Mariana Karepova © Susanne Einzenberger

Als Chefin des Österreichischen Patentamts ist Mariana Karepova Hüterin über eine Vielzahl an Erfindungen. Doch auch ihr Ideenreich ist nicht frei von Ungleichheiten. Nur sechs Prozent aller individuellen Patentanmeldungen kommen von Frauen. »Das hat mehrere Gründe«, erklärt die studierte Volkswirtin. »Patente melde ich dann an, wenn ich eine Absicht habe. Wenn ich eine Innovation für mich in Anspruch nehmen will, weil ich zum Beispiel ein Unternehmen starten möchte. Oder auch, wenn ich Patente für meine Karriere oder bloß für meine Selbstbestätigung brauche.« Im Vergleich zur Forschung, die in erster Linie von Neugierde getrieben wird, seien das vor allem »egoistische« Gründe. »Und wir wissen, dass es mit ‚Egoismus‘ bei Frauen im Beruf meistens nicht so gut aussieht«, so Karepova.

Das erklärt vieles, aber längst noch nicht alles. Gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien hat das Österreichische Patentamt deshalb fünfzehn besonders innovative Firmen genauer unter die Lupe genommen. Mit folgendem Ergebnis: »Patente entstehen vor allem in Projekten, in Netzwerken. Frauen haben da Nachteile. Das Handwerk des Netzwerkens erlernen Männer früher als Frauen. Und wenn Frauen bei Forschungsprojekten mitarbeiten, bewegen sie sich eher am Rand des Netzwerks. Frauen ist es auch oft nicht wichtig genug, im Patent als Erfinderinnen genannt zu werden.« Darüber hinaus hätten Frauen auch in puncto Selbstvertrauen einiges aufzuholen, denn auch in diesem Bereich sei es ungemein wichtig, sich nicht von Vorbildern und »großen Namen« einschüchtern zu lassen. »Frauen nehmen sich schneller aus dem Spiel, weil sie der Meinung sind, sicher nichts Neues oder Großes erfunden zu haben«, fasst Karepova zusammen, die Vorbildern eine wichtige Rolle zuweist. Und zwar den positiven wie auch den negativen. »Von den negativen kann man auch wunderbar lernen, wie man es nicht machen soll. Eine Erfahrung von unschätzbarem Wert.«

Ob sie sich selbst als Vorbild sieht? »Das weiß ich nicht, das müssen wir die anderen fragen. Was ich aus meiner bisherigen Berufs- und Lebenserfahrung gerne teilen würde, ist die Bereitschaft, sich zu verändern und Neuland zu betreten.« Kurz: öfter »ja« zu sagen, wenn man gefragt wird, obwohl es manchmal eine Überwindung ist. Schließlich kann es ja sein, dass der eigene Erfindergeist schon seit einiger Zeit im dunkelsten Turm des Ideenreichs festsitzt und dort darauf wartet, befreit zu werden. Eine Erfindung ist der ersten Frau an der Spitze des Österreichischen Patentamts in der letzten Zeit besonders im Gedächtnis geblieben: »Charlotte Ohonin hat ein Gerät erfunden, mit dem menschliche Stammzellen genützt werden, um komplexe Gehirngewebe herzustellen. Sie kann damit Medikamente für neurologische Erkrankungen eines konkreten Patienten testen, ohne seinen Körper zu berühren. Dafür wird eine Miniatur des Organs auf einem Chip – und eben nicht im Körper – hergestellt. Organ-on-Chip nennt sich die Technologie, die sich gerade zum Megatrend auswächst.« Biotechnologie, Pharmazie und diverse chemische Disziplinen sind auch jene Bereiche, in denen Frauen am häufigsten Patente anmelden. Unterrepräsentiert sind sie hingegen im Maschinenbau und der Elektrotechnik. Die Mehrzahl der Patentanmeldungen kommt allerdings aus diesen männerlastigen Industriezweigen.

Der Blick nach Deutschland ergibt ein ähnliches Bild. Auch bei unseren Nachbarn im Norden sitzt eine Frau an der Spitze des Patentamts, Cornelia Rudloff-Schäffer – während der Großteil der Patente von Männern angemeldet wird. Wie eine statistische Analyse des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) ergab, lag der Frauenanteil bei den Erfinderbenennungen für die im Jahr 2017 in Deutschland veröffentlichten Patentanmeldungen bei 6,3 Prozent. »Frauen haben die gleichen Fähigkeiten wie Männer. Mit gut sechs Prozent Erfinderinnenanteil nutzen wir das Innovationspotenzial unseres Landes aber nicht optimal aus«, sagt DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer. »Wir müssen die Fähigkeiten von Frauen stärker nutzbar machen, wenn wir unsere Spitzenstellung in Forschung und Entwicklung behaupten wollen.« Die geringe Anzahl weiblicher Patentanmeldungen im Bereich technischer Innovationen ist auch das Ergebnis eines anhaltenden Geschlechterungleichgewichts in den Studiengängen der sogenannten MINT-Fächer. Aber nicht nur, wie Cornelia Rudloff-Schäffer in einer Pressemeldung des DPMA betont.

Immerhin liegt der Anteil der Absolventinnen technischer Studiengänge wie Maschinenbau, Bauingenieurwesen und Elektrotechnik in Deutschland seit mehr als 15 Jahren bei über 20 Prozent, in den Naturwissenschaften sind es sogar mehr als 40 Prozent. »Die Zahlen legen nahe, dass mit der Wahl des Studiengangs noch lange nicht alle Weichen gestellt sind«, so Rudloff-Schäffer. »Auf dem Weg von der Hochschule bis zur marktfähigen Erfindung wird ein erheblicher Teil weiblichen Innovationspotenzials nicht ausgeschöpft.« Traditionelle Gesellschaftsbilder, die Frauen den Großteil der Versorgungsarbeit zuschreiben, dürften dabei ebenso eine Rolle spielen, wie das von Mariana Karepova angesprochene fehlende Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wenn es nach der Chefin des Österreichischen Patentamts geht, sind aber auch die Institutionen gefragt: »Frauen haben größere Chancen, in Patentanmeldungen namentlich genannt zu werden, wenn man sie in den Projektteams an die leitenden Stellen setzt.«

Cornelia Rudloff-Schäffer © Barbara Gandenheime

Erfindungen im Überblick

Österreich:

Fast 11.000 Innovationen sind 2019 im Österreichischen Patentamt eingegangen, darunter 6.261 Marken und 2.724 Erfindungen. 41 Prozent der Erfindungen stammen aus der Sparte Maschinenbau, nur 11 Prozent aus dem Bereich Chemie. Mit 169 angemeldeten Erfindungen hat die AVL List am meisten Patente angemeldet.

Deutschland:

67.437 Patente wurden im Jahr 2019 in Deutschland angemeldet, mehr als 15.000 davon in Baden-Württemberg. 86,4 % der Patente wurden online eingereicht. Mit 12.836 Anmeldungen liegt das Technologiefeld »Transport« in Deutschland ganz vorne.