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Von kaltem Wasser und preisgekröntem Wein

Mit 19 Jahren übernimmt eine junge Frau aus dem Weinviertel den Restaurantbetrieb einer Winzerfamilie und bringt es bis zur Gault Millau Haube. Carina Hagn über Druck, den man sich selbst macht, Erfolg und Gewissensbisse als Mutter.

Die Weinberge Mailbergs im niederösterreichischen Pulkautal zwischen Hollabrunn und Laa and der Thaya liefern die Kulisse für gediegene Weine und eine gehörige Portion Kulinarik. Hier hat auch die Winzerfamilie Hagn ihren Sitz – und das seit 300 Jahren. Dass sich die sonnigen, windgeschützten Hanglagen besonders gut für edle Tropfen eignen, hat der Malteser Ritterorden allerdings schon 1140 erkannt. Kalkhaltige Böden, lehmiger Sand und Löss geben den Weinen Frische und Würzigkeit – und das kommt gut an. Auf 300 Hektar werden heute Weißweine und Rotweine angebaut. Vom Kellermeister bis zum Versand und Management des Weindomizils werden die Schlüsselpositionen immer noch von Familienmitgliedern der Hagns besetzt. Eines dieser Familienmitglieder ist Carina Hagn, die sich als Teenager in den Sohn der Winzerfamilie verliebt hat.

Restaurant-Chefin mit 19

Carina Hagn kommt in einer schneeweißen Bluse zum Interview. Grüne Augen, dunkle Haare, strahlendes Lächeln. Zwei kleine Kinder und die Leitung des Weindomizils mit Gästezimmern und Restaurant sowie die Mitbetreuung des Exports des Weingut Hagn hinterlassen zumindest äußerlich keine Spuren an der 32-Jährigen. Aber sie weiß, was Stress bedeutet. Als sie gerade einmal 19 Jahre alt war, fragte sie der Vater ihres Freundes, ob sie sich vorstellen könne, das Restaurant des Weinguts zu führen. Der Pächter war abgesprungen, es brauchte eine Lösung. Carina Hagn sagte Ja. Heute hat das Restaurant eine Gault Millau Haube.

Der Weg dorthin war fordernd: „Es war alles Neuland“, sagt Hagn. „Und ein absoluter Sprung ins kalte Wasser. Es gab niemanden, den ich zur Gastronomie hätte fragen konnte. Wenn etwas schiefgegangen ist, hab‘ ich mir das anfangs schon sehr zu Herzen genommen.“ Ein Küchenchef, Carina Hagn und eine zweite Person im Service – so startete man 2009. Heute finden im Restaurant 100 Gäste Platz, noch einmal 60 auf der Terrasse. Die Crew in Restaurant und „Domizil“, dem Gästehaus, ist auf beinahe 20 Angestellte gewachsen. Und man kämpft mit Personalnot.

Weingut in Familienhand: Winzerfamilie Hagn aus dem Pulkautal
Weingut in Familienhand: Winzerfamilie Hagn aus dem Pulkautal. Foto: Weingut Hagn

„Druck macht man sich selbst“

Carina Hagn hat mit 25 Jahren nicht nur Winzersohn Wolfgang Hagn geheiratet, sie wurde damit auch Teil des Betriebs. Gerade die Restaurantleitung sei nicht geplant gewesen, sagt Hagn: „Während meiner Ausbildung hätte ich mir nichts weniger vorstellen können, als in der Gastronomie zu landen.“ Druck von der Familie hat sie selbst nie verspürt. Da sie ihren späteren Ehemann schon als Teenager kennengelernt hatte, war sie auch in den Sommerferien immer wieder helfend am Weingut unterwegs gewesen, kannte den Betrieb also gut, bevor sie das Restaurant übernahm. „Den Druck macht man sich selbst, weil man immer alles richtig und perfekt machen will“, sagt die 31-Jährige heute.

Die Realisierung, dass man nie alle zufrieden machen könne, egal wie sehr man sich auch ins Zeug legt, hilft der jungen Mutter über harte Zeiten. Auch das Bedürfnis, trotz vieler Arbeit am Weingut bestmöglich für ihre Kinder zu sorgen, führt gelegentlich zu Stress: „Ich habe von Anfang an mit Babysitterinnen gearbeitet, weil ich gerne wieder im Betrieb arbeiten wollte. Bis frühen Nachmittag meiner Arbeit nachgehen und danach meine volle Aufmerksamkeit den Kindern schenken. Natürlich hat man in Wochen, in denen man viel unterwegs ist und wenig Zeit hat, auch mal ein schlechtes Gewissen“, sagt Hagn.

Trends und Sortentypizität

Auch, oder gerade weil ein Business schon seit 300 Jahren besteht, sind Innovationswille und Zeitgeist wichtig, um am Ball zu bleiben. Die kantigen Linien des Weindomizils, große Glasfronten und die stilvolle Einrichtung des Restaurants sprechen zwar eine eigene Sprache, aber auch im Weinbau selbst tut sich etwas. „Nachhaltigkeit ist einer der Aspekte, die in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sind“, sagt Carina Hagn.

Fünf Weine stelle man bereits auf biologisch her, relevant sei aber vor allem die Gesundheit des Weingartens: „Man kann die Qualität des Weingartens im Weinkeller nicht verbessern. Wir müssen daher auf einen gesunden Boden und gesunde Trauben achten, nur so entstehen exzellente Weine.“ Auf den Trend der Orange Wines springen die Hagns indes nicht auf. man habe sich auf Sortentypizität spezialisiert. „Innovationen sind gut. Aber wir müssen nicht bei jedem Trend mitmachen“, sagt Hagn. Da bleibe man lieber bei seiner Expertise.

Moderne und Tradition: Das Weindomizil des Weingut Hagn aus Niederösterreich
Moderne und Tradition: Das Weindomizil des Weingut Hagn aus Niederösterreich. Foto: Weingut Hagn

Einfach ausgezeichnet

Für das Weingut läuft es gut – das zeigt auch die Vielzahl an Preisen und Auszeichnungen, die die Winzerfamilie derzeit abstaubt. Zwei Tage vor dem Interview holen sich die Hagns den Preis „Weingut des Jahres“ in Niederösterreich sowie die Auszeichnung zweier Landessiegerweine. Der Vineus zeichnete Carina Hagn mit dem Newcomer-Award für das beste Genusserlebnis am Weingut aus. Und auf der ProWein in Düsseldorf, einer internationalen Fachmesse für Wein und Spirituosen, konnte die Winzerfamilie sechs Auszeichnungen für ihre Weißweine mit nach Hause nehmen. Zwei Rotweine wurden 2022 von der Fachjury des SALON-Preises ausgezeichnet und zählen damit zu den besten Rotweinen Österreichs.

Und selbst abseits der Weinbau- und Küchenkunst brillieren die Hagns: Neben Klassikern wie Sauvignon Blanc und Grüner Veltliner stellt man beim Weingut Hagn nämlich auch Spirituosen selbst her. Der „WINZAGIN“ betört mit chinesischem Zimt, Schwertlilienwurzel und Curaçao-Schale. Den bekanntlich gibt es kaum noch ein Getränk, das in ist, solange kein Gin drin ist.


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