StartOpinionDranbleiben statt zumachen

Dranbleiben statt zumachen

Was ist das schlimmste Ergebnis einer Studie? Wenn alle Klischees bestätigt werden. Wenn es einfach gar keine Studie gebraucht hätte, weil man das Resultat ohnedies schon vorher tausendfach gelesen und gehört hat.

Erst vor wenigen Wochen war dies wieder einmal der Fall. Inhaltlich ging es um „Gendered Ageism“, gleich eine doppelte Diskriminierung: um Benachteiligung durch das Alter und des Geschlechts. Die Autorinnen gaben ihrer Arbeit noch einen zweiten Titel: „Never Right Age Bias“. Jetzt dürfen alle hier dreimal raten, worum es sich bei der Studie „Niemals im richtigen Alter“ handelt. Wobei einmal raten vermutlich reichen würde. Genau. Es geht um Frauen, die niemals das richtige Alter haben, um beruflich erfolgreich zu sein. Sind sie zu jung, werden sie nicht für voll genommen und häufig für Praktikantinnen oder Sekretärinnen gehalten. Erreichen sie die 30, gelten sie als Anwärterinnen für Mutterschaft. In ihren 40-ern hätten sie zu viele „familiäre Verpflichtungen“ und ab 50 wirkten sie oft nicht mehr „vital genug“. Ein Lebenslauf der Unzulänglichkeiten, festgemacht an der biologischen Uhr. Man kennt ja so ein typisches Frauenleben. So ein typisches Männerleben sieht allerdings heute auch kaum besser aus. Zumindest wenn man einen Blick auf Zahlen und Fakten wirft. Immer öfter ist es – das Männerleben – gespickt mit Schul-, Studium- oder sonstigen Ausbildungsabbrüchen; denn heute gibt es längst mehr Abiturentinnen/Maturantinnen und Akademikerinnen als männliche Pendants dazu. Nähern sie sich der Mitte 30, erleben Männer die erste Midlife-Crisis; mit Mitte 40 haben sie oft schon das Ende ihrer Karriereleiter erreicht. Krise, Umschulung, Neubeginn. Medizinisch gesehen kommen sie (genauso wie die meisten Frauen) zwischen 50 und 60 in die Wechseljahre und gelten bei Jüngeren rasch als „vorgestrig, zänkisch oder schrill“. Eine Beschreibung, die in der anfänglich erwähnten Studie übrigens den Frauen zugeschrieben wird, – aber haben Sie schon mal Millennials, Gen Z oder Gen Alpha gehört, wenn sie sich über alte, weiße Männer auslassen? Na eben. Trotz dieses beruflichen Unfähigkeits-Gleichstands zwischen Männern und Frauen, schaut es karrieremäßig für Männer derzeit (noch) besser aus. Die Gründe dafür sind bekannt: Beim Netzwerken und im Nach-oben-Streben haben sie historischen Vorsprung. Einmal ihr Ziel vor Augen, lassen sie sich allerdings auch nicht so leicht verunsichern wie Frauen – selbst dann, wenn der Weg dorthin steinig ist. Das hängt einerseits stark mit einer Erziehung zusammen, die fordernde, etwas lauter auftretende Mädchen nach wie vor eher abwertet, ganz egal wie klug diese sind. Andererseits mit Unternehmenskulturen, die ein offensiv zupackendes Verhalten deutlich stärker befördern als jenes, das auf Austausch und Teamgeist baut. Die gute Nachricht: In meinem Berufsalltag erlebe ich immer öfter, wie sich klassische Muster auflösen. Seitens der (jungen) Frauen genauso wie der (jungen) Männer. Aber auch seitens der Unternehmer, die spüren, dass sie sich dem Paradigmenwandel anschließen müssen, wenn sie dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben wollen. Längst handelt es sich dabei nicht mehr nur um „Ausnahmen“ – dafür sorgen Bewertungsplattformen wie kununu, Ranking-Organisationen, die Unternehmen mit auffallend positivem Frauenanteil (bis in die Führung) promoten, Soziale Medien wie LinkedIn oder Xing, auf denen offene Werte-Diskussionen stattfinden, oder Initiativen wie #alliesforequity by WEconomy. Daher würde es uns alle weiterbringen, wenn wir unser Augenmerk und unsere Konzentration auf diese neueren Entwicklungen lenken – und uns trotz unerfreulicher Studien im Hinterkopf täglich memorieren: Dranbleiben!


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