SHEconomy – die neuen Seiten der Wirtschaft – versteht sich als Plattform der Frauen-Netzwerke in Deutschland und in Österreich. Jede Woche stellen wir eines der zahlreichen Netzwerke aus den verschiedensten Segmenten der Wirtschaft vor. Diese Woche haben wir mit Loubna Messaoudi, CEO Founder von BIWOC* Rising gesprochen.
BIWOC* Rising ist eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft und wurde Ende 2019 in Berlin gegründet. Sie sind eine intersektional feministische Organisation und der erste Coworking Space von und für Frauen, Trans-, Inter- und nicht-binäre Menschen of Color, die Mehrfachdiskriminierungen erfahren.
Das Empowerment Projekt BIWOC* Rising stärkt die soziale, berufliche und wirtschaftliche Teilhabe durch die eigene Community und Bildungsprogrammen und fokussiert sich dabei auf Diskriminierungen und Rassismus am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt.
Was ist der „gemeinsame Nenner“ der Frauen, die sich in Ihrem Netzwerk zusammengefunden haben?
Unser intersektionales Projekt beschränkt sich nicht nur auf Frauen of Colour, sondern umfasst Inter-, Trans- und nicht-binäre Menschen of Colour. Der gemeinsame Nenner ist die Erfahrung von intersektionaler Diskriminierung mit Fokus auf dem Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt. Sprich eine Überlappung von Sexismus und Rassismus und weiteren möglichen Diskriminierungsformen wie Klassismus, Ableismus, Transfeindlichkeit etc., die erhebliche Hürden in der Karriere bedeuten.
Wann wurde Ihr Netzwerk ins Leben gerufen – und wie viele Frauen haben sich in dem Netzwerk organisiert?
Mitte 2019 organisierte die Gründerin Loubna Messaoudi die ersten Netzwerkabende, um die Idee eines inklusiveren und sicheren Coworking Spaces mit der Community zu erarbeiten. Ende 2019 wurde BIWOC* Rising offiziell als gemeinnütziges Unternehmen gegründet. Seitdem wächst das Netzwerk von den anfänglichen 60 Personen stetig weiter und umfasst mittlerweile fast 3000 Follower, wovon nahezu 100 Personen in unseren Coworking Space arbeiten. Unser Netzwerk bilden Akademiker*innen, Freelancer*innen, Medien- und Kulturschaffende, Student*innen, Aktivist*innen, Unternehmer*innen und viele andere mehr.
Wie läuft der Austausch innerhalb Ihrer Community ab? Wie oft treffen Sie sich?
Unser Space fungiert tagsüber als Coworking Space und abends als Community Space. Unsere Mitglieder*innen haben also den ganzen Tag die Chance in der Küche zu netzwerken und abends die Räume für ihre Projekte zu nutzen, unser Team eingeschlossen. Dabei geben auch unsere Member Workshops und besuchen diese gegenseitig.
Einmal im Monat veranstalten wir einen Community Abend mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Des Weiteren bieten wir nicht nur ein Coworking, sondern auch Empowerment Workshops an. Hier kommen auch unsere Mitglieder*innen mit unserem erweiterten Netzwerk zusammen.
Wie informieren Sie sich gegenseitig?
Wir versuchen verschiedene Tools zu nutzen, um unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Für unsere Mitglieder*innen nutzen wir natürlich den persönlichen Kontakt in unseren eigenen Räumen, sowie einen Slack Channel. Ebenfalls haben wir für unsere Workshops und Events natürlich die übliche bekannten Kanäle wie Instagram, Facebook, Newsletter etc.
Ein starkes intersektionales Netzwerk zu bilden ist eines unserer großen Anliegen. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ist dafür essentiell und hilft uns ebenfalls unsere Diskurse gemeinsam mit anderen intersektionalen Organisationen zu beeinflussen.
Wie generieren Sie weitere Frauen für Ihr Netzwerk?
Loubna Messaoudi war von Anfang an davon überzeugt, dass eine authentische Idee nicht verkauft werden muss. Die Key-Strategie ist, dass wir nichts für eine Gruppe kreieren, sondern immer in Zusammenarbeit mit und aus der Gruppe heraus. So können wir unser Programm immer nach den Bedürfnissen unserer Community richten. Zudem ist die Nachfrage an Safer Spaces für Menschen of Colour sehr groß, das spricht sich leicht herum.
Was uns sonst noch interessiert….
- Netzwerk oder auch Interessen-Vertretung – wie treten Sie nach außen auf?
Wir treten als ein intersektionales Netzwerk und Community auf, die sich für die Marginalisierten unter den Marginalisierten einsetzen.
- Wie steht es um den „Nachwuchs“ – schwer zu motivieren oder begeistert von der Idee eines Netzwerkes?
Da unser Rahmen ein Coworking Space ist, beginnt unsere Zielgruppe erst ab 20 Jahren an. Unserer Erfahrung nach, suchen junge Frauen* und Menschen of Colour Anschluss und Vorbilder, aber die fehlende Sichtbarkeit erschwert dies sehr.
- Gemeinsam sind wir stark – was treibt Sie an?
Equity statt equality. Wir wollen nicht, dass andere über uns und für uns sprechen und somit unsere Diskurse diktieren. Empowerment heißt für uns Bildung, um existierende Machtstrukturen zu verändern und nicht Reformen innerhalb des Systems.
- Auf den Punkt gebracht – welche drei Eigenschaften zeichnet Ihr Netzwerk aus?
Intersektionalität – Authentizität – Community Care
Und Ihre Meinung zu/Fragen….
- Welches Klischee rund um Frauen im Wirtschaftsleben können Sie nicht mehr hören?
„Frauen* haben die gleichen Chancen, sind aber eher familienorientiert.“
Dabei möchten wir klarstellen, dass wir „familienorientiert“ hier nicht als etwas Negatives oder Hinderliches sehen, das tut nur das Patriarchat. Es ergibt sich für uns kein Widerspruch sowohl Führungspositionen bekleiden zu wollen und können, als auch familienorientiert zu sein. Für uns heißt Feminismus keineswegs die konstruierten männlichen Werte als Standard und Ziel zu betrachten, eher das Gegenteil sollte der Fall sein.
- Was wären Ihrer Meinung nach die nächsten wichtigen Schritte in Richtung Gender Equality?
Den Fokus nicht immer nur auf Frauen* zu lenken. Das Problem liegt im System und der Struktur dahinter. Gender Equity erreichen wir nur, wenn auch Männer zu Feministen gebildet werden und Strategien für mehr Frauen* und Frauen of Colour* in Machtpositionen und auf politischer Ebene geregelt werden, z.B. mit Quoten.
- Haben Sie das Gefühl, dass sich Frauen oft doppelt oder dreifach anstrengen müssen, um gleiche Positionen wie Männer zu bekommen?
Das steht außer Frage und Frauen* oder weiblich gelesene Menschen of Colour um so mehr, da sie nicht nur den Sexismus, sondern auch den Rassismus auf dem Weg nach oben bekämpfen müssen.
- Wichtiger denn je – oder auf Dauer verzichtbar: wie bewerten Sie die Rolle von Frauen-Netzwerken in der Zukunft?
Das ist unsere Meinung nach, weiterhin von großer Bedeutung. Je marginalisierter eine Gruppe ist, desto weniger Ressourcen und Sichtbarkeit hat diese. Ein Netzwerk ist wichtig für das Empowerment, für Vorbildfunktionen, Unterstützung und um Unsichtbares sichtbar zu machen.
- Last but not least – ein Wort zu Quote???
Das wir noch darüber reden müssen zeigt wie stark dieses Tool sein kann, um wirklich eine Veränderung hervorzubringen. Deswegen stellen sich das Patriarchat und seine Verfechter mit aller Macht dagegen und diskutiert nach wie vor das „Ob“ statt dem „Wie“.
Loubna Messaoudi
Loubna Messaoudi ist Gründerin und Geschäftsführerin von BIWOC* Rising. Sie ist ehemalige Airline-Pilotin, hat einen Abschluss in Medienwissenschaften und Philosophie sowie eine Weiterbildung in Sound- und Videodesign. Ihre Arbeit in den letzten Jahren konzentrierte sich auf die Intersektionen diskriminierender Strukturen von Frauen und Femmes of Colour und die damit verbundene wirtschaftliche, politische und soziale Teilhabe in Deutschland. Darüber hinaus bietet sie Mediation und Diversity/Inklusions Training für Unternehmen und Bildungsstätten an.
Vor der Gründung von BIWOC* Rising arbeitete sie bei verschiedenen NGOs, Film- und TV Produktionen sowie internationalen Filmfestivals in Deutschland und Neuseeland. 2020 ist sie dem Responsible Leadership Program der BMW Stiftung beigetreten.