StartBusinessEntrepreneurMächtig, aber unsichtbar?

Mächtig, aber unsichtbar?

Der leise Wandel, der nicht erst seit Trump durch die Luft weht, braucht dringend ein Gegengewicht. Was dagegen hilft? Sichtbarkeit – und zwar lautstark.

Kennen Sie Mary Barra? Nie gehört? Wie sieht es mit Rafaela Aponte-Diamant aus? Klingelt da was? Und „Lisa Su“ – können Sie damit etwas anfangen? Ganz ehrlich, mir ging es genauso. Erst als eine Kollegin vom Kurier diese Frauen ins Rampenlicht rückte, wurde mir klar, wer hier im Schatten steht: Mary Barra ist CEO von General Motors und belegt Platz 39 der Fortune-Global-500. Rafaela Aponte-Diamant ist Mitbegründerin der Mediteranean Shipping Company (MSC) und auf Platz 48 der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Und Lisa Su? Sie leitet den Chiphersteller Advanced Micro Devices (AMD) und ist in der KI-Welt zu Hause. Fun-Fact: Sie ist reicher als Chat GPT-Erfinder Sam Altman, dessen Namen wirklich jeder kennt.

Worauf ich hinaus will: Wer nach den erfolgreichsten Frauen der Welt sucht, muss sich erstmal durch die Rankings wühlen und dann meistens googeln, um Namen und Gesichter zu verknüpfen. Die erfolgreichsten Männer hingegen? Die kennt man im Schlaf. Besonders krasses Beispiel: Der mexikanische Telekommunikations-Mogul Carlos Slim ist Wirtschaftsinteressierten ein Begriff, während Francoise Bettencourt-Meyers vielen erst durch die Netflix-Doku über ihre Mutter, die L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, bekannt wurde. Dabei sind die zwei praktisch gleich reich. Slim belegt Platz 14, Bettencourt Platz 15 auf der Forbes-Reichenliste. Unfair oder selbst daran schuld? Wenn wir ehrlich sind: beides.

Lassen Sie mich kurz ausholen. In der kommenden Ausgabe von sheconomy gehen wir der Frage auf den Grund, warum in Talkrunden und Panels meist Männer eingeladen werden und seltener Frauen.* Martina Kapral, eine der erfolgreichsten Speaker-Agentinnen im deutschsprachigen Raum, bringt es auf den Punkt: „Die Entscheidungsträger, die das Budget für Speaker freigeben, sind oft selbst CEOs und damit meist Männer. So schlimm es klingt, sie scheinen einem Mann die Expertise eher abzunehmen.“ Männer seien außerdem sichtbarer, u.a. „weil sie lauter schreien“. Ähnliches sagt Josef Sawetz, Kommunikationspsychologe und Markenexperte, im Kurier: Männer haben aufgrund ihrer Körpergröße, ihres Testosteronspiegels und des stereotypen Bildes einer Führungskraft einen Vorsprung, wenn es um öffentliche Wahrnehmung geht. Bei Frauen hingegen werden genau diese Eigenschaften – Sichtbarkeit, Durchsetzungskraft, Poltern – als negativ ausgelegt. Dazu kommt, dass viele Frauen sich freiwillig unsichtbar machen, weil sie familiäre Verpflichtungen über den Karrierezirkus stellen.

Also, liebe Frauen, eine Bitte: Trennt das eine vom anderen und erlaubt euch beides. Denn ohne Sichtbarkeit gibt es keine Role Models. Keine jungen Frauen, die sich mehr zutrauen als die Mütter-Generationen vor ihnen. Keine Friseurinnen, die zu Astronautinnen werden. Keine Wissenschaftlerinnen, die bahnbrechende Impfstoffe entwickeln. Keine Gründerinnen, die visionäre Unternehmen aufbauen. Und auch keine Chefs, die auf die Idee kommen, Frauen in die Chefetagen zu holen.

Dabei sah es eine Zeit lang ganz gut aus, vor allem, was Letzteres betrifft. Doch gerade jetzt dreht sich das Rad gefährlich zurück: Die wirtschaftliche Krise zwingt Unternehmen zu Sparmaßnahmen, und häufig sind es dann die weiblich besetzten Führungsposten, die als erstes gestrichen werden. Diversitätsprogramme werden heruntergefahren, Mentoring richtet sich plötzlich wieder verstärkt an junge Männer. Wo Unsicherheit in der Luft liegt, regiert Retraditionalisierung.

Und das sollten wir auf keinen Fall einfach so hinnehmen.

*Die nächste Ausgabe von sheconomy erscheint am 10. Dezember 2024 und die Panel-Story wurden von Autorin Michaela Hessenberger geschrieben.

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