StartMoneyInvestMehr Chancen für Start-ups: "Die Politik muss sich bewegen"

Mehr Chancen für Start-ups: „Die Politik muss sich bewegen“

Sie ist 27, weiblich, Gründerin und Investorin und - sie berät die Bundesregierung in Sachen Start-ups. Warum Gründen einfacher werden muss, Investieren im Team Sinn macht und welche Start-ups trotz Downturn des letzten Jahres weiterhin Geld einsammeln.

Laura Raggl ist so ziemlich das Gegenteil von dem Bild, das einem bei „Investor“ in den Kopf schießt. Eine 27-jährige Frau, am Beginn ihrer Karriere und doch liegen schon ein paar Hürden hinter ihr, die aufhorchen lassen: Erfahrungen im Fonds-Management, Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (aaia) und schließlich Gründung ihres eigenen Angel Fonds ROI-Ventures. Aber wie und warum wird man eigentlich selbst Investorin? Und noch dazu so jung? „Ich wusste immer schon, dass es mich zu Start-ups hinzieht, dass ich Innovationen vorantreiben und mit engagierten, motivierten Menschen zusammenarbeiten will“, sagt Raggl.

Der Weg sei indes nicht immer klar gewesen. Nachdem Raggl nach dem Studium Station bei einem Fonds in Wien machte, wurde ihr mit nur 23 Jahren die Geschäftsführung der Austrian Angels Investors Association (aaia) angeboten. Dass alles so schnell ging, spricht in Raggls Empfinden eher für die Branche als gegen sie: „Genau das ist das Spannende an der Startup-Szene: Hier kannst du schnell etwas erreichen und aus dir machen, wenn du mit viel Drive dabei bist. Hier musst du nicht wie auf der Corporate Seite deine klassischen zehn Karrierestufen durchlaufen, um in eine Managementposition zu kommen.“

2022 gründete Raggl mit Julian Sachs, Patrick Funke und Marco Raggl ROI Ventures, das Start-ups aus dem DeepTech, FinTech, PropTech und Gaming-Bereich während der Pre-Seed und Seed Phase mit Kapital unterstützt. Einen besonderen Fokus legen die Angel Investor:innen dabei auf Start-ups im Low-Code oder NO-Code Bereich, die digitale Lösungen anbieten, die nicht nur IT-Profis in Anspruch nehmen können.

Investorin und Gründerin mit 27: Laura Raggl mit dem Team ihres Angel Fonds ROI. Foto: Fabian Klima
Investorin und Gründerin mit 27: Laura Raggl mit dem Team ihres Angel Fonds ROI. Foto: Fabian Klima

Viele Blickwinkel, breiter Dealflow

Im Gegensatz zu einer Einzelinvestorin trifft Raggl Entscheidungen zu Neuzugängen im Portfolio nicht alleine. Im Team zu investieren erfordert vernünftige Prozesse und Entscheidungswege. Das mache die Sache von Anfang an professioneller, mehr wie eine Firma oder ein Venture Capital Fonds, sagt Raggl. Durch die verschiedenen Zugänge der Gründungsmitglieder würden außerdem keine Schnellschüsse getätigt und Investmententscheidungen ausreichend evaluiert. Dass so viele Blickwinkel miteinfließen, verbreitere auch den Dealflow und bringe ein Plus an Expertise aus verschiedenen Fachbereichen. Da hilft es, dass im Team von ROI Ventures sowohl starke Netzwerker:innen als auch Menschen mit unternehmerischem Background arbeiten, die wissen, wie man Start-ups skaliert, was sich auf dem Kryptomarkt so tut und wie das erste Risikokapital richtig eingesetzt wird.

Künstliche Intelligenz boomt weiterhin

Dass nach einem regelrechten Investment-Boom 2021 im Jahr 2022 ein starker Abfall zu verzeichnen war, liegt einerseits an gestiegener Inflation und höheren Zinsen, die der Krieg in der Ukraine mitverursacht hat. Andererseits verweist Raggl auf einen starken Abfall der Bewertungen von Start-ups in der Wachstumsphase. Dadurch können junge Unternehmen, die Finanzierungsbedarf haben, keine neuen Investments einsammeln. „Das ist eine schwierige Situation, da Bewertungen immer fiktiv sind und auf Zukunftsprognosen aufbauen“, sagt Raggl. Man jongliere mit großen Zahlen, die nicht immer auf substanziellen oder realistischen Aussichten basieren.

Ausreißer sehe man aber im KI-Bereich, da künstliche Intelligenz weiterhin ein heißes Thema bei Business Angels sei, sagt die Investorin: „Da gibt es immer noch Start-ups, die mit 20 Millionen bewertet sind und kein Produkt vorweisen können, aber weiterhin Geld einsammeln, weil die Angels auf gute Exit-Szenarien hoffen“, so Raggl. Generell lassen sich zwei Denkschulen beim Thema KI festmachen: „Die einen sagen, es ist viel einfacher geworden, Businesses um KI zu bauen, zu skalieren und dadurch auch zu Kunden zu kommen. Man braucht also nicht mehr so viel Startkapital wie früher einmal. Und die anderen sagen, weil es einfacher geworden ist, wächst der Konkurrenzdruck so stark, dass man erst recht wieder Finanzspritzen braucht, um groß zu werden und sich zu diversifizieren“, erklärt Raggl die Krux mit Start-ups, die mit künstlicher Intelligenz groß werden möchten.

Mitglied des Start-up-Rats des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums: Laura Raggl (2.v.r.)
Mitglied des Start-up-Rats des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums: Laura Raggl (2.v.r.). Foto: Holey, BMAW

Mehr Investitionen? Mehr Start-ups!

Österreicher:innen sind echte Investitionsmuffel. Viel Privatkapital liegt auf Sparkonten oder wegen schlechter Zinslage unter dem Kopfkissen. Unternehmensbeteiligungen und Aktien sind weiterhin in der Unterzahl. Start-ups haben viele da gar nicht auf dem Schirm, sagt Raggl. Oft sei es Menschen auch nicht geläufig, wie oder dass in Start-ups investiert werden kann. Eine Entwicklung, die sie begrüß, ist jedoch eine steigende Anzahl an LP‘s (ein Limited Partner stellt einem Fonds oder Capital Venture Kapital zur Verfügung) und merkbar gestiegene Fondsgrößen in Österreich.

Damit mehr investiert wird, müsse sich auch das Startup-Biotop laufend weiterentwickeln, und die Politik mehr unternehmen, um mehr private Investor:innen anzuregen zu investieren, meint Raggl. Denn ohne langfristige Finanzierung von privater Seite werde es schwierig, in Österreich zu skalieren und die Wertschöpfung im Land zu halten. Mit Wien habe man schon einen gut etablierten Hub, der vor allem im Biotech-Bereich über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Aber Luft nach oben sei immer noch, sagt Raggl. „Auch von politischer Seite muss sich etwas tun. Es war bis vor kurzem nicht möglich, ein Unternehmen einfach und in englischer Sprache zu gründen. Das hemmt den Wirtschaftsstandort und ist für Start-ups aus dem Ausland nicht attraktiv.“ Die FlexKap-Regelung, die Gründungen erleichtern soll, ist gerade in Begutachtung und wurde auch von Raggl seit Jahren forciert. Als Mitglied im Start-up-Rat des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums berät Raggl die Politik zu Themen rund um Start-ups und Gründungen und fungiert als Sprachrohr zwischen Wirtschaft, Investor:innen, Politik und Gründer:innen. Die FlexKap ist, auch wenn sie spät kommt, ein Meilenstein für das österreichische Start-up-Ökosystem.

Berät Wirtschaftsminister Kocher zum Thema Gründen: Investorin Laura Raggl
Berät Wirtschaftsminister Kocher zum Thema Gründen: Investorin Laura Raggl. Foto: Holey, BMAW

So viele Frauen in Start-ups wie noch nie

Bei allem Verbesserungsbedarf in der Investitions- und Start-up-Szene steht eines fest: Österreich hat im internationalen Vergleich einen hohen Prozentsatz an weiblich oder gemischt geführten Start-ups: beinahe dreimal so viele wie im Rest von Europa. Das führt Raggl einerseits auf Gründungs- und Förderungsprogramme der Stadt Wien und andererseits auf starke Netzwerke und Initiativen wie Female Founders oder Female Factor zurück. „Es ist interessant, mitzuerleben, wie viel sich in den letzten Jahren getan hat und wie stark solche Initiativen innerhalb von fünf bis zehn Jahren Wirkung zeigen.“ Ob männlich oder weiblich gegründet wird – Raggl wünscht sich mehr. Mehr Start-ups, mehr Wettbewerb, mehr innovative Ideen. Gäbe es mehr Gründungen, würde auch die Qualität der Lösungen steigen, weil sich Start-ups noch mehr ins Zeug legen müssten, um überhaupt an Förderungen und Investments zu kommen. Auch Unternehmen könnten sich freuen: Wer Erfahrungen in einem Startup gesammelt hat, wird eher auch auf der Corporate Seite das Thema Innovation und Intrapreneurship vorantreiben. Und das langfristige Wachstumspotenzial von Start-ups hätte auch Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Steuerzahlungen und internationale Reputation. Fazit: Es ist noch viel zu tun. Aber es bewegt sich etwas.

Dieser Artikel ist Teil unserer aktuellen Serie über Investorinnen. Hier geht es zum Auftakt-Artikel

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