StartBusiness“Is it a match?”

“Is it a match?”

Vorgesetzte beeinflussen die psychische Gesundheit genauso stark wie der Partner, deshalb sollten wir viel sorgfältiger auswählen, für wen wir arbeiten. Laura Henrich, Mission Female Member und CEO von Klenico, erklärt, welche Fragen man sich bei der Wahl der Führungskraft stellen sollte.

Die meisten Menschen haben sehr genaue Vorstellungen davon, was sie von einer romantischen Beziehung erwarten. Sie lassen sich Zeit beim Kennenlernen, stellen viele Fragen und daten sich mindestens einige Male, bevor sie sich auf jemanden Neues einlassen.

Warum wir das bei unserer Führungskraft genauso machen sollten?

Weil sie unsere psychische Gesundheit im gleichen Maße wie eine Partnerschaft beeinflussen kann. Das beweist eine aktuelle Studie des “Workforce Institute”. Laut der Umfrage unter 3.400 Menschen aus zehn Ländern, spielt der oder die direkte Vorgesetzte mit 69 % genauso eine große Rolle für unser Wohlbefinden, wie die Person, mit der wir den Alltag und unser Leben teilen. Bedeutet also, es ist höchste Zeit, dass wir der Wahl einer Führungskraft genauso viel Aufmerksamkeit schenken wie der Wahl eines Lebenspartners. Nur, wie gehen wir da am besten vor?

Nur wenn ich mich und meine Bedürfnisse gut kenne, weiß ich auch, wer zu mir passt.

Indem wir bei uns selbst beginnen. Das ist ähnlich wie bei der Partnerwahl. Nur wenn ich mich und meine Bedürfnisse gut kenne, weiß ich auch, wer zu mir passt. Außerdem ist es ähnlich wie in der Liebe hilfreich, aus vergangenen beruflichen Beziehungen zu lernen. Deshalb lohnt es sich, einige Zeit zu investieren und die vergangenen Erfahrungen mit direkten Vorgesetzten zu analysieren. Wichtige Fragen könnten dabei sein:

  • Mit welcher Führungskraft habe ich mich besonders wohl gefühlt und warum?
  • Gibt es eine bestimmte Situation, die mir in Erinnerung geblieben ist, an der ich das konkret beschreiben kann?
  • Mit wem hat es gekracht und weshalb?
  • Ganz wichtig: Mit welcher Führungsperson konnte ich mich weiterentwickeln und über mich selbst hinauswachsen? 
  • Welche meiner Bedürfnisse wurden in diesen Arbeitsbeziehungen nicht erfüllt? Welche beruflichen und persönlichen Ziele konnte ich nicht erreichen und warum?
  • Welche Unterstützung hätte ich mir konkret von meiner Führungskraft gewünscht?
  • Welchen Anteil könnte ich selbst dazu beitragen, damit sich dieser Wunsch zukünftig erfüllt?

Mit dieser Reflexion ist es möglich, sich selbst auf die Spur zu kommen und eine Idee von dem oder der “Traum-Vorgesetzten” zu entwickeln. Dabei kommt es darauf an, möglichst konkret zu werden, um diese Punkte später im Vorstellungsgespräch abfragen zu können. 

Finde dein „Match“ beim Bewerbungsgespräch

Dazu noch ein wichtiger Hinweis: Als Führungskraft fällt mir auf, dass sich viele Kandidat:innen nicht so richtig trauen, mich auszufragen. Das finde ich schade. Mich persönlich beeindruckt es, wenn jemand in einem Bewerbungsgespräch die Chance ergreift und genau nachfragt, ob auch ich als Chefin die Richtige bin. Deshalb kann ich nur dazu ermutigen, diesen Termin zu nutzen, um wirklich all das abzufragen, was einem wichtig erscheint. Denn in diesem Sinne gibt es keine falschen Fragen. Wer sich beispielsweise nach Maßnahmen des Unternehmens zur Förderung der psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden erkundigt und als Antwort eine hochgezogene Augenbraue erhält, kann sich glücklich schätzen, gleich herausgefunden zu haben, woran er oder sie ist. 

Mitarbeitende wünschen sich mehr Unterstützung für mentale Gesundheit

Viele Führungskräfte haben bei diesem Thema leider noch Nachholbedarf, deshalb ist es als potentieller Mitarbeitender wichtig, Wünsche in diesem Bereich aktiv anzusprechen. Das zeigt auch die Workforce Institute-Studie. Demnach schätzen Führungskräfte ihren Einfluss auf die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden viel zu wohlwollend ein. Neun von zehn Managerinnen glauben, dass sie einen positiven Beitrag zum Wohlbefinden des Teams leisten, aber nur die Hälfte der Mitarbeitenden stimmt dieser Aussage zu. Als Konsequenz daraus fordern sieben von zehn der befragten Mitarbeitenden von ihrem Management mehr Unterstützung für die eigene psychische Gesundheit ein. Warum nicht mit diesem Wissen auch im Vorstellungsgespräch glänzen und die Erkenntnisse dieser und ähnlicher Studien anführen? Daran anschließend könnten sich diese weiteren Fragen eignen:

  • Weshalb glauben Sie, dass sich die meisten Führungskräfte viel zu positiv bewerten?
  • Was machen Sie als Vorgesetzte:r, um sich diesbezüglich zu hinterfragen?
  • Wenn ich jetzt jemanden aus dem Team fragen würde, was würde diese Person zur Work-Life-Balance in diesem Unternehmen sagen?
  • In welcher Art und Weise sind Sie im Bereich mentaler Gesundheit Vorbild für das Team?

Dann gibt es noch ein paar weitere Kniffe, um im Verlauf des Bewerbungsgesprächs herauszufinden, mit welcher Art von Vorgesetzten du es zu tun hast:

  • Beginnt das Gespräch pünktlich?

Das sollte selbstverständlich sein, ist aber nicht immer der Fall. Wenn dich deine zukünftige Führungskraft lange warten lässt, kannst du damit rechnen, dass dies auch später der Fall sein wird. Frage dich ehrlich, wie wichtig dir geregelte Abläufe und pünktliche Meetings sind.

  • Ist mein Gegenüber vorbereitet?

Anhand der Fragen merkst du schnell, ob sich deine:r zukünftige:r Vorgesetzte:r wirklich mit dir und deinem Lebenslauf auseinandergesetzt hat. Das ist ein guter Indikator für die spätere Qualität von Feedbackgesprächen. Führungskräfte, denen ihre Mitarbeitenden am Herzen liegen, werden sich von Anfang an intensiv damit beschäftigen, den oder die beste Person für den Job zu finden und auch entsprechend Zeit in die Vorbereitung des Kennenlernens zu investieren.

  • Lockert sich die Stimmung im Laufe des Gesprächs auf?

Es kann gut sein, dass du zu Beginn sehr nervös bist. Wichtig ist deshalb darauf zu achten, wie du dich im Verlauf des Bewerbungsgesprächs fühlst. Gute Führungskräfte, die über eine hohe Sozialkompetenz verfügen, werden das Gespräch so steuern, dass sich deine Aufregung legt und du mehr du selbst sein kannst.

Die sorgfältige Auswahl der Führungskraft hat einen maßgeblichen Einfluss auf die berufliche Zufriedenheit und die psychische Gesundheit. Daher solltest du die Chance nutzen, im Bewerbungsgespräch genau die Fragen zu stellen, die dir dabei helfen, den besten „Match“ für deine berufliche Beziehung zu finden. Denn in einem Umfeld, das die eigenen Bedürfnisse unterstützt, kann du nicht nur erfolgreich arbeiten, sondern auch persönlich wachsen und dich weiterentwickeln.


Über die Person:

Laura Henrich ist Geschäftsführerin des Mental Health Startups Klenico mit Standorten in Berlin und Zürich. Mit einem Team von 20 Personen bietet Klenico KI-basierte psychiatrische Diagnostik. Seit einem Jahrzehnt ist Laura im Digital-Health-Bereich tätig, u.a. bei midge medical und welldoo. Sie studierte Europäische Betriebswirtschaft in Reutlingen und Madrid und startete ihre Karriere bei Ferrero in Turin. Nun lebt sie mit ihrer Familie in Berlin und schätzt Yoga, Kunst und internationale Treffen.

Mission Female GmbH:

Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.

Fotomaterial(c) Robert Spang

STAY CONNECTED