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Keine Zeit für Nachrichtenfasten

Negative Schlagzeilen und das Leid, das mit den aktuellen Krisen verbunden ist, sind schwer zu ertragen. Doch die Nachrichten dem Seelenfrieden zuliebe auszublenden ist keine Lösung.

Kaum ist der Veganuary vorbei, starten wir in die nächste Runde, die Fastenzeit ist da. Haben Sie sich auch ein Ziel bis Ostern gesetzt? Weniger Alkohol, erneut kein Fleisch oder endlich den Plastikmüll reduzieren?

Ich bin ehrlich, kompletter Verzicht war noch nie meine Sache. Wahrscheinlich, weil ich in der täglichen Routine sowieso das Gefühl habe, zu kontrolliert zu leben. Deshalb setze ich lieber jeden Tag auf eine gesunde Mischung, als phasenweise auf etwas zu verzichten.

Das gilt auch für das Thema Medienkonsum. Fast die Hälfte der Deutschen hat die Nachrichtenaufnahme aktuell eingeschränkt, sagt eine aktuelle Untersuchung. Das wundert nicht, angesichts der gefühlten Häufung von Katastrophen und bedrückenden Bildern. In einem Teil meiner digitalen Bubble wird es jedoch zunehmend chic – und selbst Influencer:innen mit sehr großer Reichweite propagieren es – schlechte Nachrichten auszublenden. Dem Seelenfrieden zuliebe.

Als Journalistin kann ich es mir schon von Berufswegen her nicht leisten, wichtige News zu verpassen. Und natürlich ist mein Interesse an aktuellen Themen dafür viel zu groß. Aber sich den aktuellen Ereignissen nahezu komplett zu verschließen, das finde ich gerade zum Jahrestag der russischen Invasion nicht angebracht.

Ja, die Flut der überlappenden Katastrophen ist schwer zu ertragen. Und es ist sicher eine wichtige und gute Entwicklung, dass seit Corona das Thema Mental Health endlich eine hohe  Priorität eingenommen hat.

Aber: Sollten wir uns als privilegierte und unabhängige Schicht in diesen herausfordernden Zeiten nicht umso mehr anstrengen, Probleme zu erkennen und zu lösen? Und wie können wir beispielsweise bei Wahlen abgesicherte Entscheidungen treffen, wenn wir viele Informationen nicht aufgenommen haben? Wie können wir gestalten, wenn wir nicht wissen, wo es brennt? Dürfen wir es uns in unserer Wohlfühlbubble gemütlich machen, während Autokraten immer hungriger werden und Opfer von Katastrophen und Geflüchtete unser Engagement brauchen? Wir müssen laut bleiben, damit wir uns nicht an die Gräueltaten gewöhnen, mahnt etwa Tatjana Kiel von #weareallukrainians immer wieder.

Komplexe Zusammenhänge verstehen

Eine Lösung könnte es sein, die Medien in der Form zu uns zu nehmen, in der sie uns am wenigsten aufregen. Es ist vielleicht zu viel, mehrmals am Tag die aufwühlenden TV-Bilder aufzunehmen oder jede Talkshow und jeden Brennpunkt zu verfolgen. Lieber eine wertvolle Print-Analyse als 50 Social Media Postings pro Tag, lieber ein kluger Comic als dünne und gefährliche Meinungsmache. Wir haben den Luxus, uns die Medien aussuchen zu können, die zu uns passen. Weltabgewandtheit und Wegschauen, daraus entsteht keine Haltung, sondern die Gefahr, die Demokratie zu vernachlässigen. Die immer komplexeren Zusammenhänge verstehen wir nur, wenn uns in der Mitte nicht wichtige Teile fehlen. Wir brauchen in so vielen Bereichen eine eigene Meinung und eine breite gesellschaftliche Debatte – von der KI über die Neustrukturierung der Arbeits- und Sozialsysteme bis hin zur Klimaerwärmung.

Die Aktualität lässt natürlich auch mich immer öfter ratlos zurück. Große Stützen sind derzeit zwei Bücher für mich – „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman und Michelle Obamas „The Light We Carry“ zeigen, dass die Geschichte immer wieder Anlass zur Hoffnung gibt. Auch unsere Kolumnistin Melanie Vogel hat einen wertvollen Beitrag dazu für Sie verfasst.  Und Firmen wie TheNextWe beweisen ebenfalls, dass schon kleine Beiträge helfen, wie etwa das spezielle Coaching für Geflüchtete aus der Ukraine, von dem Projektleiterin Kateryna Kunytska aus eigener Erfahrung berichtet.

Fotomaterial© Pixabay

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