Es ist eine beachtliche Summe: 16,6 Milliarden Euro werden die Ausgaben Österreichs für Forschung & Entwicklung (F&E) 2024 betragen, so eine Schätzung der Statistik Austria. Mit dieser Summe, die rund 3,4 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht, liegt Österreich in den Top-3-Nationen Europas, was Forschungsaufwendungen betrifft. Wenig verwunderlich, denn die Dichte an Forschungszentren, in denen tagtäglich an Innovationen geforscht wird, ist in der Alpenrepublik erstaunlich hoch – von Technik bis Medizin.
Stadt der Zukunft
Eines von ihnen ist Aspern Smart City Research (ASCR), Europas größtes Energieforschungsprojekt, in der Wiener Seestadt. Mit Echtdaten aus dem Stadtentwicklungsprojekt Aspern wird hier daran geforscht, wie Städte zukunftsfit gemacht werden können. „Das umfasst Themen wie raus aus Gas, die Minimierung des CO2-Fußabdrucks, Smart-City-Services inklusive Begrünungsüberwachung sowie die Erprobung netzdienlicher und interaktiver Gebäude. Aber auch die Integration elektrischer als auch lokaler Wärme- und Kälteanwendungen in eine gesamthafte Lösung, die Schaffung flexibler, resilienter und intelligenter Stromnetze und die verstärkte Integration von Elektromobilität auf Basis intelligenter Lade-Infrastrukturen“, berichtet Hanna Faist.
Aspern Smart City Reserach (ASCR)
Standort(e): 1 in der Wiener Seestadt
Mitarbeiter:innenanzahl: über 150
Forschungsschwerpunkte: Smart Building: Gebäude optimieren ihren Energiebedarf / Smart Grid: Der Weg zum intelligenten Netz / Smart User: Am Menschen orientierte Technologien / Smart ICT: Vernetzung der Forschung durch Informations- und Kommunikationstechnologie
Forschungsziel: Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum zu entwickeln und unser Energiesystem effizienter und klimafreundlicher zu machen
Abgewickelte Projekte in der zweiten Programmphase 2019–2023: 166 beantwortete Forschungsfragen, 20 Anwendungsbeispiele, 4 Förderprojekte
Die Biologin, Schwerpunkt Statistik und Bioinformatik, unterstützt bei der Projektentwicklung, vernetzt und entwirft Prozesse, um die bestmögliche Zusammenarbeit zwischen Forschenden zu ermöglichen. Die Projekte, ist sie überzeugt, treiben die Energiewende voran und verbessern das Leben der Wienerinnen und Wiener. „Alle haben einen Bezug zu dem Thema, denn alle wollen in einer zukunftsorientierten Stadt mit bester Energieversorgung und hoher Lebensqualität leben.“
Internet der Dinge
Auch in den Silicon Austria Labs (SAL) wird an den Standorten Linz, Graz und Villach an zukunftsweisenden, technischen Lösungen für Umweltschutz, Gesundheit, Energie, Mobilität und Sicherheit gearbeitet. Zu den Schwerpunkt gehören drahtlose Systeme und Sensortechnologien, KI, intelligente Sensorsysteme und Hochleistungs-Energiewandler. Dabei arbeiten die Forschenden eng mit industriellen und wissenschaftlichen Partnern zusammen, um Technologien zu entwickeln und zu verfeinern – vom ersten Entwurf und Konzeptnachweis bis hin zur Erstellung funktionaler Prototypen, berichtet Fjolla Ademaj-Berisha.
Silicon Austria Labs (SAL)
Standort(e): 3, jeweils 1 in Graz, Linz, Villach
Mitarbeiter:innenanzahl: 350
Forschungsschwerpunkte: Microsystems, Sensor Systems, Power Electronics, Intelligent Wireless Systems, Embedded Systems
Forschungsziel: Effiziente, nachhaltige und vertrauenswürdige Technologien für die Zukunft zu entwickeln
Abgewickelte Projekte 2023: 198
Sie befasst sich mit mobiler Kommunikation, insbesondere mit drahtloser Nahbereichskommunikation im Internet der Dinge (IoT) und der Entwicklung von 6G-Mobilfunknetzen. „Ziel ist es“, sagt die Doktorin der Elektrotechnik und Telekommunikationstechnik, „die Kommunikation zwischen Milliarden von Geräten zu optimieren und Mobilfunknetze mit extrem niedrigen Latenzzeiten, höheren Datenraten und fortschrittlichen Sensor- und KI-Funktionen zu gestalten, um die Anforderungen einer hypervernetzten Welt zu erfüllen.“
Ethik trifft auf KI
Wie können intelligente Systeme so gestaltet werden, dass sie frei von Verzerrungen sind und gleichzeitig die Prinzipien einer verantwortungsvollen KI wie Transparenz, Fairness und Robustheit erfüllen? Diese Fragen beschäftigen Martina Gaisch, Forscherin, Professorin und Studiengangsleiterin „Design of Digital Products“ an der FH Oberösterreich.
FH Oberösterreich
Standort(e): Hagenberg, Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien
Mitarbeiter:innenanzahl: 1.000
Forschungsschwerpunkte: KI-Ethik, Technikfolgenabschätzung, Gender und Diversity Forschungsziel: digitale Inklusion und Partizipation
Abgewickelte Projekte 2023: LEA (Let’s empower Austria) Fempowermint 2.0; Infotainment-Videos und MINTality Auftragsstudie „Wie MINT gewinnt“
Mit vier Fakultäten in Hagenberg, Linz, Steyr und Wels ist sie eine der forschungsstärksten Fachhochschulen Österreichs: Jährlich arbeiten Forscher:innen an über 500 Forschungsprojekten. „KI-Ethik und Diversity Management“, so die Expertin, „sind von enormer Bedeutung in unserer zunehmend digitalisierten und globalisierten Welt. Beide beschäftigen sich mit komplexen Herausforderungen, die sich aus den Interaktionen zwischen Technologie, Gesellschaft und Individuen ergeben, und erfordern innovative Lösungsansätze, um eine gerechte und inklusive digitale Zukunft zu gestalten.“
Gewebemonitoring
Doch es sind nicht nur Technik und Digitalisierung, an denen in Österreichs Innovationszentren gearbeitet wird – auch im Gesundheitsbereich wird tagtäglich nach Produkten und Methoden gesucht, die das Leben der Menschen verbessern sollen. Katrin Tiffner ist Doktorin in Biomedical Engineering und hat ein Diplomstudium in Elektrotechnik, Schwerpunkt Medizintechnik, absolviert. Sie forscht an der Grazer Joanneum Research Forschungsgesellschaft im Bereich des biomedizinischen Gewebemonitorings. An der außeruniversitären Forschungsgesellschaft forschen mehr als 500 Menschen an Lösungen für Wirtschaft, Gesellschaft und Industrie.
Katrin Tiffner und ihre Institutskolleg:innen haben die „offene Mikroperfusion“ (OFM) entwickelt, „eine minimalinvasive Methode zur kontinuierlichen Gewinnung von Zwischenzellflüssigkeit aus Geweben wie der Haut. Diese gesammelte Flüssigkeit ermöglicht den Nachweis, ob ein Arzneistoff am Wirkort im Gewebe ankommt, in welchen Konzentrationen und welche Wirkung er dort auslöst“.
Blick in die Zukunft
Doch welche Themen werden die Forscherinnen zukünftig beschäftigen? Bisher haben sich die Forschungsprojekte des ASCR primär um Neubauten gedreht, berichtet Hanna Faist. „In der dritten Forschungsphase werden neben dem Living Lab in Aspern Seestadt auch andere repräsentative Gebäude und städtische Infrastruktur der Stadt miteinbezogen – von Gründerzeithäusern und Gebäuden mit gewerblicher Nutzung im innerstädtischen Bereich bis zum Stromnetz in Stadtgebieten mit wenig Neubauten.“
Joanneum Reserach
Standort(e): Graz, Wien, Klagenfurt, Weiz, Niklasdorf, Pinkafeld
Mitarbeiter:innenanzahl: rund 500 Forschungsschwerpunkte: Gesundheit und Pflege,
Mobilität, Politik und Gesellschaft, Produktion und Fertigung, Sicherheit und Verteidigung, Umwelt und Nachhaltigkeit, Weltraum
Forschungsziel: Forschung, die in Organisationen, Wirtschaft und Industrie in Anwendung kommen
Abgewickelte Projekte 2023: rund 800
In den kommenden Jahren wird sich Fjolla Ademaj-Berisha von den SAL auf die Schnittstelle zwischen Sensorik und Kommunikation konzentrieren, die enormes Innovationspotenzial birgt, wie sie sagt. „Dieser Bereich ist spannend, weil hier zwei entscheidende Technologien für die Zukunft drahtloser Systeme zusammenkommen: Durch die Integration fortschrittlicher Sensorik in Kommunikationssysteme können wir Netze schaffen, die schneller, zuverlässiger und intelligenter sind, sodass Geräte ihre Umgebung verstehen und in Echtzeit darauf reagieren können.“
Neue Entwicklungen vorantreiben
„Mir ist wichtig“, sagt Wirtschaftsethikerin Martina Gaisch, „dass möglichst viele unterschiedliche Menschen an der Entwicklung von KI-Systemen mitwirken, damit diese inklusiv, verantwortungsvoll und frei von Vorurteilen werden.“ Dafür sei aber noch viel interdisziplinäre Forschung und auch Überzeugungsarbeit nötig, so die Forscherin – „um das Thema in die Köpfe aller zu bringen, die mit Informatik zu tun haben“.
Bleibt noch die Frage, was die Innovatorinnen an ihrem Beruf am meisten fasziniert? Katrin Tiffner, Joanneum Research, gibt eine Antwort, der wohl auch ihre Kolleginnen einstimmig beipflichten würden, ist sie doch gleichsam Basis jeder Forschenden: „Die Vielfalt und der ständige Drang, neue Entwicklungen voranzutreiben oder bestehende Methoden zu verbessern und neue Anwendungsbereiche zu finden, sind meine größten Motivatoren.“