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Transformation im Gange

Bittere Tatsache: Frauen finden in der Immobilienwirtschaft nicht die gleichen Chancen vor wie ihre männlichen Kollegen. Gleichberechtigung und Chancengleichheit werden zwar seit Jahren angestrebt, doch in der Realität bewegt sich leider wenig. Wir trafen vier Vertreterinnen der Branche, um über die Rolle der Frauen, den interessanten Berufsalltag und wichtige Schritte für die Zukunft zu sprechen.

Nadja Holzer ist bei der STC Development als Prokuristin unter anderem für die Bereiche Finanzierungen und Transaktionsmanagement zuständig sowie, aufgrund ihrer früheren Erfahrung als Anwältin, für sämtliche rechtlichen Aspekte der Projektentwicklung. „Zudem bin ich ehrenamtlich als Präsidiumsmitglied der VÖPE – Vereinigung Österreichischer Projektentwickler und Präsidentin der VÖPE Next tätig“, erklärt sie ihr Aufgabengebiet. Damit ist sie eine Ausnahmeerscheinung. Denn Frauen, die es in so einen hohen Verantwortungsbereich geschafft haben, gibt es in der Immobilienbranche nur wenige.

Nadja Holzer, STC Development, VÖPE/VÖPE next

Wie erklärt sie, dass zwar einerseits viele Frauen in der Ausbildung zu verschiedenen Immo-Berufen zu finden sind, dann andererseits aber am Karriereweg für diese Sparte verloren gehen? „Meiner Meinung nach trägt vor allem die Unternehmenskultur vielerorts dazu bei, dass es trotz ausreichend fachlich qualifizierter Frauen in vielen Unternehmen, gerade in den Führungsriegen, nach wie vor einen männlichen Überhang gibt.“

Das soll jedoch keineswegs bedeuten, dass die Unternehmenskultur generell schlecht sein muss, sondern, dass diese oft auch unbewusst auf Männer ausgerichtet ist. „Gerade traditionell eher autoritär ausgerichtete Führungsmodelle sind stark auf klassisch männliche Eigenschaften fokussiert, während modernere Führungsstile vermehrt auf klassisch weiblichen Stärken aufbauen. Auch wenn hier eine schrittweise Veränderung zu beobachten ist, nimmt die Transformation Zeit in Anspruch.“

„Mit der VÖPE sind wir dabei, eine Initiative ins Leben zu rufen, die den Austausch zwischen Projektentwickler*innen fördert.“

Umso wichtiger sind deshalb auch weibliche Führungskräfte, die eine Vorbildrolle für kommende Generationen einnehmen können. „Die Transformation zu einer ausgewogenen Geschlechterverteilung wird nur durch Zusammenarbeit funktionieren, indem Führungskräfte, egal welchen Geschlechts, eine Unternehmens- und Führungskultur etablieren, in welcher die jeweiligen Stärken aller Geschlechter gefördert werden. In der STC ist uns dies gelungen, und wir sind stolz, dass wir nicht nur generell unternehmensweit, sondern auch in den Führungsebenen echte Geschlechterparität haben“, erklärt Holzer.

Hinzu kommt – aufgrund der derzeit bestehenden Unausgeglichenheit – die Notwendigkeit der aktiven Förderung von Frauen. „Außerhalb des eigenen Unternehmens spielen hier Netzwerke eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund sind wir als VÖPE Next/VÖPE zum Beispiel gerade aktiv dabei, eine eigene Initiative ins Leben zu rufen, die den Austausch zwischen Projektentwickler*innen unterschiedlicher Unternehmen fördert“, so Holzer.

Zukunftsfeld Projektentwicklung

Karin Eichberger, Esterhazy Immobilien

Ein Feld, in dem Architektinnen ihr Potenzial voll ausschöpfen können, ist die Projektentwicklung. Hier werden alle Maßnahmen gesetzt, die wichtig sind, um ein Immobilienprojekt zu realisieren. Clara Vukovich und Karin Eichberger etwa sind im Entwicklungsbereich bei Esterhazy Immobilien tätig und geben Einblick in ihre interessanten Aufgaben.

Als Juniorprojektentwicklerin beschäftigt sich Vukovich mit der Projektentwicklung von Neubau über Sanierungen von Bestandsgebäuden bis hin zur Entwicklung von Masterplänen für gesamte Stadtviertel. „Bei der Vorbereitung von Projekten wirke ich bei der Erarbeitung der Idee und den Projektzielen im Zuge der Projektvorbereitung bis zur Planung und Ausführung mit. Weiters entwickeln wir aktuell im Großraum Eisenstadt ein großes Quartier neu, was langfristig zur Lebensqualität in der Umgebung beitragen wird.

„Es muss aufgezeigt werden, wie vielfältig die Aufgaben in der Projektentwicklung sein können.“

Hand in Hand mit der Projektentwicklung erfolgt die Abwicklung, welche maßgeblich für die Umsetzung von geplanten Projekten ist. „Mit meiner langjährigen Erfahrung als Architektin und meiner Berufserfahrung bei Esterhazy Immobilien als Projektleiterin weiß ich, dass die Erwartung der Region an uns sehr hoch ist. Geschaffene Objekte müssen über Generationen bestehen, was voraussetzt, dass auch in der Abwicklung an alle Notwendigkeiten gedacht wurde. Dies umfasst eine penible Terminisierung sowie die Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden und Firmen“, erklärt Karin Eichberger.

Carla Vukovich, Esterhazy Immobilien

Die Zusammenarbeit mit Menschen und die Möglichkeit, im Gemeingang etwas zu erschaffen, was anderen Freude bereitet, sei für sie ein sehr hoher Motivationsfaktor. Um mehr Frauen für diese Berufe zu gewinnen, müsste laut Vukovich aufgezeigt werden, wie vielfältig die Aufgaben in der Projektentwicklung sein können. „Ich habe das Glück, in einem Unternehmensbereich tätig zu sein, der mir die Möglichkeit gibt, Bereiche wie die Grundstücksakquise, die Realisierung der Projektidee bis hin zur Vermarktung und den Kontakt zu Ausführenden sowie Kund*innen erleben zu können. Ein Projekt von Kinderschuhen an wachsen zu sehen und schlussendlich das Gefühl zu erleben, dass man Lebensraum aktiv mitgestaltet hat, gibt nicht nur der Arbeit einen übergeordneten Sinn, sondern bereitet auch große Freude.“

Image- und Kulturwandel

Sabine Müller ist als Chief Innovation und Marketing Officer bei Value One Holding tätig. „Meine Aufgabe ist es, neue Trends zu erkennen und diese in Lösungen für unsere Immobilienprojekte umzusetzen. Ich leite die Bereiche Innovation und Kommunikation für die gesamte Gruppe und entwickle Immobilienkonzepte, die auf die Bedürfnisse unserer Zielgruppen zugeschnitten sind“, erklärt sie ihre Tätigkeit.

Sabine Müller, Value One

Um mehr Frauen für die Projektentwicklung zu gewinnen, sind ihrer Ansicht nach folgende Maßnahmen wichtig: „Es ist essenziell, den Gendergap in der Branche offenzulegen und Frauen innerhalb von Unternehmen gezielt zu fördern. Es ist wichtig, die Vorteile und das wirtschaftliche Potenzial von diversen Teams, insbesondere in Führungspositionen, hervorzuheben.“ Weiters spielt das Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle: Als Frau in einem von Männern dominierten Feld ist es zentral, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben. „Dieses Selbstvertrauen ist es, das uns vorantreibt, Herausforderungen zu akzeptieren und erfolgreich zu bewältigen“, so Müller.

„Role Models inspirieren und zeigen, welche Wege in die Projektentwicklung führen können.“

Engagement und Hartnäckigkeit seien ebenfalls unverzichtbar, so Müller. „Persönlich war ich immer bereit, das Extra zu gehen, manchmal auch, weil ich das Gefühl hatte, als Frau mehr leisten zu müssen, um Anerkennung zu finden. Nicht zuletzt ist das Sichtbarmachen von weiblichen Vorbildern in der Branche von großer Bedeutung. Role Models spielen eine inspirierende Rolle und zeigen jungen Frauen auf, welche Wege in die Projektentwicklung führen können.“

Welche Schritte sieht sie für die Zukunft? Insgesamt braucht es einen Image- und Kulturwandel der Branche – immerhin sind wir Immobilienentwickler*innen vor allem Lebensraumentwickler*innen mit großer Verantwortung für unsere Städte und die Menschen, die darin leben. Die Ausbildung kann hier einen positiven Beitrag leisten, in dem Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung in der Projektentwicklung und ähnliches in den Lehrplan mit aufgenommen werden“, ist Müller überzeugt.


VÖPE und sheconomy engagieren sich für mehr Frauen in der Immobranche

VÖPE, die Vereinigung österreichischer Projektentwickler, und VÖPE Next haben gemeinsam mit sheconomy eine Initiative gestartet, die für eine Verbesserung der aktuellen Situation sorgen soll. Gemeinsam mit sogenannten Real Estate Equality Allies und Leaders (REEA+L) werden in verschiedenen Formaten Herausforderung und Hürden am Weg zu mehr Diversität identifiziert und mögliche Lösungswege erarbeitet.

Eine der Prioritäten der Initiative ist das Gewinnen von „Alliierten“, sogenannten „Allies“. Das Bewusstsein für die positiven Effekte von Frauen in Führungspositionen in erfolgreichen Immobilienunternehmen soll geweckt und gestärkt werden. Erst mit diesem Bewusstsein wird ein Klima geschaffen und werden Rahmenbedingungen kreiert, die helfen werden, das Potenzial zu nützen. Aber auch die Identifikation von „Leaders“ und die Präsentation als Role Models ist zentrale Aufgabe der Initiative.

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