StartBalanceHealthLanger Atem bei Long Covid: Teil 2

Langer Atem bei Long Covid: Teil 2

In Österreich taucht im Zusammenhang mit Long Covid vor allem ein Name immer wieder auf: Mariann Pavone-Gyöngyösi. Die gebürtige Ungarin ist Leiterin der kardiologischen Long-Covid-Ambulanz am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) und der Medizinischen Universität Wien.

An der MedUni Wien laufen derzeit über 150 Studien zu Covid-19. Einige davon befassen sich mit den Symptomen und Ursachen des Long-Covid-Syndroms und werden von Mariann Pavone-Gyöngyösi koordiniert. Die Fachärztin leitet zudem seit 2010 das Labor für experimentelle invasive Kardiologie und Molekularbiologie an der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Wien. Im vergangenen Jahr setzte sich Pavone-Gyöngyösi für die Einrichtung einer Spezialambulanz für Long-Covid-Patient*innen am AKH ein, wo geforscht und Personen behandelt werden sollten, die noch Monate nach einer Covid-Infektion unter Erschöpfung, Kurzatmigkeit und anderen Symptomen litten. Die für ihre Forschung mehrfach ausgezeichnete Kardiologin leitete die Spezialambulanz anschließend mehrere Monate lang.

Viele Fragezeichen um Long Covid

Die Long-Covid-Forschung leistet einen wichtigen Beitrag dazu, zu verstehen, wie die Gesellschaft jetzt und in Zukunft mit Long Covid umgehen muss.nDer US-Kongress hat daher zuletzt 1,15 Milliarden Dollar für die Erforschung von Long Covid freigegeben, Deutschland stellt 6,5 Millionen Euro bereit, und die EU will 90 Millionen Euro in Populationsstudien und klinische Prüfungen für Covid-19-Arzneimittel investieren – darunter auch Medikamente für Long Covid. Dass die Erkrankung nicht zu unterschätzen ist, hat sich längst auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht: In den USA ist jede dritte offene Stelle wegen Long-Covid-Symptomen unbesetzt. In Österreich und Deutschland geht man mangels vorhandener Zahlen davon aus, dass die Situation ähnlich gravierend ist. Expert*innen warnen bereits seit Ausbruch der Pandemie vor den individuellen, aber auch ökonomischen Auswirkungen von Long Covid. Unterdessen ist jedoch immer noch wenig über diese geheimnisvolle Schwächung des Organismus bekannt.

Es fehlt eine allgemeingültige Definition der Krankheit, und es ist unklar, wie Long Covidmgenau entsteht und was dagegen hilft. Eine Studie aus Großbritannien zeigt allerdings, dass die Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken, für Frauen doppelt so hoch ist wie für Männer. Weiters erkranken eher jüngere Menschen an den Langzeitfolgen von Covid-19 als ältere. Eine rezente Untersuchung der WHO hat zudem gezeigt, dass das Risiko nach einer schweren Corona-Infektion, zu deren Behandlung ein Krankenhausaufenthalt erforderlich war, drastisch steigt. Ebenso bei wiederholter Infektion mit dem Virus.

Frauen treiben Forschung voran

Obwohl – oder gerade weil –über 200 Symptome mit Long Covid in Verbindung gebracht werden, werden Betroffene oft nicht ernst genommen. Oft werden Symptome als psychosomatisch abgetan – eine massive Belastung für die zahlreichen betroffenen Personen, die sich in Patientenvereinen wie „Long Covid Europe“ organisieren. „Sie können nicht weiter im Stillen leiden. Regierungen und Gesundheitspartner müssen zusammenarbeiten, um Lösungen auf Grundlage von Forschung und Evidenz zu finden“, sagt der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Henri P. Kluge.

Die Erforschung von Long Covid wird neben Jördis Frommhold in Deutschland und Mariann Pavone-Gyöngyösi in Östererich durch viele weitere Wissenschaftlerinnen vorangetrieben, etwa durch Bettina Hohberg. Sie forscht in der Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen und wurde dieses Jahr für ihre diagnostischen Erkenntnisse über das Long-Covid-Syndrom mit dem Heidelberg Engineering Xtreme Research Award ausgezeichnet. Carmen Scheibenbogen leitet das Institut für Medizinische Immunologie und die Immundefekt-Ambulanz an derCharité Berlin und fand gemeinsam mit ihrem Team heraus, dass Covid-19 das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) auslösen kann. Obwohl ME/CFS von derWHO bereits 1969 klassifziert wurde, ist nach wie vor wenig über das Syndrom bekannt. Da sich nun eine Überlappung der Symptome von Long Covid und ME/CFS feststellen lässt, könnte der Forschungs-Boom rund um Long Covid also auch Millionen von Menschen zugutekommen, die bisher über ihre Erkrankung im Dunklen gelassen wurden.


Viele weitere spannende Beiträge und Interviews über und mit Frauen, die in Sachen Innovation vorangehen, finden Sie in unserem aktuellen Magazin:

https://sheconomy.shop/

Fotomaterial© Bernd Wüstneck

STAY CONNECTED