Wie steht es aus Ihrer Sicht um den Innovationsstandort Europa?
Die Diskussion über den Innovationsstandort Europa muss nicht nur intensiver geführt werden, sondern vor allem sektorenübergreifend und unter Einbezug von Stakeholdern der verschiedenen Handlungsfelder, der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, und der Künste. Wir müssen die unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringen, damit wir adäquat bestimmen können, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um Innovation zu fördern. Der globale Konkurrenzdruck ist enorm, und Europa droht in vielen Bereichen hinter der Spitze zurückzufallen. Damit nimmt sich Europa nicht nur an Wirtschaftskraft, sondern auch an politischem Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Sich in erster Linie auf Bestandswahrung zu kaprizieren bringt uns nur weiter ins Hintertreffen.
Welche Maßnahmen sind nötig, um den Standort zu stärken?
Beim Europäischen Forum Alpbach wurde intensiv diskutiert, wie Europa sich als Innovationsstandort im internationalen Wettbewerb behaupten kann. Ein bold Europe, so das Motto des diesjährigen European Forum Alpbach (EFA), ein mutiges Europa, ist aus unserer Sicht ein Europa, das in der heutigen, multipolaren Welt Gestaltungsmacht besitzt. Etwa Klimapolitik und Gestaltungsmacht gehen mit Innovationsfähigkeit Hand in Hand. Für eine innovative Klimapolitik braucht es ein Ökosystem, in welchem Experimentierfreudigkeit, Forschergeist und Bereitschaft zum Risiko unterstützt werden, und eine „entrepreneurial culture“ gelebt wird. Dies setzt mit der frühkindlichen Erziehung ein und zieht sich durch die Schulsysteme hindurch. Manche Länder Europas gehen da beispielhaft voran, etwa die Schweiz, um nur eines zu nennen, in anderen ist davon wiederum wenig zu erkennen.
Was heißt das konkret?
Die vielen verschiedenen Politikansätze zur Förderung von Innovation sind sich vor allem in einem Punkt einig: Wir brauchen Finanzinstrumente und die nötige finanzielle Ausstattung etwa zur Forschungsförderung. Und wir brauchen rechtliche Rahmenbedingungen, die Innovation ermöglichen statt diese zu behindern. Auch die Förderung der Bildungs- und Karrieremigration gehört hierzu, der Zirkulation von Wissen und der Mobilität von Talenten und Wissenträgern sowohl nach Europa als auch innerhalb Europas. Europa ist nach wie vor ein Magnet, was Demokratie, kulturelle Vielfalt und einen liberalen Lebensstil betrifft. Standortpolitik hat sich ganz wesentlich also auch darum zu kümmern, diesen Lebensstil und die demokratische Kultur zu erhalten und gegen Kräfte zu schützen, die sie zu destabilisieren versuchen.
THE CIVICS ist eine paneuropäische NGO mit Zentren in Bonn, Sofia und Zagreb. Die Organisation unterstützt Bürger:innen bei der Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit – wie Bedrohungen der Demokratie, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels, wachsende Polarisierung oder soziale Spaltung. Ziel ist es, die demokratischen Kompetenzen, die Selbstwirksamkeit und die Widerstandsfähigkeit der Bürger:innen in ganz Europa zu stärken, damit diese die vielfältigen Realitäten der politischen Bildung besser verstehen. Die Erforschung und Schaffung neuer Lernräume sollen dazu beitragen, Gedankenaustausch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erleichtern.