Empion hat als HR-Start-up ein Jahr nach der ersten Pre-Seed-Runde nun eine Seed-Finanzierung in Höhe von 6 Mio. Euro abgeschlossen. Sie haben dafür nicht einmal ein Pitchdeck gebraucht, es gibt sogar weitere interessierte Investoren – ist das nur mit dem aktuellen KI-Hype zu erklären?
KI-gestützte Technologien werden sicher gerne finanziert, aber das ist nicht der einzige Grund. Wir haben schon lange regelmäßig mit möglichen Investoren gesprochen, als noch nichts Konkretes im Raum stand. Tatsächlich genieße ich Investorengespräche sogar, denn durch den offenen Austausch ergibt sich immer ein Mehrwert für alle Beteiligten und es entsteht Vertrauen. Das ist aus unserer Sicht die bessere und schönere Art des Fundraisings, denn es nimmt den Pitch-Stress. Vor allem ist damit sichergestellt, dass unser Investor – in diesem Fall Cavalry Ventures aus Berlin – auch persönlich zu uns passt. Auf diese Weise hat das Fundraising selbst nur rund 3 Wochen gedauert. Das war für unser operative Geschäft toll und wenig defokussierend; im Vergleich zu Fundraising-Prozessen, die sich über 6 Monate ziehen. Aber sicher spielt das Thema KI für Investoren derzeit eine große Rolle. Wir haben aber mit unserem Know-how, das wir unter anderem aus unseren Promotionen einbringen, ein Produkt entwickelt, das funktioniert und im Markt sehr gut ankommt.
Wofür setzen Sie das Geld bei Empion ein?
Wir verwenden es zu einem Großteil für die Weiterentwicklung und Stabilisierung unserer KI-Modelle, dafür brauchen wir auch ein größeres Team aus den besten Experten und Expertinnen, die wir finden können.
„Wir geben Investoren die Chance, deren Geld zu vermehren“
Häufig hört man, dass es Frauen bei der Suche nach Investments schwerer haben – das können Sie dann offenbar nicht bestätigen?
Das stimmt, aber auch wir brauchten gewissermaßen einen „Mindset-Shift“ in Bezug auf Fundraising – und das, obwohl meine Mitgründerin Larissa Leitner und ich aus Unternehmer-Familien kommen. Im vergangenen Jahr hatte ich ehrlicherweise noch Probleme damit, nach Geld zu fragen. Es kam mir vor, als würde ich nach einer Spende fragen. Aber das ist Unsinn: Wir geben Investoren schließlich die Chance, deren Geld zu vermehren. Wenn man das versteht, sind wunderbare Gespräche und Verhandlungen auf Augenhöhe möglich. Unsere Mentorin Anna Kaiser, u.a. Mitgründerin von Tandemploy, hat uns bei vielen solcher Themen sehr geholfen.
Haben Sie einen Tipp für andere Gründerinnen in diesem Zusammenhang?
Mehr Mut zu großen Investments – 200 000 Euro ist nicht viel Geld, wenn man eine große Vision hat und ein Unternehmen aufbauen will, auch wenn es sich erst einmal viel anhört.
Gibt es Angst vor Konkurrenz? Sie sind ja nicht die einzigen HR-Start-ups, die mit KI arbeiten…
Stimmt, es gibt andere Start-ups in diesem Segment, darüber hinaus arbeiten auch große Player an KI-Modellen. Wir sind im Patentierungsprozess und haben durch unser Know-how im Bereich von Individualisierungsmodellen einen Markt-Vorsprung. Wir denken aber gar nicht in der Dimension „Konkurrenz“, sondern tauschen uns recht offen mit anderen Unternehmen aus – auch mit den großen Playern im Markt. Ich bin eine große Freundin davon, Informationen zu teilen und habe schon sehr viel in diesen Gesprächen gelernt.
Was können Sie denn, was andere nicht können?
Wir haben auf der Basis unserer Promotionen zu Individualisierungsmodellen das erste automatisierte Headhunting-System für den Fachkräftemarkt entwickelt. Oder anders: Wir haben erkannt, dass die Zeit der Stellenanzeigen vorbei ist – denn „one size fits all“ funktioniert für Arbeitgeber und Beschäftigte nicht mehr. Wir arbeiten dagegen mit Persönlichkeitsmerkmalen und Werten, also den so genannten „weichen“ Faktoren. Diese Faktoren werden bislang im Recruitingprozess nicht abgebildet, sind aber ausschlaggebend für einen Jobwechsel – Dinge wie die Beziehungen zu ihren Führungskräften oder Weiterbildungschancen. Unser KI-Modell bringt Talente und Unternehmen auf der Basis individueller Präferenzen zusammen. Dafür verwenden wir selbst erhobene Daten und einen anonymisierten Datenpool sowie ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept, das auch mit Hilfe unserer Kunden ständig verbessert wird.
„Wir brauchen regulatorische Rahmenbedingungen, die das Anwenden von KI-Systemen ermöglichen“
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Chancen für KI in der HR?
Richtig eingesetzt, führen datengetriebene Entscheidungen zu fairen, objektiven Entscheidungen. Übrigens aus meiner Sicht eine große Chance, realer Diskriminierung durch den Menschen entgegenzuwirken. Darüber hinaus können wir schon heute massive Effizienz- und Qualitätsgewinne im Sourcing und Screening von Kandidaten zeigen und das ist wunderbar zu sehen.
Aus der Perspektive der EU-Regulierung wird HR wohl als Bereich mit hohem Risiko eingestuft. Was heißt das für Empion?
Aus meiner Sicht ist diese Einordnung noch nicht ausreichend reflektiert. Wir brauchen regulatorische Rahmenbedingungen, die das Anwenden von KI-Systemen ermöglichen; hier sind große Datenmengen erforderlich. Denn nur wenn wir anwenden, können wir schnell monetarisieren, um wieder Geld in Grundlagenforschung zu investieren. Grundlagenforschung, die wir brauchen, um KI-Systeme nach unseren europäischen Wertvorstellungen zu entwickeln. Hier ist eine europäische Strategie erforderlich. Ich wünsche mir transparente Systeme und dafür können wir eine Menge tun, etwa starke Dokumentation oder Transparenz im Feature Design selbst. Am Ende ist KI erstaunlich menschlich, auch sie macht Fehler – und diese Fehler können wir mit rasanter Geschwindigkeit beheben; das zeigen viele Bespiele.
Sie haben viel Zeit in den USA verbracht – würden Sie unter diesen Umständen lieber dorthin expandieren?
Die USA ist ein logischer Expansionsschritt für uns. Aber der Standort Berlin und damit Deutschland und Europa steht bislang nicht zur Disposition. Wir wollen KI-Systeme nach unseren eigenen europäischen Wertvorstellungen entwickeln – das liegt uns sehr am Herzen.
Sie kommen aus der Mathematik – wenn Sie über Ihre Arbeit reden, strahlen Sie pure Freude aus. Woher kommt die Faszination für Zahlen?
Mich begeistert die Effizienz, die Einfachheit. Die schwierigsten Probleme haben oft die einfachsten Ergebnisse, und in der Einfachheit liegt die Eleganz. Auf die Mathematik übertragen heißt das für mich: Der Moment, in dem ein Modell funktioniert, ist nahezu magisch.