StartInnovation„Neubauten dürfen nicht Altlasten werden.“ - Ministerinnen Gewessler und Schreyer im Interview

„Neubauten dürfen nicht Altlasten werden.“ – Ministerinnen Gewessler und Schreyer im Interview

Wohnen muss leistbar bleiben! – dafür setzen sich Leonore Gewessler, österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und Kerstin Schreyer, Bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, ein. Welche Rolle der Klimaschutz bei den Bauvorhaben in Österreich und Bayern spielt und was man mit Förderungen bewirken will, erzählen die beiden Ministerinnen im Interview mit SHEconomy.

SHEconomy: Welchen Stellenwert hat ein effizienter und klimafreundlicher Wohnbau, um die Leistbarkeit von Wohnungen sicherstellen?

Leonore Gewessler: Klimafreundlicher Wohnraum ist eine zentrale Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Wir wissen, dass gerade Menschen mit geringeren Einkommen besonders unter den Folgen der Klimakrise leiden, beispielsweise, weil die Wohnungen schlechter gedämmt sind oder überhitzen. Gerade jetzt ist die Gelegenheit zum Umsteuern gegeben. Dabei stellen wir uns nicht nur den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, sondern auch der drohenden Klimakatastrophe entgegen. Mit dem Rekordbudget der Sanierungsoffensive fördern wir den Tausch von alten klimaschädlichen Heizsystemen und die klimafreundliche Sanierung von Gebäuden. Weitere 100 Millionen Euro sind gezielt für einkommensschwache Haushalte vorgesehen.

Kerstin Schreyer: Als Freistaat bauen wir mit unseren drei Wohnungsbaugesellschaften selbst und fördern private und kommunale Bauherren kräftig. In den Programmen der Wohnraumförderung stehen heuer voraussichtlich knapp 850 Millionen Euro zur Verfügung. Schwerpunkte der Förderung sind dabei der Bau und die Modernisierung von bedarfsgerechten Mietwohnungen sowie die Bildung von Wohneigentum. Im Modellvorhaben des experimentellen Wohnungsbaus „Effizient Bauen, leistbar Wohnen“ begleiten und fördern wir den Bau innovativer Wohnkonzepte für mehr bezahlbaren Wohnraum. Mit beispielhaft günstigen Miet-Wohnungen tragen wir so zur Leistbarkeit des Wohnens bei.

Sind Wohnungen im öffentlichen Eigentum die Lösung, um auch einkommensschwachen und jungen Familien leistbares Wohnen zu ermöglichen?

GewesslerGerade für einkommensschwache Menschen sind Wohnungen im öffentlichen Eigentum und der gemeinnützige Wohnbau von besonderer Bedeutung. Die durchschnittlichen Mieten in Gemeindewohnungen sind um mehr als ein Viertel geringer als am privaten Markt. Aber auch für den Mittelstand wird Wohnen dadurch wesentlich leistbarer. Denn über ein Fünftel der Haushalte mit mittlerem Einkommen leben entweder in Gemeinde- oder in Genossenschaftswohnungen.

Schreyer: Die drei Wohnungsbaugesellschaften des Freistaats setzen ambitionierte Neubauprogramme um und werden bis 2025 rund 12.000 Wohnungen für Haushalte mit niedrigeren Einkommen auf den Weg bringen. Mit dem Kommunalen Wohnraumförderungsprogramm unterstützt Bayern gezielt Städte und Gemeinden, die Mietwohnraum für einkommensschwächere Haushalte schaffen. Jährlich werden hierfür 150 Millionen Euro bereitgestellt.

Wie kann man verhindern, dass die Verknappung von Baugrund in den Städten die Wohnkosten weiter in die Höhe treibt?

GewesslerWir müssen mit unserem Boden sparsam, sorgfältig und nachhaltig umgehen. Unversiegelte Flächen in Bauland umzuwandeln, solange wir leerstehende Wohnungen und Gebäude haben, ist nicht nachhaltig. Daher ist hier eine verantwortungsvolle Raumplanung mit klaren Vorgaben notwendig. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass die Raumordnung Sache der Länder ist; Flächenwidmungspläne werden wiederum auf Gemeindeebene festgelegt.Ich würde es jedenfalls unterstützen, wenn es eine verbindliche Rückwidmung von Bauland gäbe, um Spekulationen mit gewidmetem Bauland zu vermeiden und dessen Verfügbarkeit zu erhöhen. Oder, wenn etwa ein vorgeschriebener Prozentsatz von Sonderflächenwidmungen für gemeinnützigen Wohnbau und oder Baulandsicherungsmodelle in allen Gemeinden vorgeschrieben wäre. Aber auch eine Abgabe auf unbebautes Bauland und eine Leerstandsabgabe erscheinen mir sinnvoll.

Schreyer: Hier sind vor allem die Städte und Gemeinden in ihrer kommunalen Planungshoheit gefordert. Bayern hat da wichtige Impulse zur Wohnbaulandmobilisierung eingebracht wie beschleunigte Bauleitplanverfahren oder Erleichterungen bei der Innenentwicklung und Nachverdichtung. All diese Vorschläge sind in den Entwurf für ein Baulandmobilisierungsgesetz eingeflossen, welches derzeit das Gesetzgebungsverfahren durchläuft.  Ich hoffe, dass diese Regelungen möglichst bald in Kraft treten werden, weil sie wirklich für eine Entspannung bei der derzeitigen Baulandknappheit sorgen können.

Was müssen die Gebäude der Zukunft leisten?

GewesslerKlimafitte Gebäude erzeugen die notwendigen Energien eigenständig und das aus erneuerbaren Energien – sauber und klimafreundlich. Sie stellen mehr Energie bereit, als die Bewohnerinnen und Bewohner für das Wohnen selbst benötigen.  Durch die Reduktion des Energieverbrauchs, innovative Gebäudesanierungen sowie die bestmögliche Nutzung von Abwärmepotenzialen und klimafreundlichen Energieträgern sind die Gebäude der Zukunft weitgehend klimaneutral. Der Wiederverwendbarkeit von Bauteilen und die Recyclierfähigkeit von Baustoffen sind dabei ebenfalls wesentliche Bestandteile. Denn Sanierungen und Neubauten von heute dürfen nicht die Altlasten von morgen werden.

Schreyer: Extreme Wettereignisse wie sommerliche Hitzewellen oder große Niederschlagsmengen werden in Zukunft häufiger auftreten. Da muss natürlich auch der Wohnungsbau darauf reagieren, etwa bei der Freiraumgestaltung oder beim Einsatz von Baustoffen. Wie klimaangepasstes und trotzdem wirtschaftliches Bauen gehen kann, untersuchen wir derzeit im Modellvorhaben unseres Experimentellen Wohnungsbaus „Klimaanpassung im Wohnungsbau“ an zehn Pilotprojekten. Wir erwarten uns davon einen Best-Practice-Katalog, der Möglichkeiten zu einem nachhaltigeren, moderneren und ökologischeren Bauen aufzeigt.


ZITATE:

„Die durchschnittlichen Mieten in Gemeindewohnungen sind um mehr als ein Viertel geringer als am privaten Markt.“

Leonore Gewessler, österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität

 

„In den Programmen der Wohnraumförderung stehen heuer voraussichtlich knapp 850 Millionen Euro zur Verfügung.“

Kerstin Schreyer, Bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr

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