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Die Macht der Sprache

Was darf „man“ eigentlich noch sagen, werde ich in meinem Umfeld häufig gefragt. Nicht selten schwingt ein leicht genervter Unterton mit. Da ist natürlich die Sache mit dem Gendern, dessen Sinn noch immer nicht überall angekommen ist und dessen Umsetzung selbst in vermeintlich geübten Kreisen längst noch nicht lupenrein gelingt.

Umso wichtiger, dass wir weitermachen. Es ist vielleicht eine alte Weisheit, aber es kann gar nicht häufig genug gesagt werden: Sprache schafft Realität. Und wenn wir die Gleichstellung der Frau und mehr Diversität auf allen Ebenen ernst meinen, gehört genderinklusive und diversitätssensible Sprache dazu.

Dabei können auch Fehler entstehen, denn wir stecken mitten drin in einer intensiven Phase der Veränderung und der Weiterentwicklung von Sprache. So etwas könnte Ihnen nicht passieren? Ältere Jahrgänge sind leider mit zahlreichen Redewendungen aufgewachsen, die teils von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke umgemünzt wurden. Ausdrücke mit Bezug zum Schlachtfeld finden sich weiter in zu vielen Überschriften, viel zu leichtfertig werden zum Beispiel noch immer Floskeln wie „auf dem Vormarsch“ genutzt. Keine Frage: Das Nachdenken darüber hat viel zu spät eingesetzt, und so ein Sprachgebrauch wiegt schwer.

Aber der Wandel ist da. Ein Wandel, den bestimmte gesellschaftliche Gruppen als Bedrohung sehen und der das Potenzial zur weiteren Spaltung hat. Genaues Hinschauen, eine höhere Sensibilität und der Rat von Expert:innen sind jetzt gefragt. Eines der wertvollsten Bücher dazu hat die Autorin Kübra Gümüşay mit „Sprache und Sein“ veröffentlicht.

Auch beim Thema Gewalt oder Mord an Frauen spielt Sprache für die Wahrnehmung eine maßgebliche Rolle. Statt den Begriff Femizid zu verwenden, der laut Duden die tödliche Gewalt gegen Frauen oder einer Frau aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet, werden in den Medien noch viel zu häufig Begriffe wie „Familiendrama“ oder „Beziehungstat“ verwendet, die diese Gewalttaten verharmlosen.

Gerade wir „Text-Profis“ haben eine große Verantwortung, das mächtige Instrument Sprache bestmöglich und sensibel einzusetzen. Aber auch im Alltag lohnt es sich, gewohnte Redewendungen zu hinterfragen. Dabei geht es nicht um erhobene Zeigefinger, sondern um Empathie und Bewusstsein. Leichter lässt sich Gutes kaum in die Welt tragen.

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