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Telefonieren Sie noch?

An Sprachnachrichten scheiden sich die Geister. Vor allem im Arbeitsalltag werden sie von vielen als "No-Go" gesehen. Autorin Simone Fasse dagegen setzt sie gern als ein Tool in der asynchronen Kommunikation ein. Ein Plädoyer für den Audio-Brief.

Die Generation Boomer erkenne ich oft an ihrer Kommunikation. Denn sie nähert sich eher per Anruf, als per Email, LinkedIn-Chat oder Sprachnachricht. Auch die Jüngsten sind klar auszumachen – Mini-Textbaustein, dazu vielleicht ein kurzer Tonschnipsel, aber bitte keinen Smiley-Wildwuchs. Telefonieren? Diese Kulturtechnik scheint tatsächlich auszusterben. Die Hemmung vor dem Hörer nimmt zu. Der Nachwuchs tut inzwischen fast alles mit dem digitalen Multitalent – außer Telefongespräche führen. Wenn schon, dann Videocalls (und das auch gern ohne Headset).

Ich gebe zu, dass ich unangekündigte Anrufe fast schon als Belästigung ansehe. Ich brauche feste Termine, beruflich und privat, damit ich mich bei all meinen Bällen in der Luft darauf einstellen kann. Je mehr verschiedene Zeit- und Arbeitszonen es gibt, desto dankbarer nehme ich als Selbständige die Angebote der asynchronen Kommunikation an – so, wie viele andere Menschen in meinem Umfeld.

Ich finde das großartig.

Klar, während eines Meetings eine Sprachnachricht abzuhören, um dann nach 5-minütiger Ansage zu erfahren: „Es wird etwas später“ – da schreit der Business-Knigge. Aber: Als No-Go empfinde ich die Ton-Dokumente keineswegs. Im Gegenteil: Im Hinblick auf   New Work werden asynchrone Tools immer wichtiger, da sie flexible Arbeitsweisen ermöglichen. Mit Kunden, Kolleginnen und Netzwerk-Kontakten erleichtert ein schneller Austausch per Sprachnachricht häufig Organisationsthemen, die sonst ewig gebraucht hätten. Und mit vielen meiner Freundinnen, aber auch mit meiner Moderationstrainerin teile ich inzwischen so genannte Audio-Briefe. Die können schon mal bei 20 Minuten liegen. Richtige Podcasts habe ich hier inzwischen archiviert – von KI-Tricks über Erklärungen zur DDR-Historie bis hin zum simplen Life-Update: So bleiben meine Kontakte und ich in Verbindung, ohne dass zwei Stunden Feierabend gestrichen sind oder es Weihnachten wird, bis wir uns wieder sprechen. Und ich kann nebenbei kochen oder tippen, was ich bei Telefonaten als störend empfinde.

Kürzlich hat meine Freundin eine echte Feelgood-Welle angestoßen, indem sie mir eine Sprachnachricht schickte (Tenor: So lange nichts gehört, vermisse Dich), und ich dasselbe zu einer weiteren Freundin schickte, die wiederum… genau. Im Hintergrund sehen Sie die rollenden Augen meines Teenager-Sohnes und im Vordergrund die bildschirmfüllende Whatsapp-Nachricht einer hoch geschätzten Kollegin. Diese machte mir in einem vorformulierten Text unmissverständlich klar, was sie von solchen Ton-Dokumenten hält, und dass sie diese unverzüglich und ungehört löschen würde.

Ihre harsche Reaktion hatte natürlich etwas Gutes – ich hole mir inzwischen immer vorab immer die Erlaubnis, Sprachbotschaften im beruflichen Kontext zu verschicken. Oder erkläre kurz vorab schriftlich, warum ich diesen Weg wähle.

Wie ist es bei Ihnen? Wo nutzen Sie im Job asynchrone Kommunikation? Telefonieren Sie gern, nutzen Sie Sprachnachrichten oder schreiben Sie am liebsten?

Fotomaterial© Canva

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