Dorothee Ritz, General Managerin von Microsoft Österreich, spricht im Interview über ihre Vorbildfunktion, den niedrigen Frauenanteil in der IT-Branche und ihren ungewöhnlichen Karriereweg.
Sheconomy: Die digitale Transformation ist das große Thema in der Wirtschaft. Was verstehen Sie konkret darunter?
Dorothee Ritz: Für Microsoft wie für jedes Unternehmen gilt heute, dass wir immer mehr mit Daten zu tun haben. Daraus kann Nutzen gezogen werden: Wenn ich mehr über meine Kunden weiß, kann ich sie leichter finden und besser ansprechen. Außerdem können Arbeitsprozesse mithilfe von Daten optimiert werden, und es kann eine intelligente Arbeitswelt geschaffen werden. Dazu kommt das Schaffen von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen. Die Kernfrage für Unternehmen aber ist: Wie fange ich an? Unternehmen müssen wissen, wo sie stehen und was ihnen am meisten bringt. Sie müssen Prioritäten setzen.
Für Microsoft hat derzeit Künstliche Intelligenz (KI) Priorität. Bei diesem Thema sind aber viele Unternehmen unsicher, was das bringen soll.
Zunächst ist es wichtig, zu wissen, dass die meisten von uns KI ja längst nutzen – etwa, wenn wir Preise auf Shoppingportalen oder bei der Flugbuchung vergleichen. KI hat auch viel mit der Sprache zu tun, etwa bei Übersetzungen. Viele von diesen Anwendungen gibt es standardisiert, und Unternehmen können sie einsetzen. Ein Service-Bot kann beispielsweise Kernfragen bei Kundenanfragen beantworten – und das in vielen Sprachen. Meine Kernfrage ist immer: Was beschäftigt das Unternehmen derzeit am meisten, wofür wird das meiste Geld ausgegeben? Es ist wichtig, Ziele zu definieren – zum Beispiel ein verbessertes Kundenservice. Für jede Anwendung gibt es heute schon KI-Anwendungen von der Stange oder ganze Baukästen. Die Systeme müssen dann nur angelernt werden. Österreichs Wirtschaft ist klein strukturiert.
Tun sich KMU mit der Digitalisierung schwer?
Wir haben ein Partner-Ökosystem von 3.500 Partnern, das sind größtenteils KMUs. Daher ist es für uns ein großes Anliegen, dass diese Unternehmen mit uns digitalisieren. Wir investieren viel in diesen Bereich und zeigen KMUs, wie sie mit der Cloud Geld verdienen und sich technologisch fit für die Zukunft machen.
Die Cloud ist ein großes Thema. Tut man sich als US-Konzern da nicht schwer, Sicherheitsbedenken europäischer Firmen zu zerstreuen?
Gegen Cloud-Services gibt es grundsätzlich Bedenken, die wir ausräumen müssen. Da gibt es Angst aus Unwissen – aber das betrifft eine amerikanische Cloud ebenso wie eine europäische. Microsoft ist seit 25 Jahren hier vor Ort, wir agieren also lokal. Wir gehen auch mit der Datenschutzgrundverordnung konform.
In Österreich ist unter anderem die Idee einer Österreich-Cloud von Politikern angesprochen worden.
Wenn jemand glaubt, dass heute noch Territorialität mit Souveränität gleichzusetzen ist, haben wir viel Aufklärungsbedarf. Ich brauche heute eine ganz moderne Dateninfrastruktur und neue Technologien, um meine Daten zu sichern – darauf kommt es an.
Sie haben Jus studiert und waren als Journalistin tätig. Ist Ihre Karriere ein Beispiel dafür, dass es im Management heute nicht unbedingt der klassische Weg sein muss?
Ja, Karrieren sind heute zum Glück viel diverser als früher. Auch bei Microsoft kommt es nicht unbedingt auf ein Studium an, wir haben viele Studienabbrecher, die hier sehr erfolgreich arbeiten. Ich bin dafür, dass man sich ein Ziel setzt.
Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?
Für mich war immer klar, dass man mit Information und Kommunikation die Welt verändern kann. Das war stets mein Antrieb. Ich bin sicher, dass digitale Plattformen den Menschen ganz neue Möglichkeiten bieten. Karriere und Erfolg haben aber nichts mit Titeln oder Umsatzgrößen zu tun. Für mich war immer entscheidend, dass ich in einen Bereich gehe, in dem ich etwas Neues lerne. Ich musste immer das Gefühl haben: Schaffe ich das? Kann ich das? Dann ist es gut, dann lerne ich viel. Dem bin ich treu geblieben.
»Die Vorbildfunktion, die ich als weibliche Geschäftsführerin mit zwei Kindern habe, wirkt sich da natürlich auch aus. Man muss es eben ernst meinen.«
Sie werden häufig darauf angesprochen, als Frau die Chefin eines IT-Unternehmens zu sein. Sollte das nicht längst selbstverständlich sein?
Ich bin von solchen Fragen auch schon gelangweilt. Aber die IT-Branche wird noch immer von Männern dominiert. Ich selbst habe mich nie als Frau in der IT gefühlt, ich bin Juristin und Journalistin. Es ist wichtig, dass wir das Thema ganz bewusst fördern. Die Zahl der Studienanfängerinnen in technischen Bereichen ist eher rückläufig, dem müssen wir entgegenwirken. Bei Microsoft haben wir das Problem aber nicht: In der Geschäftsleitung sind wir zu 40 Prozent Frauen, über das ganze Unternehmen gesehen liegt der Frauenanteil bei Leitungspositionen ebenso zwischen 36 und 40 Prozent. Die Vorbildfunktion, die ich als weibliche Geschäftsführerin mit zwei Kindern habe, wirkt sich da natürlich auch aus. Man muss es eben ernst meinen.
Was ist Ihnen als Managerin wichtig?
Ganz wichtig ist mir Empathie, also echtes Interesse an Menschen. Wir verbringen viel Zeit mit der Arbeit und erwarten, dass jeder sein Bestes gibt und sich weiterbildet. Ich muss mich mit dem Menschen als Ganzes beschäftigen. Das ist nicht mit Freundschaft zu verwechseln. Empathie kann auch heißen, jemandem zu sagen, dass dies hier nicht das Richtige ist. Außerdem ist Vertrauen extrem wichtig: Nachhaltig erfolgreich kann man heute ja nur sein, wenn in Teams gearbeitet wird. Es geht nicht mehr, dass Chefetagen abgeschottet sind.
Microsoft arbeitet auch in Österreich mit einem offenen Bürokonzept. Wie funktioniert das?
Wichtig ist, dass man klare Regeln schafft und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen diese mitbestimmen können. Wir prüfen auch ständig, ob etwas funktioniert. Entscheidend ist aber die Unternehmenskultur, die das fördert. Ein Beispiel: Wir haben Tische, an denen Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Partner sitzen und dabei einen Kaffee trinken können. Wenn ich da vorbeigehe und die Mitarbeiter denken, ich glaube ihnen nicht, dass sie gerade arbeiten, ist die Kultur tot. Bei Videokonferenzen, an denen die Kollegen und Kolleginnen von überall teilnehmen können, darf auch mal im Hintergrund ein Kind durchs Bild flitzen. Und dennoch muss klar sein, dass hier voll konzentriert gearbeitet wird.