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Wir müssen weniger Fleisch essen

Wie oft haben Sie in dieser Woche Fleisch gegessen? Wenn Sie eine*r der rund 4,9 Millionen Katholik*innen in Österreich sind, haben Sie gestern vielleicht ganz bewusst darauf verzichtet. In anderen Religionen kommen Fleisch und Fisch noch seltener auf den Teller. Unsere Autorin hat sich den neuen UN-Weltklimabericht angesehen und plädiert anlässlich der endenden christlichen Fastenzeit: hören wir auf, Tiere und zu essen und damit unser weiter Klima zu schädigen.

„Am Gründonnerstag isst man kein Fleisch,“ diese Aussage kenne ich seit klein auf. Meine Familie ist bei Gott nicht streng katholisch – die obligatorische Taufe fand zwar statt, wenige Zeit später ging jedoch niemand aus meiner engen Familie mehr in die Kirche. Die Mahnung, dass Gründonnerstag sei und daher nur Spinat gegessen werden dürfe, erreicht mich aber dennoch jedes Jahr kurz vor Ostern – meistens durch eine WhatsApp-Nachricht einer entfernten Verwandten. Jedes Mal erlebe ich einen kurzen Anfall reflexartiger Furcht – habe ich beim Frühstück ein Stück Wurst gegessen? – bis mir wenige Augenblicke später einfällt, dass ich ohnehin nie Fleisch esse.

Auf einen Moment der irrationalen Erleichterung, folgt Verzweiflung. Vor wenigen Tagen erschien der dritte Teilbericht des alle sieben Jahre erscheinenden IPCC-Reports (Intergovernmental Panel on Climate Change, auf Deutsch: Weltklimarat). Und was die Wissenschaftler*innen dort auf mehreren Tausend Seiten darlegen, ist düster: Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir bis 2100 auf eine globale Erderwärmung von drei bis fünf Grad hin. „Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten. Bei jeder weiteren Verzögerung der […] Maßnahmen wird ein sich schnell schließendes Zeitfenster verpasst, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern,“ heißt es in dem Bericht. Sinken die Emissionen nicht spätestens ab 2025, ist es nicht möglich, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

Einige Expert*innen schrieben, sie hatten Panikattacken gehabt, als sie den Bericht lasen. Als einzelne Person kann einen ein Gefühl der Ohnmacht überkommen. Die gute Nachricht ist: die Wissenschaftler*innen wissen genau, was zu tun ist, um das Ruder rumzureißen. Es muss allerdings auf sie gehört werden. Die Forscher*innen sprechen im dritten Teil des Berichts Empfehlungen und Handlungsvorgaben für jeden einzelnen Sektor aus: Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, Ausbau und Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs, Schutz und Wiederbelebung von Lebensräumen und vieles mehr. Es liegt an der Politik, dies jetzt unmittelbar umzusetzen.

Neben diesen Maßnahmen finden sich im IPCC-Report aber auch Anweisungen, die jede*r Einzelne angehen kann. Wenn möglich, sollten wir zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Wir müssen außerdem aufhören Lebensmittel wegzuwerfen und sollten unseren Fleischkonsum stark reduzieren. Verglichen mit den dringend notwendigen, drastischen Veränderungen, die durch die Regierungen und Unternehmen herbeigeführt werden müssen, erscheinen solche Verhaltensänderungen vielleicht wie minimale Beiträge, um die globale Erderwärmung einzudämmen. Sie machen dennoch einen Unterschied. Solche Maßnahmen können außerdem dabei helfen, sich weniger hilflos und ohnmächtig zu fühlen, wenn man mit schlechten Klimanachrichten konfrontiert wird. Es steht außer Frage, dass jetzt gehandelt werden muss – und wenn es „nur“ der Verzicht auf den diesjährigen Osterschinken ist.

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