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Die Sache mit der Vier-Tage-Woche

Eine Reduzierung der Arbeitszeit hätte viele Vorteile. Ein aktuelles Panel bei der Konferenz republica 2023 zeigt, warum es höchste Zeit für mehr Flexibilität ist. Magdalena Rogl, Head of Diversity & Inclusion bei Microsoft Deutschland, Buchautorin und Beraterin Sara Weber und Nina Strassner, Global Head of People Initiatives SAP SE, diskutierten zu konkreten Schritten mit Moderatorin und Consultant Sue Reindke und lieferten neue Argumente.

Gemeinsames Essen macht im Sommer noch mehr Spaß, gemeinsames Diskutieren nicht immer. Im Moment ertappe ich mich dabei, nicht in jedes Gespräch voll einzusteigen, etwa wenn es um zwei Uhr morgens am Lagerfeuer weinselig ums Thema Gendern geht. Manchmal bin schlicht zu müde, um meine Argumente zu vertreten.

Bei der Viertagewoche konnte ich mich kürzlich dennoch nicht zurückhalten. Auf der Suche nach weiteren Fakten durfte ich ein paar Tage später ein Fach-Panel erleben, dass jede Menge differenzierte und neue Aspekte zur Zukunft der Arbeit zu bieten hatte – gesehen im Rahmen der republica 2023, dem großen Festival für die digitale Gesellschaft in Berlin (Hier geht´s zum Video ab 1:22).

Mit auf der Bühne: Autorin Sara Weber, die gerade das Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ veröffentlicht hat. Darin zeigt sie u.a. auf, dass wir spätestens seit Corona die Probleme der Arbeitswelt sehen. Aber: „Wir stecken im Matsch unserer Müdigkeit fest und kommen nicht mehr raus, weil uns eine Mischung aus Pandemie, Klimakriese, Krieg und all den anderen Katastrophen, die unser Leben gerade bestimmen, dort festhält.“

Eine Lösung für mehr Zeit und damit auch mehr Gerechtigkeit könne die Reduzierung der Arbeitszeit sein. Dabei gehe es nicht darum, alles Bisherige in vier Tage zu pressen, machte Nina Strassner, Global Head of People Initiatives SAP SE, in Berlin klar. Vielmehr seien grundsätzliche Veränderungen und mehr Flexibilität im System Arbeit nötig. Weniger sinnlose „Bullshit“- Meetings zum Beispiel. Tätigkeiten entlüften, neue Technologien sinnvoll einsetzen und auch mal Kanäle streichen, statt über die vermeintlich gewonnene Effizienz das Tempo noch mehr anzuziehen. Das Thema sei in den Unternehmen angekommen, so Strassner.

Beispiele aus Island und Großbritannien machen bereits Hoffnung, dass mit einer klugen Flexibilisierung Krankentage verringert und die Lust der Fachkräfte, sich einen neuen Job zu suchen, abnimmt. Die Vier-Tage-Woche findet nach einer aktuellen Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung auch in Deutschland breite Zustimmung unter den Beschäftigten – allerdings unter der Voraussetzung, dass Lohn und Gehalt nicht gekürzt werden. Die meisten Befürworter:innen des Modells nannten als Hauptgründe für ihren Wunsch nach einer verkürzten Arbeitszeit das Bedürfnis nach mehr Zeit für die Familie, für sich selbst, Hobbys und Ehrenamt. Eine Vier-Tage-Woche könnte somit dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, meinen die Forschenden.

Diesen Punkt hebt auch Sara Weber in ihrem Buch hervor – denn wo soll noch die Energie für Politik oder eine Funktion im Sportverein herkommen, wenn wir kollektiv überarbeitet sind, Care-Verpflichtungen warten und wir nur noch dem (durch digitale Tools immer schwerer abgrenzbaren) Feierabend entgegen ächzen?

Dazu müssen wir vielleicht mal etwas verlernen, Glaubenssätze über uns selbst etwa, wie Magdalena Rogl, Diversity & Inclusion Lead bei Microsoft Deutschland in Berlin ermutigte. Unsere Kinder zum Beispiel nicht mit dem „was willst Du werden“ nerven, wo doch so viele Berufsbilder noch gar nicht bekannt sind – sondern eher fragen: Wie willst Du werden? Das könnte auch eine spannende Frage an uns selbst und unsere Rolle im System Arbeit sein.


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Fotomaterial© republica
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