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Es gibt viel zu verlieren

Wann haben SIE sich das letzte Mal weitergebildet? Wenn das kein Thema für Sie ist, sind Sie entweder bereits up-to-date oder laufen Gefahr, sich zu „verhorxen“.

„Stillstand ist der Tod“, sang der deutsche Interpret Herbert Grönemeyer bereits 1998. Damals war das Internet noch ein Wild Wild Web, und die meisten Firmen waren gar nicht im Netz vertreten. „Das Internet wird kein Massenmedium“, prognostizierte noch 2001 der Trendforscher Matthias Horx – eine sensationelle Fehleinschätzung. Nicht nur ist das Internet heute das Massenmedium schlechthin. Es hat in den letzten zwanzig Jahren Arbeitsprozesse einschneidend verändert und wird das, ebenso wie die ständig mächtiger werdende Künstliche Intelligenz, weiterhin tun. Was heute noch von Menschen erledigt wird, könnten in Zukunft Algorithmen lösen. Das wird wesentliche Arbeitsprozesse im Bankwesen, bei Versicherungen und auch bei uns in der Steuerberatung verändern. Aber auch die Industrie wandelt sich. Mit Blick auf die Entwicklung weg von Verbrennungsmotoren hin zur Elektrizität stellt sich die Frage, was aus all jenen Ingenieur:innen wird, die alles über Kolben und Zylinder wissen, sich aber nicht mit Lithium-Ionen-Batterien auskennen?

Für die Zukunft lernen

Diese Trends werden in den kommenden Jahren viele dazu zwingen, sich umzuschulen oder weiterzubilden. Nicht nur, weil eine mögliche Karriere dies voraussetzt, sondern weil es in vielen Bereichen zwischen Job und Arbeitslosigkeit entscheidet. Aber wer steht da jetzt in der Pflicht? Die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer:innen? Beide. Erstere sollten am besten wissen, wohin die Reise geht und welche Qualifikationen in Zukunft gefragt sein werden. Entsprechend kann man Mitarbeiter:innen Weiterbildung anbieten. Umgekehrt sind freilich auch diese in der Pflicht. Wollen sie weiter gebraucht werden, müssen sie dafür auch etwas tun. Dazu muss ein Stück weit am Mindset geschraubt werden. Stillstand und geistige Unbeweglichkeit führen ins Out. Wer glaubt, ab 50 sei keine Weiterbildung mehr nötig, da man ja sowieso kurz vor der Pension stehe, läuft Gefahr, sich aufs Abstellgleis zu bewegen.

Notwendige Reform des Bildungssektors

Um allerdings überhaupt in der Lage zu sein, flexibel zu reagieren, Umschulungen und Weiterbildung erfolgreich zu absolvieren, ist eine vernünftige Grundausbildung unumgänglich. Doch gerade hier mangelt es all zu oft. Arbeitgeber können ein Lied von Bewerber:innen mit unzureichender Qualifikation und Motivation singen. Da ist einerseits die Politik gefragt, endlich die notwendige Aufmerksamkeit in den Bildungssektor zu stecken und Reformen auch mit entsprechender Finanzierung abzusichern, aber nicht zuletzt auch der Halt und die Stabilität in der Familie. „Es gibt viel zu verlieren“, wusste Herbert Grönemeyer bereits vor zwanzig Jahren. Das gilt heute umso mehr.


Über die Autorin

Foto: beigestellt

Claudia Stadler ist Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei www.cSt-causa.at in Wien und bietet Klient:innen individuell maßgeschneiderte Lösungen an. Sie ist seit 2017 gerichtliche Mediatorin und daher auch Expertin für konfliktfreie Lösungen.

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