„Mich gibt es nicht umsonst!“ postete vor wenigen Tagen die Unternehmerin Vicky Wagner auf ihrem LinkedIn-Account – und bekam dafür knapp 1000 Reaktionen, durchgehend positiv. Anlass ihres Posts war die Häufung von Anfragen, „darunter Keynotes und Beratungsleistungen, bei denen ganz selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass ich diese Leistungen unentgeltlich erbringe“.
Erst mal würde ich sagen: das ist kein Frauenproblem, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, die der vor neun Jahren verstorbene Journalist, Essayist und Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, bereits 2011 beklagte. Nämlich, dass sich die Gesellschaft scheinbar darauf geeinigt hätte, dass geistige Leistung nichts mehr wert sei.
Es gibt also ein ganz allgemeines Honorierungsproblem bei Freiberuflern, Kreativen, Denker:innen – nur dass Männer vielleicht eher den Mut haben, ihre Ablehnung offen zu zeigen, wenn sie angeschnorrt werden, Gratis-Leistungen zu erbringen. Frauen müssen dieses Neinsagen häufig lernen. Weil sie bei Panels immer noch in der Minderheit sind. Weil sie seltener zu Vorträgen gebeten werden. Weil weibliche Expertise erst langsam Anerkennung bekommt. Dies alles führt dazu, dass sich Frauen meist freuen, wenn sie – so wie Vicky Wagner es kürzlich erfuhr – gefragt werden: „Magst Du bei uns nicht eine Keynote halten, um Deiner Mission zu folgen?“
Viele Frauen antworten daher mit „Ja“ in so einer Situation. Dabei wäre es eine der wichtigsten „Missionen“, „Nein“ zu sagen. „Nein“, weil hinter jeder Keynote ein Haufen Arbeit steckt, jahrelange Erfahrung, das Adaptieren von Inhalten. Vielleicht sitzt im Hintergrund eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter, die/der mitwirkt und zu bezahlen ist. Und gewiss gibt es eine Ausbildung, in die die Speakerin einst investierte.
Ich gebe zu, ich rede groß. Auch ich liefere immer wieder kostenlos Leistung. Aber ich lerne dazu. Meine Rechnung zum Beispiel lautet: Wer mich unterstützt (hat), den unterstütze ich gern. Betrete ich neues, spannendes Terrain, dann schalte ich manchmal den Taxameter aus. Ist meine Leistung mit bereichernden Begegnungen verbunden, warum nicht mal großzügig sein. Bei den Dingen aber, die mit meinem Kernberuf zusammenhängen – dem Schreiben, dem Blattmachen, dem Moderieren, dem Kreieren von Content, dem Konzipieren – sage ich Nein zu gratis.
Was oder wer mir beigebracht hat, Grenzen zu ziehen? Mein berufliches Engagement – und: Handwerkerrechnungen. Finden Sie lustig? Ich eigentlich auch. Da gibt es nämlich Wegzeiten, Nachverrechnungen, klare Stundensätze. Ganz ehrlich: Würden Sie je auf die Idee kommen, dem Malermeister oder Installateur diese Dinge zu kürzen, weil Sie manches davon für selbstverständlich halten? EPUs und Freiberufler aber sind mit dieser Form der Ausnützung häufig konfrontiert: stundenlange Sitzungen, Besprechungen? – ist doch keine Arbeit! Vorträge, Beiträge? Dient alles der eigenen Vermarktung! Arbeitsergänzungen? War doch bloß eine Kleinigkeit!
Weil Frauen in solchen Momenten auffallend oft in der ersten Reihe sitzen, sind Role Models, wie die „Nein-Sagerin“ Vicky Wagner, Gold wert. „Wertschätzung kommt auch von Wert-Schätzung“, schrieb meine Kollegin Simone Fasse unter ihrem Post. Das ist nur zu unterstreichen. Vergessen Sie nicht: Kleinlich sind die anderen, die Schnorrer. Sie aber sollten Ihren Wert schätzen (lernen), ihn pflegen und ihm unbedingt treu bleiben. Probieren Sie das mal, zahlt sich aus!