StartBusinessKarriereSollten wir unsere Zukunft anders denken?

Sollten wir unsere Zukunft anders denken?

Im neuen Beitrag unserer Serie – Sheconomy X Mission Female – beschreibt Unternehmensberaterin Miriam van Straelen den Balanceakt zwischen Frauenstärkung, Männerkränkung und dem Machtspiel der Geschlechter.

Als ich meine Karriere vor 20 Jahren begann, stieß ich auf zahlreiche Herausforderungen und Widerstände, die sich aus traditionellen Geschlechterrollen ergaben. Heute, zwei Jahrzehnte später, beobachte ich erstaunt, dass junge Frauen häufig noch mit denselben Herausforderungen konfrontiert sind. Allerdings haben sich die Spielregeln geändert. Die offenen, dreisten Kommentare von damals („Na Püppi, wie kann ich dir helfen?“ – Echtes Zitat. Gut gemeint und von einem mir wohlgesinnten Kollegen gesagt, und dennoch respektlos und einfach daneben) haben für eine subtile Form von Diskriminierung Platz gemacht. Diese subtile Form der Diskriminierung, die schwer zu erkennen ist, stellt eine besondere Herausforderung dar. Verletzende Worte, die oft dazu dienen, traditionelle Machtverhältnisse wiederherzustellen, sind bedauerlicherweise noch immer allgegenwärtig – insbesondere in Deutschland und im beruflichen Umfeld. Der aktuelle Geschlechterkampf wird in der Mikropolitik ausgefochten und ist daher weniger offensichtlich, aber umso schmerzhafter und frustrierender.

Der aktuelle Geschlechterkampf wird in der Mikropolitik ausgefochten und ist daher weniger offensichtlich, aber umso schmerzhafter und frustrierender.

Studien belegen: Frauenanteil von 50 % ist ideal

Obwohl wir große Fortschritte in Bezug auf Female Empowerment und Diversität gemacht haben, gibt es immer noch Barrieren und Hindernisse, die Frauen davon abhalten, ihr volles Potential auszuschöpfen. Eine Studie („The More, the Better? A Four-Nation Study of the Inclusion of Women in Symphony Orchestras“) aus dem Jahre 1995 an der die renommierte Soziologin Prof. Dr. Jutta Allmendinger beteiligt war, deutet darauf hin, dass es einen idealen Frauenanteil in einem Symphonieorchester gibt. Dieser Anteil liegt zwischen 30 und 50 %. Es müssen mindestens 30 % sein, denn sind es weniger Frauen, kommen sie nicht zum Tragen, gehen in der Männerwelt buchstäblich unter. Bei 30 % haben Frauen eine Stimme, unterstützen sich wenn nötig gegenseitig, um gehört zu werden. Ideal ist dann tatsächlich, oh Wunder!, 50 %. Das Orchester spielt besser, die Harmonie stimmt im direkten und indirekten Sinne, alle Musiker haben Spaß bei der Arbeit und sind damit auch insgesamt erfolgreicher. Dies gilt auch für Unternehmen. Es gibt genug weitere Studien, welche die Vorteile von Diversität belegen und demonstrieren, dass Unternehmen mit nahezu gleicher Geschlechterverteilung erfolgreicher sind. Dennoch bleibt die Erreichung dieser Quote eine zähe Herausforderung. Es droht m.E. sogar mittlerweile eine Destabilisierung des friedlichen Miteinanders, da mit einer steigenden Anzahl von Frauen manche Männer zu starke Benachteiligungen wahrnehmen.

Ein früherer Kollege, Anfang 50 und derzeit arbeitssuchend, erzählte mir, dass er Absagen erhält, da die Unternehmen die ausgeschriebenen Stellen vorzugsweise mit Frauen besetzen möchten. Seine Frustration ist nachvollziehbar. Selbst erwerbstätige Männer spüren vermehrt die wahrgenommene Kehrseite des Wandels. Obwohl es in der Gesamtbetrachtung ein Tropfen auf den heißen Stein ist, rücken Frauen immer öfter ins Rampenlicht, werden häufiger befördert und genießen möglicherweise mehr Privilegien. Privilegien, die Frauen Jahrhunderte nicht hatten und die sich für die Männer als normal und selbstverständlich anfühlten. Der gegenwärtige Mann mittleren Alters war anders aufgewachsen und heute lacht auch keiner mehr über die schlechten Chauvi-Witze. Ich erinnere mich, früher mitgelacht zu haben, um nicht negativ aufzufallen. Mein Motto damals war, mit dem Strom zu schwimmen und fleißig zu sein. Erst als ich meine Einstellung änderte und nicht mehr die zuvorkommende Kollegin war, die für alle die Getränke besorgte, die benutzten Gläser nach Meetings in die Küche brachte und das Whiteboard reinigte (so war ich erzogen worden), gewann meine Karriere an Fahrt. Allerdings musste ich dazu erst das Unternehmen wechseln, um dort mit meinem neuen „Ich“ durchstarten zu können.

An der Spitze geht der Kampf erst richtig los

Die Frauen, die es bis an die Unternehmensspitzen geschafft haben, haben häufig jedoch nicht das Gefühl, angekommen zu sein. Das höre und beobachte ich von zahlreichen Bekannten in Spitzenpositionen. Noch vor einigen Jahren hätte ich angenommen, dass, wenn eine Frau es bis ganz nach oben schafft, sie es tatsächlich auch geschafft hat. Man könnte meinen, dass es dann einfacher wird, dass Frau bewiesen hat, gleichermaßen qualifiziert wie ihre männlichen Pendants zu sein. Heute erscheint es mir jedoch eher, als würde der Kampf dann erst richtig losgehen.

Die Schlagzeilen sind gefüllt mit „gescheiterten Frauen in Führungspositionen“. Warum diese Wortwahl? Es scheint fast eine gewisse Schadenfreude oder ein „Wir wussten es ja schon immer“ mit zu schwingen. Wer hinterfragt eigentlich, warum Spitzenmanagerinnen Unternehmen oder politische Ämter verlassen? Sicherlich nicht, weil sie weniger qualifiziert oder kompetent sind. Meine Hypothese ist, dass Unternehmen (meistens darin die Männer) Frauen auf Positionen setzen, um eine Quote zu erfüllen, weil sie es müssen und es erwartet wird. An dieser Stelle möchte sich keiner angreifbar machen. Doch sobald diese Frauen ihre Positionen erreicht haben, werden sie oft nicht inkludiert. Männer unterstützen und fördern einander in sogenannten „Boys Clubs“ – den unsichtbaren Männernetzwerken. Hier bleiben die Frauen außen vor. Inklusion ist schwierig zu messen, findet daher weniger statt und eine Quote gibt es dafür demnach sowieso nicht.

Frauen werden lauter

Aber Inklusion ist zentral für echte Diversität! Es scheitert jedoch oft an unbewussten Vorurteilen und Ängsten. Menschen tendieren dazu, Ähnliches zu bevorzugen, was Stellenbesetzungen und Beförderungen beeinflusst. Dies nennt man den „similar- to-me bias“. Dies ist zwar nachvollziehbar, aber dennoch unfair und diskriminierend, wenn auch unbewusst. Autor Tobias Haberl bietet eine weitere Perspektive. In seinem Bestseller „Der gekränkte Mann“ zitiert er einen Slogan der Männerrechtsbewegung der 90er Jahre: „Wenn Du Privilegien gewohnt bist, fühlt sich die Gleichheit wie Unterdrückung an“. Könnte das ein Teil des Problems sein? Das Teilen impliziert auch das Aufgeben, was oft widerstrebt und die wachsende Präsenz und Stärke von Frauen kann dann als Bedrohung wahrgenommen werden.

Sind wir Frauen vielleicht zu ungeduldig in einer Zeit, in der das Fass zu überlaufen droht? Braut sich eventuell gerade der perfekte Sturm zusammen?: Der Frauenanteil wächst, Frauen werden lauter, Quoten treten in Kraft und Männer in Schlüsselpositionen durchleben ihre midlife crisis. Männer, die in einer Ära aufgewachsen sind, in der die Autoritäten vorwiegend männlich waren, während Frauen oft in untergeordneten Rollen zu finden waren.

Inklusion als Schlüssel für echte Chancengleichheit

Die Bewegung zur Chancengleichheit und Gleichberechtigung ist eingeleitet, wir haben bereits Einiges erreicht und das ist auch gut so. Doch für eine nachhaltige Diversität, bei der das Gesamtergebnis jeden individuellen Verlust übersteigt, müssen wir den Fokus auf Inklusion legen. Echte Chancengleichheit setzt erst ein, wenn Frauen nicht nur repräsentiert, sondern vollständig einbezogen sind.

Unser Ziel sollte eine Gesellschaft sein, in der die Stärkung eines Geschlechts nicht als Bedrohung des anderen empfunden wird, sondern als Fortschritt hin zu einer gerechteren, ausgewogenen Welt.

Unser Ziel sollte eine Gesellschaft sein, in der die Stärkung eines Geschlechts nicht als Bedrohung des anderen empfunden wird, sondern als Fortschritt hin zu einer gerechteren, ausgewogenen Welt. Der Schlüssel zu einer harmonischen Gesellschaft liegt für mich im offenen, ehrlichen Dialog zwischen Männern und Frauen. Nur indem wir die Bedürfnisse und Ängste des anderen verstehen und respektieren, können wir eine auf Gleichheit, Gerechtigkeit und Inklusion ausgerichtete Gesellschaft formen.

Nelson Mandela hat gesagt: „Unsere Vielfalt in Bezug auf Rasse, Stamm und Kultur ist nicht eine Schwäche, sondern eine Stärke. Es ist keine Hindernis, sondern eine Quelle unserer größten Kreativität.“


Über die Autorin

Mission Female Member Miriam van Straelen ist eine Strategin, die praxisorientierte Lösungen entwickelt. Dabei greift sie auf ihre umfassenden Erfahrungen in den Bereichen der Strategieentwicklung und -umsetzung, Unternehmens- und Geschäftsentwicklung sowie dem Produktmanagement und den Rollouts von neuen Produkten in digitalen Geschäftsfeldern zurück. In den letzten 15 Jahren war Miriam für die Strategie, das Design, den Aufbau, das Wachstum als auch die Skalierung von digitalen Produkten und Dienstleistungen verantwortlich. Der Fokus lag vor allem auf Geschäftsfeldern wie Fintech, Konsumgüter, Einzelhandel und dem Gesundheitswesen.

Als Gründerin, Unternehmerin und erfahrene Führungskraft fühlt sie sich gleichermaßen in der Arbeit mit Start-ups als auch mit multinationalen Unternehmen wohl. Leistungsstarke Teams zu bilden, zu führen und dabei das Beste aus den Menschen herauszuholen gibt ihr Motivation.

Miriams Ziel ist es, Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden und Unternehmen durch die Entwicklung von Strategien, welche ein Benchmark setzen, zu fördern.

Branche: Unternehmensberatung
Stadt: Berlin


Mission Female GmbH

Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.

https://www.missionfemale.com/ 

Warum du für eine Karriere nicht perfekt sein musst

Fotomaterial© Caroline-Pitzke
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