StartOpinionVielfalt als Versprechen – und nicht als Versprecher

Vielfalt als Versprechen – und nicht als Versprecher

Bad News zum Jahresbeginn: Immer mehr US-Konzerne schaffen ihre DEI-Programme ab. In Europa gibt man sich in diesem Punkt (noch?) zurückhaltend.

Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – kurz DEI – waren lange Zeit die Schlagworte, mit denen sich die US-amerikanische Unternehmenswelt als progressiv und zukunftsorientiert inszenierte. Doch inzwischen fahren zahlreiche Großkonzerne wie Microsoft, Meta und andere diese Programme systematisch zurück. Offiziell heißt es, die „rechtliche und politische Landschaft“ habe sich geändert. Doch die Wahrheit dahinter wirft ein ernüchterndes Licht auf den vermeintlichen Wertekanon der amerikanischen Wirtschaft.

Microsoft setzte als erstes ein breitenwirksames Signal. Bereits Ende 2023 verkündete das Unternehmen, Investitionen in DEI-Programme drastisch zu reduzieren. Mitte 2024 folgten Entlassungen im Diversity-Team. Ein interner Kritiker schrieb: „Echte Systemveränderungsarbeit, die mit DEI-Programmen überall verbunden ist, ist nicht mehr so geschäftsrelevant oder schlau wie im Jahr 2020.“ Doch Daten sprechen eine andere Sprache: Laut einer Studie von Morgan Stanley zeigen divers aufgestellte Unternehmen eine höhere Performance auf den Finanzmärkten.

Meta zog kurz darauf nach. Der Tech-Riese, der ohnehin bereits durch Lockerungen seiner Hassrede-Regeln und den Stopp von Faktenchecks auffällt, fährt seine DEI-Maßnahmen ebenfalls zurück. Mark Zuckerberg, einst Kritiker Donald Trumps, hat sich offenbar mit der politischen Strömung arrangiert, die vom frisch gewählten US-Präsidenten vorangetrieben wird. Ein gemeinsames Abendessen mit Trump in Mar-a-Lago und schon wurde das Ende der Faktenchecks bei FB und Instagram in den USA angekündigt, kurz darauf auch das Hintanstellen von DEI.

Warum dieser Rückschritt? Die Antwort liegt in der politischen und wirtschaftlichen Realität der USA. Mit Donald Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus werden Themen wie „Anti-Wokeness“ immer salonfähiger. Republikanische Politiker und Trump-nahe Tech-Größen wie Elon Musk machen keinen Hehl daraus, dass sie DEI-Initiativen als ideologischen Ballast betrachten, der ihre Vorstellung von Kapitalismus behindert.

Die Botschaft, die von diesen Entwicklungen ausgeht, ist fatal. Selbst so mächtige Unternehmen wie Microsoft und Meta zeigen, wie schnell ethische Prinzipien geopfert werden, sobald der politische Druck steigt. Dabei beweisen Studien das Gegenteil: Laut der International Labour Organization (ILO) berichten Unternehmen mit Geschlechtervielfalt von einer 20 Prozent höheren Arbeitszufriedenheit. Das zeigt, dass Diversität nicht nur moralisch richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

„Vielfalt und Gleichberechtigung sind keine Dekoration, die man nach Belieben abnehmen kann. Sie sind Grundwerte, die den Kern einer fairen und modernen Gesellschaft ausmachen.“

Und auch wenn Apple als einer der wenigen Tech-Giganten einen Gegenpol darstellt, indem er sich gegen Aktionärsforderungen zur Abschaffung der Diversitätsprogramme stellt, ist das Bild ernüchternd. Selbst Apples Haltung wirkt eher wie ein verzweifelter Versuch, eine ohnehin verloren geglaubte Schlacht zu gewinnen. Ein Regierungswechsel – schon droht der Backlash. Vielfalt und Gleichberechtigung sind jedoch keine Dekoration, die man nach Belieben abnehmen kann. Sie sind Grundwerte, die den Kern einer fairen und modernen Gesellschaft ausmachen.

In Europa zeigt sich (vorläufig noch) ein anderes Bild: Fachkräftemangel, Überalterung und EU-Aktionspläne treiben den Trend zu Diversität und Inklusion weiter voran. Dass diese Strategie nicht immer leicht umzusetzen ist, beschreibt Christina Bösenberg, Geschäftsführerin bei Capgemini Deutschland, in der neuen Ausgabe von sheconomy: „Ich habe gelernt, wie schwierig, aber auch wie notwendig es ist, Komfortzonen zu verlassen. Diversere Teams aufzubauen, stieß nicht immer auf Zustimmung, doch der Erfolg hat diese Entscheidungen langfristig bestätigt: Teams mit unterschiedlichen Perspektiven waren kreativer, widerstandsfähiger und nachhaltiger in ihren Ergebnissen.“

Während die USA zurückrudern, bleibt Europa hoffentlich weiterhin auf Kurs. Vielfalt ist mehr als ein Schlagwort – sie ist ein Versprechen, das gehalten werden muss.

 

Fotomaterial(c) Canva

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