StartBusiness"Als Unternehmerin genieße ich die Freiheit, etwas zu bewegen"

„Als Unternehmerin genieße ich die Freiheit, etwas zu bewegen“

Ruth Schöllhammer, Vorständin des Deutschen Gründerverbandes und selbst Unternehmerin zeigt im Interview, wie Selbständige strategisch und finanziell durch die herausfordernde Wirtschaftslage navigieren können und welche Schritte jetzt besonders erfolgskritisch sind.

Die wirtschaftliche Lage ist derzeit für viele herausfordernd. Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht, an einer Selbstständigkeit festzuhalten oder sich selbständig zu machen?

Warum nicht groß denken? Selbständigkeit ist in der Tat aufregend und herausfordernd, und ich kann alle verstehen, die sich in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zweimal überlegen, diesen Schritt zu wagen. Den perfekten Zeitpunkt wird es jedoch nie geben. Es ist eine Entscheidung für ein Lebensmodell. Als Unternehmerin genieße ich die Freiheit, meine Träume und Ideen zu verwirklichen, etwas zu bewegen und nachhaltig wirksam zu sein. 9 von 10 Gründer*innen würden diesen Schritt immer wieder wählen – und ich gehöre definitiv dazu.

Was hat Sie bewogen, aus dem Konzern hinein in die Gründung zu gehen?

Ich habe die Zeit im Konzern nie bereut, im Gegenteil. Ich habe dort sehr viel gesehen und gelernt. Mit der Zeit wurde mir jedoch klar, dass ich meine eigenen Ideen und Visionen nur als Unternehmerin vollständig verwirklichen kann. Ich bin dann meiner Leidenschaft für den jungen Mittelstand gefolgt. In diesem Prozess habe ich meine Mitgründer kennengelernt. Ihre frischen Perspektiven, ihre Professionalität und unser gemeinsames Ziel haben uns zusammengebracht – und die Begeisterung für die gleiche Sache. Gemeinsam haben wir dann Smartaxxess gegründet.

Wie hat sich die Selbstständigkeit verändert?

Auch bei den jungen Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, bemerken wir ähnliche Trends wie in der gesamten Wirtschaft: Zunehmende Unsicherheit und strengere Regulierung. Diese Unsicherheit schränkt die Handlungsspielräume für Gründerinnen und Gründer ein. Umso wichtiger ist es, präzise zu planen und in das Controlling zu investieren.

Regulierungen sind nicht ausschließlich negativ, da sie oft auch dem Schutz der Unternehmen dienen. Dennoch bedeuten sie zusätzlichen Aufwand. Auch auf der Seite unserer Partner, wie beispielsweise Banken, werden die Spielräume enger, da auch sie verstärkten externen und internen Vorschriften unterliegen. Insgesamt gilt: Man muss sich gut vorbereiten und ist gut beraten, frühzeitig zuverlässige Partner an Bord zu holen.

Sie sind Expertin für Finanzierungen. Können Sie bitte skizzieren, für wen sich welche Form eignet – gerade auch in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation?

Ja, als Gründerin und Vorstand von smartaxxess kenne ich die Erwartungen der Finanzierungspartner, seien es Investoren oder Banken, genau – und auch die Schwierigkeiten. Im Prinzip stehen Dir, wenn Du ein Unternehmen gründest und erste Erfolge feierst, mehrere Finanzierungsoptionen offen: Eigenkapital durch Ersparnisse oder die Aufnahme von Business Angels und Investoren sowie Fremdkapital in Form von Krediten. Jede Option bringt eigene Chancen und Risiken mit sich.

Eigenkapital: Achte darauf, niemals dein gesamtes Eigenkapital in das Unternehmen zu investieren. Ohne Reserven wirst Du schwerer Investoren oder Banken finden, die Dich unterstützen.

Business Angels: Dies sind oft ehemalige Unternehmer, die nicht nur Kapital, sondern auch ihr Wissen und ihre Netzwerke in junge Unternehmen investieren, meist in sehr frühen Phasen wie Pre-Seed oder Seed. Sie bieten strategische Unterstützung und helfen beim Aufbau von Partnerschaften und Marktzugängen.

Venture-Capital-Firmen hingegen investieren größere Summen in der Regel in späteren Phasen. Sie fokussieren sich stark auf finanzielle Renditen und stellen oft hohe Anforderungen an die Unternehmen. Es kann Monate dauern und zahlreiche Pitches erfordern, um eine Finanzierung zu sichern.

Fremdkapital: Betriebsmittelkredite sind kurz- bis mittelfristige Darlehen mit höheren Zinssätzen zur Finanzierung des laufenden Geschäfts. Investitionskredite finanzieren langfristig Anlagevermögen wie Maschinen oder Immobilien und nutzen diese als Sicherheiten. Allerdings gelten junge Unternehmen als risikoreich und haben oft Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten. Banken verlangen eine einwandfreie Bonität und Sicherheiten wie Grundschulden oder Bürgschaften. Der Kreditprozess kann bis zu drei Monate dauern, und bestimmte Branchen sind oft ausgeschlossen.

Förderkredite, z.B. von der KfW Bank, unterstützen Gründer und junge Unternehmen in den ersten Jahren. Sie sind zweckgebunden, tilgungsfrei in der Anfangszeit und bieten niedrigere Zinssätze. Der Antrag wird von der Hausbank geprüft und später von der KfW bzw. Förderbank bestätigt. Für die Hausbank sind diese Kredite in der Regel wenig attraktiv.

Bürgschaftsbanken prüfen das Geschäftskonzept und stehen als Bürgen für Geschäftsbanken bereit. Dabei fallen zusätzliche Gebühren von bis zu 1,75% der Kreditsumme an. Der gesamte Prozess dauert auch ca. drei Monate, besonders wenn eine erneute Prüfung durch die kreditgebende Bank erforderlich ist.

Welche Tipps haben Sie speziell für Frauen, die eine Finanzierung für ihre Gründung suchen?

Viele Frauen neigen dazu, bei der Finanzplanung zu bescheiden zu sein. Denkt daran, dass Euer Unternehmen nicht nur Leidenschaft, sondern auch Lebensgrundlage sein sollte – einschließlich Altersvorsorge. Berechnet genau, was Ihr wirklich benötigt, um erfolgreich zu sein, und lasst Euch nicht von dem leiten, was Ihr glaubt, dass Banken, Investoren oder Förderprogramme erwarten. Setzt auf eine realistische und selbstbewusste Finanzplanung, die Eure Bedürfnisse und Ziele widerspiegelt

Wie bleiben Sie in Ihrem Fachgebiet immer auf dem Laufenden?

Allein der Austausch mit Gründern, Gründerinnen, Unternehmern und Geschäftspartnern ist dafür schon wertvoll. Dadurch muss ich mich ständig mit neuen Fragen und Themen befassen. Ich gehe auch regelmäßig auf Veranstaltungen, Messen und Startup-Festivals. Fachspezifische Newsletter und LinkedIn sind ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für mich.


Ruth Schöllhammer ist Unternehmerin und Vorständin des Deutschen Gründerverbandes. Nach einer erfolgreichen Laufbahn in der Medienbranche gründete die studierte Literaturwissenschaftlerin im Jahr 2019  gemeinsam mit Dr. Kai Flehmig-Pichlmaier und Mark Tom Pösken das Münchner Startup Smartaxxess. Das Unternehmen bietet jungen Unternehmen, Gründerinnen und Gründern eine digitale Plattform, die Finanzierung, Versicherung und Beratung zentral abdeckt. Es erleichtert den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und soll die Erfolgswahrscheinlichkeit von Geschäftskonzepten erhöhen.

Fotomaterial© smartaxxess

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