Ende vergangenen Jahres ist die studierte Physikerin und Mathematikerin Ranja Reda Kouba bei der international tätigen Unternehmensberatung McKinsey von der Engagement Managerin zum Associate Partner aufgestiegen. Darüber hinaus setzt sie sich mit sehr viel Leidenschaft für mehr Diversität in der Arbeitswelt ein.
Sind Sie Feministin?
Feminismus wird häufig missverstanden. Feminismus ist die Theorie der politischen, ökonomischen und sozialen Gleichwertigkeit der Geschlechter. In diesem Sinne bin ich ganz klar eine Feministin. Und in dem Sinn ist übrigens auch mein Mann ein Feminist. Mein Studium der theoretischen Kernphysik hat mir schon früh gezeigt, dass wir bis zu dieser vollständigen Gleichwertigkeit noch einen weiten Weg haben. Heute beschäftigt mich das Thema Gleichwertigkeit vor allem in der Arbeitswelt.
Wir als Firma wissen, dass divers geführte Unternehmen besser performen. Diese Erkenntnis ist inzwischen auch bei vielen anderen Unternehmen angekommen. Goldman Sachs beispielsweise führt nur noch IPOs für Unternehmen mit mindestens einer Frau im Vorstand durch. Anhand von Umfragen mit mehr als 600 Unternehmen, die McKinsey gemeinsam mit LeanIn.Org durchgeführt hat, wissen wir allerdings, dass der Anteil der Frauen in Vorständen seit 2015 nur um 4 Prozentpunkte – auf 21 Prozent – gestiegen ist. Im mittleren Management hat es fast keinen Fortschritt gegeben. Geht es in diesem Tempo weiter, brauchen wir noch über 100 Jahre, bis wir eine Gleichheit der Geschlechter am Arbeitsplatz haben.
Als Mutter von drei kleinen Kindern, zwei Mädchen und einem Jungen, würde ich diese Veränderung gerne schon in zehn Jahren sehen wollen, wenn sie in den Arbeitsmarkt einsteigen. Nicht erst in 100 Jahren. Dafür braucht es kulturelle und strukturelle Veränderung in allen Unternehmen – natürlich auch in unserem eigenen. Erste Zeichen der Veränderung sind sichtbar, beispielsweise war fast jede zweite Neuanstellung 2019 bei McKinsey eine Frau.
Was war die größte Hürde, die Sie auf Ihrem bisherigen Karriereweg gemeistert haben?
Die größte Hürde waren für mich meine eigenen, unbewussten Vorurteile und meine falsche Überzeugung, dass zwei Karrieren und drei glückliche Kinder nicht zusammenpassen. Nachdem ich vor einigen Jahren dankbar drei Kinder innerhalb von weniger als vier Jahren willkommen heißen durfte, war ich bereit meinen Traumjob bei McKinsey zu kündigen und einen Teilzeitjob anzunehmen.
Anstatt zu gehen, habe ich mich dann aber doch entschieden zu bleiben, um diese scheinbar widersprüchlichen Ambitionen unter einen Hut zu bringen. Durch die Kombination von Eigeninitiative und Unterstützung und durch ausgesuchte erfahrene Kolleginnen und Kollegen in der Firma konnte ich meine Ambitionen doch vereinen – als Mutter und als Beraterin. Inzwischen bin ich zum Associate Partner gewählt worden und arbeite für zahlreiche Klienten, die diesen Weg inspirierend finden. Dabei habe ich folgende drei Dinge gelernt:
Erstens, dass glückliche Kinder glückliche Eltern benötigen. Wenn das persönliche Glück für Eltern heißt, sich intellektuell zu betätigen, um die Welt ein Stück besser zu machen, dann ist das gut so. Darüber hinaus ist wichtig, dass es bei allen Flexibilitätsinitiativen in Unternehmen nicht um die Unterstützung von Müttern, sondern von Eltern geht. Mein Mann, gleichwertig erfolgreich, arbeitet derzeit Teilzeit. Und last but not least: Wir Frauen müssen andere Frauen fördern. Leadership Training, Sponsorship und neue Opportunitäten für andere zu kreieren, sind keine neuen Aufgaben, aber die Notwendigkeit dafür ist heute einfach höher. Diversität und Inklusion sollten heute auf der Agenda jedes CEOs stehen – aber auch auf der Agenda jeder Frau in einer Führungsposition. Wir Frauen tragen selbstverständlich Mitverantwortung dafür, dass der Frauenanteil in der Firmenführung steigt.
Haben Sie ein weibliches Vorbild?
Ich habe viele weibliche Vorbilder, aber es gibt drei Themen, die mich an vielen von ihnen besonders inspirieren:
1. Frauen, die hohe Ambitionen haben und diese offen ansprechen: Nora Aufreiter, im Vorstand zahlreicher kanadischer und amerikanischer Unternehmen, war die erste, die mich dazu brachte, auch als Mutter offen und stolz über meine beruflichen Ambitionen zu sprechen.
2. Frauen, die mit viel Humor mit der Tatsache umgehen, dass einflussreiche Frauen die Männerwelt immer noch sehr irritieren können. Janina Kugel, die ehemalige Siemens-Personalchefin, lebt dies vor – unter anderem durch unsere gemeinsame »Initiative Chefsache«.
3. Erfolgreiche Geschäftsfrauen, die zu ihrer Weiblichkeit stehen. Zum Beispiel Bozoma Saint John, Businessfrau und Marketingexpertin, die bereits Vorstandspositionen von Uber und Apple Music besetzt hat, und das wohl farbenfrohste Profil auf Instagram hat. Wir brauchen mehr Farbe in der oftmals pinguinhaften Welt aus weißen, alten Männern in schwarzen Anzügen.
Linkedin: Ranja Reda Kouba
Instagram: @ranjareda