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Let’s get digital!

Auf dem heutigen Arbeitsmarkt ist digitales Wissen Gold wert. Leider haben Frauen im Durchschnitt weniger davon als Männer. Daran sind sie nicht unbedingt selbst schuld.

Eigentlich wissen wir es schon lange: Die reale Welt tickt nicht wie Tiktok. Trotzdem gibt es immer noch Momente, in denen man auf den schönen Schein der Social-Media-Plattform hereinfällt. Etwa, wenn man Statistiken liest, aus denen hervorgeht, dass 58 Prozent der Tiktok-User:innen weiblich sind. Weil das Medium international genutzt wird und viele junge Menschen dort Accounts haben, entsteht da leicht die Illusion, dass Mädchen im Internet die Nase vorn hätten: Female Digital Natives führen im Rennen auf der Datenautobahn! Das Web gehört den Frauen! Yeah!

Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus. Laut Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion der Vereinten Nationen (ITU) nutzten 2023 weltweit rund 70 Prozent der Männer, aber nur 65 Prozent der Frauen, das digitale Netz. Eine UNICEF-Studie ergab letztes Jahr, dass in Ländern mit unteren und mittleren Einkommen 61 Prozent der Burschen das Internet verwenden. Bei den Mädchen sind es nur 38 Prozent. In Entwicklungsländern ist überhaupt nur jede Zehnte im Web unterwegs – im Gegensatz zu jedem Fünften bei den Jungs. Die Untersuchung, die in 32 Ländern und Regionen durchgeführt wurde, zeigt auch, dass Mädchen im Schnitt um 35 Prozent seltener über einfache digitale Kenntnisse wie das Kopieren von Dateien oder das Versenden von E-Mails verfügen.

Sogar in der westlichen Welt hinken Frauen in puncto digitalem Wissen den Männern hinterher – häufig, ohne es selbst zu bemerken. Der aktuelle Digital Skills Barometer für Österreich outet 60 Prozent der Frauen als digitale Nachzüglerinnen, die bei den Wissensfragen weniger als 40 von 100 Punkten erreicht haben. Umgekehrt sind knapp 60 Prozent der Männer „Digitale Vorne-Dabeis“ – mit 60 von 100 Punkten. Auffällig ist dabei der Gap zwischen Selbsteinschätzung und Realität. Während Frauen bei ersterer
75 von 100 Punkten erreichen, rutschen sie beim Wissen unter 100 Punkte – was einem Delta von fünf Punkten im Vergleich zu den Männern (52 Punkte) entspricht. Am wenigsten Know-how und am meisten Selbstüberschätzung findet man im Kompetenzbereich „Problemlösen, Innovation und Weiterlernen“. Immerhin: Die weibliche Wissenslücke im Bereich „Sicherheit und nachhaltige Ressourcennutzung“ hat sich im letzten Jahr deutlich reduziert.

Benachteiligung im Job

Gründe für den Gender-Gap gibt es viele: „Zu Beginn der Digitalisierung wurde viel Geld in die Industrie investiert, um die Arbeitenden dort – vor allem Männer – an die Digitalisierung anzupassen. Während die Beschäftigten im Bereich Dienstleistungen, in dem viele Frauen arbeiten, kaum mit Weiterbildungen unterstützt wurden“, erklärt Nadja Bergmann, Forscherin im Bereich Digitalisierung und Arbeitsmarkt am Institut L&R Sozialforschung, in der österreichischen Tageszeitung Der Standard.

Bis heute sind Fortbildungen eher auf die Interessen und Kompetenzen von Männern zugeschnitten – was wiederum Frauen abschreckt. Ebenfalls ein Kriterium: Viele junge Mütter arbeiten aufgrund der Kinderbetreuung in Teilzeit, wodurch nur Fortbildungen in Frage kommen, die zeitlich in ihrem Arbeitsmodus untergebracht werden können. Dazu kommt häufig die mangelnde Bereitschaft von Arbeitgeber:innen, entsprechende Kurse zu finanzieren oder die dafür benötigten Programme oder Geräte zur Verfügung zu stellen. Die Folgen sind weitreichend: „Digitale Kompetenzen werden nach wie vor Männern häufiger zugeschrieben als Frauen. So entsteht eine systematische Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Karin Wegenstein, die sich das Phänomen mit ihrem Team im
Projekt Gender Gap 4.0 genauer angesehen hat.

Aus einer Studie von Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) geht hervor, dass Frauen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10,5 Prozent erwarten, dass sich ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung verbessern. Bei den Männern sind es 18 Prozent. Obwohl Frauen und Männer Computer im Job etwa gleich häufig nutzen, liegt die Chance, dass sie mit anspruchsvoller Software in Berührung kommen, für weibliche Arbeitskräfte nur bei 34 Prozent – im Gegensatz zu 50 Prozent bei den Männern.

Laut Digital Skills Barometer sind 60 Prozent der österreichischen Frauen digitale Nachzüglerinnen.

Dabei wäre es gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten wichtig, die Chancen der Digitalisierung für Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Lebensqualität offensiv zu nutzen. „Digitales Wissen ist in jeder Hinsicht der Energiebooster für die Zukunft“, erklärte Infineon- und Fit4Internet-Vorständin Sabine Herlitschka anlässlich der Präsentation des Digital Skills Barometers 2023. „Die Stärkung digitaler Kompetenzen ist unabdingbar, im globalen Digitalisierungswettlauf braucht man die richtigen Skills, um vorne mit dabei zu sein und mitzugestalten“. Die Frage ist nur: Wie schafft man es, Frauen in diese vorderen Reihen „mitzunehmen“?

Frauenförderung ist ein Muss

WSI-Expertin Yvonne Lott sieht hier die Regierungen in der Pflicht. Ihrer Meinung nach wäre es wichtig, dass die Chancengleichheit in den Vordergrund gestellt wird. Digitale Kompetenzen sollten bereits in der frühkindlichen Bildung und in Schulen stärker vermittelt werden, bevor geschlechtsspezifische Segmentierungen und Diskriminierungen entstehen. Das würde Frauen auch zu Ausbildungen und Studiengänge im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien ermutigen.

Wichtig seien auch Vorbilder. „Kurse zu digitalen Kompetenzen mit weiblichen Vortragenden sind für Frauen meist attraktiver“, erklärt Karin Wegenstein. Darüber hinaus sollten Kursbeschreibungen möglichst wenige Fachbegriffe enthalten, dafür aber klare Anwendungsmöglichkeiten. Halbtagsworkshops für Frauen in Teilzeit und finanzielle Unterstützung der Firmen für Weiterbildungen sind ihrer Studie zufolge ebenfalls essenziell. Und: Das nötige technische Equipment sollte den Frauen zur Verfügung gestellt werden.

Aber nicht nur, ob Frauen sich digitales Know-how aneignen, spielt eine Rolle. Auch das „Was jetzt genau?“ darf man dabei nicht vernachlässigen. Denn bei Standards wie Word oder Excel ist der Wissensrückstand längst nicht so ausgeprägt wie bei komplizierterer Software. In Fortbildungskursen sollten Frauen daher nicht nur Grundlagen erlernen, sondern auch die Möglichkeit haben, sich Gestaltungskompetenzen anzueignen – zum Beispiel Programmieren. Einerseits deshalb, weil gut bezahlte Jobs auf sie warten. Andererseits, weil dann auch Lernprogramme und digitale Fortbildungen endlich nicht mehr Großteils von Männern entworfen und für männliche Lernmethoden konzipiert werden, sondern für Frauen und Mädchen so spannend werden wie ein analoger Workshop – oder wie ein Tiktok-Video.

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