bevor ich mich ins nächste Meeting einwähle oder auf den Fahrstuhl warte – diese Momente nutze ich, um tief zu atmen, wahrzunehmen und bei mir zu sein.

Weiterhin begleitet mich Meditation seit zehn Jahren. Ich praktiziere sie vor allem dann, wenn ich weiß, dass ich einen anstrengenden Tag vor mir habe. Statt meinem Impuls zu folgen, morgens aufzuspringen und der To-do-Liste in meinem Kopf hinterherzujagen, meditiere ich. Es sind besonders die Momente, wenn ich denke, keine Zeit oder keine Kraft zu haben, in denen ich Achtsamkeit am nötigsten brauche. Mir hilft sie, Stress abzubauen sowie Konzentration, Kreativität und Produktivität zu steigern. 

Es geht um eine achtsame Haltung einer Führungskraft zu sich selbst.

Was versteht man unter Mindful Leadership?

Mindful Leadership lässt sich am besten mit einer achtsamen, bewussten Mitarbeiterführung übersetzen. Wichtig ist dabei zu betonen, dass es eben keine Leadership-Technik ist. Es geht um eine achtsame Haltung einer Führungskraft zu sich selbst. Diese innere Haltung unterstützt dabei, bewusstere Entscheidungen zu treffen, eine positivere Arbeitsumgebung zu gestalten und Mitarbeitende dabei zu unterstützen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Es ist darauf zu achten, wie das eigene Tun und die eigenen Entscheidungen das Wohlbefinden der Mitarbeiter beeinflussen.

Wie kann man Mindful Leadership ganz praktisch im Team leben?

Hier gilt es, ein Umfeld der offenen Kommunikation, des gegenseitigen Verständnisses und der transparenten Zusammenarbeit zu schaffen. Achtsam zuhören, nachfragen und Feedback geben sowie nehmen – das fördert Mitgefühl und Empathie. Ganz praktisch helfen uns dabei jede Woche zwei Fragen im Teammeeting. Diese lauten: Was hast du diese Woche gelernt? Und was hat dich diese Woche glücklich gemacht?

Die Antworten sind komplett frei. Trainiert wird dabei, zu reflektieren, den Fokus auf das Lernen und die eigene Weiterentwicklung sowie den Blick auf das Positive zu lenken. Eine einfache Technik mit der positiven Nebenwirkung, die Teammitglieder besser kennenzulernen, das Vertrauen zu steigern und sich miteinander zu freuen. 

Wie steigert Achtsamkeit die Resilienz und unterstützt zudem die Transformation in vielen Unternehmen?

Unsere schnelllebige Welt verändert sich immer wieder aufs Neue und auch die Arbeitswelt wandelt sich stetig. Das kann ziemlich herausfordernd sein. Genau hier setzen Achtsamkeitsübungen an: Sie unterstützen dabei, im Moment zu bleiben und sich nicht von äußeren Umständen ablenken zu lassen. So können wir Stress abbauen und schneller zu innerer Ruhe und Gelassenheit finden.

Indem man sich ganz auf die eigenen Empfindungen konzentriert, lernen wir, besser mit unseren Bedürfnissen und negativen Gefühlen umzugehen. Und so können mindful Leader in schwierigen Situationen bewusste Entscheidungen treffen, flexibel auf Veränderungen reagieren und Themen aus einer breiteren Perspektive betrachten. Das sind wichtige Attribute, um erfolgreich eine Transformation zu gestalten und Mitarbeiter auf ihrem Weg zu begleiten.

Wie können Unternehmen dieses Konzept in ihre Arbeitskultur integrieren?

Neben Workshops zur Methodenvermittlung für Mitarbeitende sind spezielle Entwicklungsprogramme für Führungskräfte ideal, um das Konzept der Mindful Leadership in die Arbeitskultur zu integrieren. Ein praktischer Tipp: Gemeinsame Achtsamkeitsübungen vor dem Start von Meetings oder am Ende lassen sich problemlos in den Arbeitsalltag einfügen. Und ein Ruheraum für gemeinsame Yoga-Sitzungen oder Meditationen verändert die Arbeitsumgebung positiv und fördert achtsames Verhalten.

Außerdem sollten gegenseitige Wertschätzung und Empathie als zentrale Werte in der Arbeitskultur verankert sein, da sie dazu beitragen, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Dies steigert in der Folge die Mitarbeiterzufriedenheit, erhöht die Resilienz und Produktivität und stärkt zusätzlich die Führungskompetenz.

Was ist ein einfacher und praktikabler erster Schritt?

Dankbarkeit praktizieren. Ich führe ein Dankbarkeitstagebuch. Fast jeden Abend öffne ich die App und notiere, wofür ich am Tag dankbar war und welche guten Dinge mir widerfahren sind. Das können Kleinigkeiten sein, wie mit den Kollegen zusammen gelacht zu haben. Ich reflektiere achtsam den Tag und lenke bewusst den Fokus auf die positiven Dinge. Ein bis drei Minuten reflektieren kann fast jeder. Und wenn ich keine Momente finde, für die ich dankbar bin, dann habe ich es in der Hand, diese am kommenden Tag herbeizuführen. 

Ein achtsames Mindset sorgt dafür, dass ich Stress und komplexen Anforderungen mit Gelassenheit und Ruhe begegne. Das hilft mir, meinen Handlungsrahmen zu erweitern, aber auch mein eigenes Verhalten sowie das von anderen besser zu akzeptieren. So habe ich am Ende mehr Energie für die wesentlichen Aufgaben. Davon profitiere ich persönlich, aber auch mein Arbeitgeber und meine Mitarbeiter.  


Zur Person:

Jenny Gruner ist Digital-Expertin im B2B und erfahrene Führungskraft. Als Director Global Marketing bei Hapag-Lloyd transformiert sie derzeit die fünftgrößte Container-Reederei der Welt. Dort verantwortet sie ein digitales skalierbares Vermarktungs-Modell in 144 Ländern und treibt die digitale Transformation im Unternehmen mit voran. Dabei ist es elementar ein tiefes Kundenverständnis zu entwickeln, um neben globalen Anforderungen auch auf die lokalen Bedürfnisse besser eingehen zu können. Sie ist überzeugt, dass eine solch tiefgreifende Transformation nur mit allen gemeinsam an Bord gelingt. Es braucht dafür diverse und inklusive Teams, agile Organisationstrukturen sowie einen Kulturwandel innerhalb des Unternehmens.

Mission Female GmbH:

Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.


Weitere Gastbeiträge von Mission Female:

Learn smart, not hard: Besser arbeiten mit Wissensmanagement

“Is it a match?”

Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft stärken

 

Fotomaterial(c) Jenny Gruner

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