Viktoria Schnaderbeck ist Kapitänin des österreichischen Frauenfußballnationalteams. Nach zehn Monaten verletzungsbedingter Pause feierte sie vor kurzem ihr Comeback. Im Interview mit SHEconomy spricht Viktoria Schnaderbeck über Rückschläge, den Gender Pay Gap im Fußball und darüber, ein Vorbild zu sein.
SHEconomy: Sie waren in Ihrer Karriere schon acht Mal schwer verletzt. Erst Ende September haben Sie Ihr Comeback am Spielfeld gemacht nachdem Sie viele Monate in Reha waren. Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?
Viktoria Schnaderbeck: Rückschläge kommen immer unvorbereitet und hart, es ist unmöglich sich daran zu gewöhnen. Ich habe im Laufe meiner Karriere allerdings gelernt, dass man eine Sache selbst beeinflussen kann, und das ist das Mindset. Mittlerweile weiß ich genau, wie ich mit Rückschlägen umgehe: Ich versuche immer auf meinen Körper und auf mein Herz zu hören. Ich setze mir Ziele, die ich auf kleine Meilensteine herunterbreche und reflektiere sehr viel über meine Situation. Außerdem versuche ich stets im Hier und Jetzt zu leben und Situationen so anzunehmen, wie sie sind. Dieses Mindset hilft mir auch abseits des Sports, weil ich weiß: So schnell wirft mich nichts um.
Sie sind seit acht Jahren Mannschaftskapitänin der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft. Was haben Sie in dieser Zeit über Leadership gelernt?
Als ich zum ersten Mal zur Kapitänin gewählt wurde, war ich 22 Jahre alt – also noch sehr jung. Mittlerweile zähle ich zu den älteren und erfahrenen Spielerinnen, deshalb hat sich meine Rolle als Kapitänin über die Jahre auch sehr verändert. Während ich zu Beginn sehr stark am Platz als Vorbild fungiert habe, nehme ich jetzt auch abseits des Spielfelds eine leitende Position ein: in Verhandlungen, aber auch in der Repräsentation des Mädchen- und Frauenfußballs in Österreich. Ich sehe es auch in meiner Verantwortung, jüngere Spielerinnen gut in die Mannschaft zu integrieren und sie ins Boot zu holen, um für ein gutes Klima zu sorgen. Meine Rolle ist vielfältig und ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst, ihr über das Spielfeld hinweg gerecht zu werden.
Sehen Sie sich selbst also als Vorbild für junge Frauen?
Ich sage ungerne über mich selbst, dass ich ein Vorbild bin. Aber ich bin natürlich eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, und kann somit sehr viele Personen erreichen. Deshalb ist es mir so wichtig, dass ich meine Leistung nicht nur am Platz erbringe, sondern mich darüber hinaus für Themen einsetze, die mir wichtig sind: die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft, Diversität, Inklusion und LGBTQIA+. Es ehrt mich, wenn mir gesagt wird, dass ich für jemanden ein Vorbild bin. Und es führt mir vor Augen, dass es sich immer lohnt, sich für andere einzusetzen.
Sie waren die erste österreichische Fußballspielerin, die ihr Coming-Out öffentlich gemacht hat. Wie war das für Sie?
Ich wollte mich nicht mehr verstecken, sondern mich endlich frei fühlen. Eine Rolle gespielt hat auch, dass dieses Thema in Österreich immer noch stark tabuisiert ist. Die Menschen akzeptieren es zwar, wenn jemand homosexuell ist, es wird aber einfach noch kaum darüber gesprochen. Dem wollte ich bewusst entgegenwirken. Außerdem wollte ich aufgrund meiner Vorbildfunktion auch in der Öffentlichkeit zu mir selbst stehen. Ich dachte mir: Auch wenn ich nur fünf Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, damit helfen kann, dann habe ich schon gewonnen.
Irland, Dänemark, Australien – all diese Länder haben bereits die gleiche Bezahlung für weibliche und männliche Fußballer*innen eingeführt. Wann wird es in Österreich endlich soweit sein?
Equal Pay haben wir in Österreich noch nicht, aber wir kommen dem Ganzen immer näher. Erst vor kurzem hatten wir Vertragsverhandlungen mit unserem Verband und sind einen guten Schritt vorangekommen. Obwohl wir diesmal von Seiten des Verbandes endlich Unterstützung bekommen haben, musste unsere Mannschaftsratsgruppe sehr stark kämpfen. Es kam uns nicht zugeflogen: Wir haben argumentiert und uns immer und immer wieder gerechtfertigt. Bevor wir überhaupt von einer Gleichstellung der Gehälter sprechen können, geht es erstmal um eine Gleichstellung der Rahmenbedingungen. Um aber eine annähernde Gleichstellung in den Fußball-Gehältern zu erreichen, wäre eine stärkere Transparenz notwendig.
Sie vergleichen den Frauenfußball gerne mit Startups. Welche Parallelen sehen Sie?
Es gibt unglaublich viele. Frauenfußball wurde lange stiefmütterlich behandelt, aber mittlerweile haben viele (Lizenz-)Vereine bereits eigene Frauenfußballmannschaften. Es wird endlich das Potential erkannt. Um allerdings national und international wirklich mithalten zu wollen, braucht es nicht nur Commitment, sondern auch finanzielles Investment und Ressourcen. Ähnlich wie bei Startups.
Was wissen Sie heute, das Sie gerne zu Beginn Ihrer Karriere gewusst hätten?
Ich hätte mich wahrscheinlich davor gewarnt, dass eine Karriere alles andere als linear verläuft. Sie besteht nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Rückschlägen. Ich hätte mich auch darauf vorbereitet, dass ich als einziges Mädchen in einer Jungsmannschaft mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben werde. Andererseits waren all diese Dinge gute Learnings fürs Leben. Deshalb hätte ich mich dazu ermutigt und bestärkt, dass es sich immer lohnt hart zu arbeiten und immer wieder aufzustehen. Heute bin ich stolz, dass ich immer gekämpft und durchgehalten habe.