In meinem ersten Artikel über Solopreneurship habe ich dir erklärt, was dieses Businessmodell für Dienstleister konkret bedeutet und worin die großen Vorteile liegen. Tatsächlich habe ich es für mich entdeckt, als ich nach sechs Monaten Dauer-Hustle in der Selbstständigkeit komplett ausgebrannt war.
Zu Beginn entscheiden sich Selbstständige häufig für das Zeit-gegen-Geld-Modell, da es ein einfaches und leicht verständliches Geschäftsmodell ist. Viele der Dienstleistungen, mit denen wir vertraut sind, basieren darauf. Es folgt dem Prinzip, dass die investierte Zeit direkt proportional zum erzielten Einkommen steht – man investiert Zeit und erhält dafür Geld.
Dieses Modell bietet eine klare und direkte Methode zur Einkommensgenerierung. Besonders für diejenigen, die noch nicht über eine Vielzahl von Ressourcen oder ein hohes Startkapital verfügen, kann dieses Modell einen greifbaren und unkomplizierten Einstieg in die Selbstständigkeit bieten.
Darüber hinaus verspricht das Zeit-gegen-Geld-Modell eine gewisse Sicherheit, da es einen direkten und vorhersehbaren Geldfluss bietet. Dies kann in der Anfangsphase und wenn die finanzielle Stabilität noch nicht vollständig gewährleistet ist, besonders attraktiv sein.
Für mich hatte das Modell allerdings nach ein paar Monaten nur noch Nachteile. Die größten Herausforderungen beim Zeit-gegen-Geld-Modell für Selbständige sind meiner Ansicht nach:
1. Natürliche Einkommensgrenze
Da der Tag nur 24 Stunden hat und deine physischen und mentalen Ressourcen begrenzt sind, gibt es eine natürliche Grenze dafür, wie viel du verdienen kannst. Es spielt keine Rolle, wie effizient oder talentiert du bist, es gibt nur so viele Stunden am Tag, die du arbeiten kannst. Dies kann zu einem ständigen Druck führen, die Produktivität zu steigern, um das Einkommen zu maximieren, aber es gibt immer noch eine obere Grenze, die nicht überschritten werden kann.
2. Entweder mehr Arbeit oder höhere Preise
Wenn du nach dem Zeit-gegen-Geld-Modell arbeitest, sind deine Optionen, um mehr zu verdienen, begrenzt. Du kannst entweder mehr arbeiten, was zu Burnout führen kann und deiner Gesundheit schadet, oder du kannst deine Preise erhöhen, was dazu führen könnte, dass du Kunden verlierst, wenn sie nicht bereit sind, mehr zu zahlen.
3. Verdienst nur bei aktiver Arbeit
Ein weiteres Problem bei diesem Modell ist, dass du nur verdienst, wenn du aktiv arbeitest. Das bedeutet, wenn du krank bist, in den Urlaub gehst oder aus irgendeinem anderen Grund nicht arbeiten kannst, verdienst du kein Geld. Dies kann zu erheblichem Stress führen, da du dich möglicherweise finanziell unsicher fühlst, wenn du nicht in der Lage bist zu arbeiten.
4. Zeit statt Mehrwert
Im Zeit-gegen-Geld-Modell messen Kunden deinen Wert oft an der Zeit, die du für sie arbeitest, anstatt an dem Mehrwert, den du lieferst. Dies kann frustrierend sein, insbesondere wenn du in der Lage bist, hochwertige Arbeit in kurzer Zeit zu liefern. Dadurch können Konflikte mit Kunden entstehen, die glauben, dass sie nicht das bekommen, wofür sie bezahlen.
5. Keine Skalierung möglich
Schließlich ist es bei diesem Modell schwierig, dein Business zu skalieren. Da du nur eine begrenzte Anzahl von Stunden am Tag arbeiten kannst, wirst du früher oder später an eine Decke stoßen, was dein Einkommenspotential begrenzt. Dies kann besonders frustrierend sein, wenn du den Wunsch hast, dein Unternehmen auszubauen, aber durch die begrenzte Zeit, die du hast, eingeschränkt bist.
Als ich nach sechs Monaten mal wieder komplett fertig auf meiner Couch gesessen bin, war es für mich Zeit, etwas zu ändern.
Ich war ab dem ersten Monat ausgebucht. Vor allem, weil ich sehr schnell ein Interim-Mandat mit 20 Stunden/Woche angenommen habe. Der Rest meiner Woche füllte sich mit Workshops, 1:1 Mentoring, Gruppen-Mentoring, etc.
Klar klingt das schön, wenn man ausgebucht ist und ein hohes sechsstelliges Einkommen erzielt, aber ich hatte weder Zeit an meinem Business zu arbeiten noch Zeit für mich selbst. Ich habe meine mentale Gesundheit vernachlässigt, genauso wie meinen Sport und meine Ernährung. Im Urlaub war ich in meinem ersten Jahr weniger als im Angestelltenverhältnis und dann mit Laptop. Ehrlich betrachtet, kam ich zu folgendem Fazit:
- Obwohl ich viel Umsatz gemacht habe, war ich nicht erfüllt
- Obwohl ich viele Kunden gewonnen habe, war ich nicht unabhängig
- Obwohl ich viel gearbeitet habe, war ich nicht frei
- Egal wie viel Umsatz ich mit dem Modell Zeit-gegen-Geld gemacht habe. Je mehr ich verdient habe, desto schlechter wurde meine Lebensqualität.
Am Ende hatte ich also mein 9-5 Hamsterrad aus dem Angestellten-Verhältnis nur durch einen neuen Selbstständigkeits-Käfig getauscht, der sogar noch anstrengender war.
An diesem Punkt habe ich dann beschlossen mein Business komplett einzustampfen und nochmal nach den Prinzipien des Solopreneurship Businessmodells von vorne neu aufzubauen. Hier wie ich das genau angegangen bin.
Business Planung für Solopreneure next Level
Was mir immer wieder auffällt ist, dass viele Selbstständige ihre Business Planung komplett falsch angehen und Produkte bauen, die sie nicht zum Ziel führen. Es geht schon mal damit los, dass fast keiner seinen Lifestyle plant, sondern nur die Umsätze. Das bringt dir dann letzten Endes aber genau den Dauer-Hustle oder das goldene Hamsterrad, aus dem man so einfach nicht raus kommt. Auch bei der Umsatzplanung sehe ich viele Extreme. Entweder gar keine Ziele oder viel zu niedrige, weil du dir zu wenig zutraust. Im ersten Schritt brauchst du also vor allem Klarheit über drei zentralen Komponenten:
- Wie viel Zeit willst du Freizeit haben?
- Wie viel Zeit willst du IN deinem Business arbeiten?
- Wie viel Zeit willst du AN deinem Business arbeiten?
Ohne diese drei Zahlen, kannst du nicht das richtige Business Modell auswählen und eine klare Produktstrategie ableiten, die dich wirklich frei und unabhängig macht.
Step 1: Reflexion
Im ersten Schritt ist es immer wichtig, ganz genau zu wissen, wo du jetzt stehst mit deinem Business. Stell dir folgende Fragen:
- Was war top und hat dir Energie gegeben?
- Was war flop und hat dir keinen Spass gemacht?
- Was hast du gelernt?
- Was willst du weiter machen?
- Womit willst du aufhören?
Step 2: Gaps identifizieren
Bevor wir in irgendeine Planung gehen, brauchen wir 100% Klarheit über eine Sache. Deinen Purpose! Ich nutze dazu das Ikigai Konzept, um immer wieder zu evaluieren, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg bin. Danach evaluiere ich mit dem Wheel of Life Konzept, wo derzeit in meinem Leben die Gaps sind. Stell dir folgende Fragen
- Mache ich wirklich was mich zu 100% erfüllt oder nur was mit Geld bringt?
- Welche Bereiche in meinem Leben sollten höher priorisiert werden?
- Wo möchte ich am Ende von 2024 stehen?
- Was sind meine Gaps?
Step 3: Zieldefinition
Aus den Gaps ergeben sich ganz natürlich deine Ziele. Wichtig ist dir, Ziele in allen Lebensbereichen zu setzen. Nimm dir allerdings nicht zu viel vor, sondern habe einen klaren Fokus.
Mein Ziel 2023 war zum Beispiel den gleichen Umsatz zu machen wie 2022, nur in weitaus weniger Zeit. Also habe ich alle Bereiche auf den Faktor Zeit optimiert. Das Ergebnis von nur einem Fokus war extrem > von 60 auf 20 Stunden runter bei gleichem Umsatz. Stell dir folgende Fragen:
- Wie viel Zeit will ich Freizeit haben?
- Wie viel Zeit will in meinem Business arbeiten?
- Wie viele Zeit will in an meinem Business arbeiten?
Step 4: Lifestyle & Business Planung
Hier kommt der Gamechanger. Denn zuerst planst du deinen Lifestyle. Wie soll eine typische Woche bei dir im Idealfall aussehen? Wie sieht ein ganz normaler Montag oder Donnerstag aus? Ich habe mir dazu einen Grid gebaut und wirklich alles eingetragen. Für mich war der größte Change nur noch MO-DO von 13:00-18:00 in meinem Business zu arbeiten. Das habe ich allerdings nur geschafft, da ich mein Business Modell gewechselt habe.
Lege im nächsten Schritt deine Businessziele fest und ich spreche hier nicht nur einfach von Umsatzzielen, sondern vor allem von Gewinn! Was soll am Ende wirklich übrige bleiben?
Ich bin ein sehr großer Fan einer Drei-Jahresplanung mit ambitionierten aber natürlich realistischen Zielen, die planbar in die Realität umzusetzen sind.
Step 5: Reality Check
Evaluiere, ob du mit deinem bisherigen Business deine neuen Ziele überhaupt erreichen kannst oder ob du etwas verändern musst, um dorthin zu kommen zum Beispiel ein anderes Business Modell, eine neue Pricing-Strategie, mehr Kunden, andere Produkte etc.
Gerade der Wechsel des Business Modells ist der größte Hebel und es gibt viele Optionen für Solopreneure, die eine Dienstleistung an Unternehmen verkaufen.
Hier mal ein Überblick zu meinen Top sieben Modellen:
- Workshops: Interaktive Schulungen, die spezifisches Fachwissen vermitteln.
- Retainer-Modell: Mittel- bis langfristige Vereinbarungen, bei denen du für definierte Leistungen mit einer Monatspauschale bezahlt wirst.
- Abo/Membership: Ein exklusiver Club, der Zugang zu neuem Content, Tools oder Vorteilen bietet.
- Analyse Produkt: Bewertung des Status quo eines Kunden und Erstellung einer Verbesserungsstrategie.
- Digitale Produkte: Online-Kurse oder Masterclasses, die anderen helfen, ihre Fähigkeiten aufzubauen.
- Gruppen-Modell: Mehrere Teilnehmer arbeiten gemeinsam an einem Ziel oder lernen voneinander.
- Umsatzbeteiligung: Zusammenarbeit mit Unternehmen, bei der du einen Anteil an den generierten Einnahmen erhältst.
Wie du siehst gibt es sehr viele Optionen und da sind wir noch lange nicht fertig. Ich habe mich dann nach ausgiebigem Testing und Evaluation meiner Wunschkunden sowie meinen Zielen für Kohorten-basierte Sales Training (Gruppen-Modell) entschieden. Hier konnte ich alle meine Wünsche und die Interessen meiner Kunden perfekt vereinen.
Step 6: Action Plan 2024
Leite jetzt aus den ersten fünf Schritten die konkreten Maßnahmen ab wie du deine gesetzten Ziele erreichst. Sei dabei so konkret wie möglich zB wie genau kommst du zu 100 Kunden im Jahr? Oder wie genau sparst du dir 20 Stunden pro Woche ein?
Damit solltest du jetzt in der Lage sein, dein Business so wie ich damals nochmal zu überdenken und vor allem auf deine Lifestyle-Ziele auszurichten. Damit du die Business Modell auch nur von allen Seiten evaluieren kannst, tauchen wir im nächsten Artikel unserer Serie nochmal tief ab. Ich zeige dir die Vor- und Nachteile, damit du für dich wirklich entscheiden kannst, was zu dir und deinen Zielen am besten passt.
Denn das wichtigste ist: Mein Weg ist nicht dein Weg! Jeder muss seinen eigenen finden.
Deine Stephanie
Über die Autorin:
Stephanie Sgura hat sich in den vergangenen Jahren als Sales Koryphäe im deutschsprachigen Raum einen Namen gemacht. Inzwischen zählt sie zu den am schnellsten wachsenden Solopreneur*innen in der Dach Region. Ihr Know-how hat sie 12 Jahre als Marketing Managerin in Corporates wie Henkel, Microsoft und Red Bull gesammelt. Danach hat sie die Seiten gewechselt und neun Jahre in namhaften Start-ups und Scale-ups das Sales-Team geführt und im Anschluss zwei Unternehmen gegründet.
Bei Growth Mastery hilft sie Sales Teams dabei, schneller in eine Skalierung zu kommen. Mit dem neu gegründeten Solopreneur’s Life verfolgt sie die Vision, Solopreneur*innen zu echter Selbstbestimmung und Freiheit zu verhelfen.
Ihr Motto: „Stop dreaming and just do it!”
Hier geht es zum ersten Teil der Serie: