Ein Grund, warum ich den Hashtag #lovemyjob in meinem Instagram-Profil nutze, sind die Gespräche mit großartigen Interview-Partner:innen. Egal auf welcher Karrierestufe, aus welcher Branche oder in welchem Alter, alle haben mindestens eine spannende Geschichte zu erzählen. Aus den gesammelten Informationen darf ich Stories schreiben, aber auch für mich persönlich viel mitnehmen. Was für ein Privileg.
Dass ich dieses Vorrecht oder Vorteil, der bestimmten Personengruppen zuteil wird – so eine Definition für den Begriff Privileg – genießen darf, ist nicht selbstverständlich. Ich komme aus einer ländlichen Gegend. Meine Wurzeln liegen im Osten von Deutschland, aber ich durfte mit Meinungsfreiheit aufwachsen, weil meine Großeltern mutige Entscheidungen getroffen haben. Vor allem aber bin eine von vielen Frauen meiner Generation, die zu den ersten Akademikerinnen in der Familie zählen. Das alles ist Glück und Verantwortung zugleich.
Lange wurde der soziale Hintergrund als Diversity-Dimension nicht wahrgenommen oder von Unternehmen berücksichtigt. Das gilt auch für den Journalismus. Zwar sind hier viele Frauen beschäftigt, aber Medien werden noch immer überwiegend von weißen Akademiker:innen gestaltet. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltung droht, müssen wir hier dringend gegensteuern und uns vielfältiger aufstellen.
Ob auf der Karrieremesse herCAREER, der Female Media Night oder den Medientagen in München: Das Bewusstsein für die eigenen Privilegien unter Entscheider:innen steigt und wird zunehmend öffentlich diskutiert. Dabei öffnete mir der Appell von Natalya Nepomnyashcha noch einmal die Augen. Die Gründerin des „Netzwerk Chancen“ wurde in Kyiv geboren und wuchs in einem sozialen Brennpunkt in Bayern auf. Heute ist sie als Vorreiterin für Chancengleichheit, Bildungsaufstieg und soziale Diversität eine gefragte Speakerin, aber auch ein gern gesehener Gast auf Galas, Dinnerparties und anderen Events. Und genau hier macht sie vor, wie einfach es gehen kann, die eigenen Privilegien zu teilen: Sie nehme bei Einladungen, die für zwei Personen gelten, nicht ihren Partner als Begleitung mit. Stattdessen gehe sie mit jemandem, die oder der sonst nicht die Möglichkeit hätte, auf diese Weise gesellschaftliche Codes kennenzulernen und wertvolle Kontakte zu knüpfen, berichtete sie auf der herCAREER in München.
Auch Mina Saidze, die als Gründerin einer Beratung in der Tech-Industrie für mehr Diversity, Equity und Inclusion eintritt, macht in ihrem neuen Buch „FairTech – Digitalisierung neu denken für eine gerechte Gesellschaft“ auf das Ungleichgewicht aufmerksam. „Nur durch Teilhabe entsteht Gerechtigkeit. Und einer der wichtigsten Schlüssel einer zukunftsorientierten Gesellschaft ist Technik“, schreibt die Autorin. Doch wenn es vom Elternhaus abhänge, welche:r Schüler:in einen Laptop habe, werde davon die gesamte Laufbahn beeinträchtigt, so Mina Saidze. Diese Spaltung können und sollten wir uns nicht mehr leisten.
Gegensteuern, wo es im eigenen Radius geht, Aufmerksamkeit schaffen, Spenden sammeln, Menschen für Chancengleichheit sensibilisieren, sich die eigenen Privilegien klarmachen – vielleicht ein guter Anstoß für diese Woche und die anstehenden Event-Monate?