Die Österreicherin Margit Schweger und ihr Ehemann Richard Schweger wollten ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten dafür einsetzen, Gutes zu tun. Heute sind sie die besten Olivenölproduzent:innen der Welt. Eine sozialunternehmerische Erfolgsgeschichte.
Im Supermarktregal reihen sich hellgrüne an dunkelgrüne Glasflaschen. Die Farben der Verschlusskappen variieren zwischen gold und schwarz. Sonst unterscheiden sich die Olivenöle optisch kaum voneinander. Doch dazwischen fällt eine weiße Dose mit grünem Schriftzug auf: „noan Olive Oil“. Das O und A im Markennamen verschmelzen zu einem Unendlichkeitszeichen. Auch auf den zweiten Blick hebt sich das Extra Virgin Olivenöl von noan von den anderen Produkten im Regal ab: Margit und Richard Schweger, die noan 2009 gründeten und bis heute ehrenamtlich führen, spenden den gesamten Gewinn aus dem Verkauf des Olivenöls an Kinderbildungsprojekte.
Die beiden riefen noan vor 13 Jahren ins Leben. Was zunächst als kleines Projekt zum Generieren von Spenden gedacht war, ist heute ein ausgewachsenes Sozialunternehmen, das für sein Produkt internationale Anerkennung erhält. Bereits zum zweiten Mal in Folge wurde das „noan Classic“ 2022 vom renommierten Olivenöl-Guide Flos Olei zum besten Olivenöl der Welt gekürt. Und das, obwohl dies gar nicht das vorrangige Ziel war: „Die Besten zu sein, ist ein wunderbarer Segen für das Unternehmen, aber auch ein wenig Fluch“, sagt Margit Schweger. Die Unternehmerin begründet dies mit der allgegenwärtigen Unsicherheit in der Landwirtschaft und dem Nichtbedienenkönnen von Nachfrage. „Man kann noch so viele Marketing-Pläne erstellen, die Natur spielt nach ihren eigenen Regeln. Manchmal ist die Ernte schlecht, schlimmstenfalls fällt sie ganz aus“, so Margit Schweger, die sich ihr gesamtes Branchenwissen im Laufe der vergangenen 13 Jahren angeeignet hat.
Von den Laien zu den Besten
Sowohl Margit Schweger als auch ihr Partner haben eine wirtschaftliche Ausbildung. Die Marketing-Expertin absolvierte ihren Master in Economics and Business Administration an der Wirtschaftsuniversität Wien und sammelte sowohl an der HEC Business School in Paris als auch an der Università Bocconi in Mailand Auslandserfahrung. Danach arbeitete sie jahrelang als Marketing-Managerin beim Philips-Konzern. Nachdem sich das Paar kennengelernt hatte, beschloss es, das Wissen und die Fähigkeiten, die beide durch ihre universitären Ausbildungen erwerben konnten, für einen guten Zweck einzusetzen – zumal sie auch über einen soliden wirtschaftlichen Background verfügten. Sie wollten jenen Menschen helfen, die im Leben weniger Glück hatten als sie, und fokussierten auf die Bildung von Kindern. „Im Sozialunternehmertum ist es wichtig, einen Fokus zu haben. Man muss sich darüber bewusst sein, dass man nicht alles unterstützen kann. Wir haben uns für Bildungsprojekte entschieden, da wir glauben, dass Bildung den Grundstein für eine nachhaltig bessere Zukunft legt“, so Schweger.
Sie entschieden, ein Unternehmen zu gründen, bei dem 100 Prozent des erwirtschafteten Gewinns gespendet wird. „Dass es Olivenöl geworden ist, war Zufall. Wir hätten genauso gut Strumpfhosen herstellen können“, sagt Margit Schweger lachend. Die Idee entstand, nachdem das Ehepaar einen Olivenhain in Griechenland gekauft hatte. Um sich zu informieren, besuchten die beiden eine Olivenölmesse in Verona. Dort lernten sie den Oleologen Duccio Morozzo della Rocca kennen, mit dem sie bis heute zusammenarbeiten. „Er dachte zunächst, wir seien verrückt. Wir hatten keine Erfahrung“, erinnert sich Schweger. Alles, was das Ehepaar zu diesem Zeitpunkt wusste, war, dass es ein fruchtbares Land besaß und von der Kunst des Olivenölpressens fasziniert war. „Das giftgrüne Öl, das aus der Mühle rinnt, der Ölfilm in der Luft – es ist magisch“, so Schweger. Es stellte sich heraus, dass sich die unbekannte Olivensorte, die auf dem griechischen Grundstück der Schwegers wuchs, gut zum Olivenölpressen eignete: Amfissa. Es ist jene Sorte, die heute preisgekrönt ist.
Arbeitgeber für griechische Bauern
Im Oktober 2009 stellten Margit und Richard Schweger ihr erstes eigenes Olivenöl her. Obwohl ein Investor kurzfristig abgesprungen war, wollte das Gründerpaar nicht länger warten. Grund dafür war ein Erlebnis in Indien, erzählt Margit Schweger: „Ich bin mit einem Taxi durch Neu-Delhi gefahren, als ich auf einer Verkehrsinsel ein auf dem Boden liegendes Kind sah. Ich dachte zunächst, es lebe nicht mehr. Aber es schlief dort – ganz allein, inmitten von tausend Autos.“ Zurück in Österreich, fasste das Ehepaar den Beschluss, sofort mit der Produktion zu beginnen und organisch zu wachsen. „Wir wollten so schnell wie möglich aktiv werden, um nicht nur diesem einen, sondern so vielen Kindern wie möglich zu helfen“, so Schweger. Sie schlossen sich mit griechischen Bäuer:innen zusammen und produzierten die ersten 1.000 Liter Olivenöl – gleich eine enorme Menge für die frischgebackenen Olivenölhersteller:innen. Doch schon innerhalb eines halben Jahres waren sie ausverkauft.
Heute produziert noan alleine in Griechenland zwischen 16.000 und 20.000 Liter Öl pro Jahr. Weitere Produktionsstätten befinden sich in Italien, Portugal und Spanien. noan hat vier Mitarbeiter:innen in Österreich und arbeitet mit zahlreichen Bäuer:innen sowie einer örtlichen Produktions- verantwortlichen zusammen. Neben dem sozialen Gedanken sind sie es, die Schweger täglich motivieren, weiterzumachen: „noan hat zwar als Nebenbeschäftigung begonnen, mittlerweile zählen diese Menschen jedoch auf uns als Arbeitgeber.“ Ihren Mitarbeiter:innen rät die Marketing-Expertin stets dazu, mutig zu sein. „Wenn Großkund:innen nach einem Rabatt fragen, antworten wir: ‚Wie viel haben Sie sich denn vorgestellt? Denn das wird direkt von den Spenden abgezogen‘“. Meistens werde der Rabattwunsch dann zurückgezogen. Daraus folgt eine der wichtigsten Lektionen, die Margit Schweger in ihren 13 Jahren als Sozialunternehmerin gelernt hat: „Man muss sich trauen, sozial zu sein.“
Wohin gehen die Spenden?
noan unterstützt zwölf Bildungsprojekte in acht Ländern. 50 Prozent der Spendeneinnahmen gehen an Projekte aus Ländern, in denen sie erwirtschaftet wurden. Da in Österreich der meiste Umsatz generiert wird, werden hierzulande drei große und mehrere kleine Projekte unterstützt. Auch in Deutschland, der Schweiz und Dänemark werden Kinderbildungsprojekte gefördert. Die zweite Hälfte des Gewinns geht an ausgewählte Projekte in Indien, Nepal, Griechenland und Südafrika. Bis 2022 konnten insgesamt rund 340.000 Euro gespendet werden, 37.000 Euro davon im Jahr 2021.
Dieser Artikel stammt aus der SHEconomy Print-Ausgabe 01/22. Sie wollen in Zukunft keine Ausgabe verpassen? Hier geht es zum Abo-Shop.