Es heizt sich ständig weiter auf. Nicht nur draußen in der Natur, sondern auch in unserer Gesellschaft findet eine besorgniserregende Klimaerwärmung statt. Der grausame Terrorakt der Hamas vor zwei Wochen hat den schwelenden Konflikt zwischen Israel und Palästina voll zum Ausbruch gebracht. Nun haben wir einen zweiten Krieg, der Europa und die westliche Welt erschüttert. Bilder des Schreckens und Terror-Angst. Diskussionen, die mit martialischem Eifer geführt werden. Kein Tag, der einen nicht mit sich verhärtenden Fronten konfrontiert: an den Schauplätzen des Horrors, in zahlreichen TV-Diskussionen, im privaten Umfeld, weil das Thema jeden auf irgendeine Art betrifft oder betroffen macht.
Aber geben wir doch zu. Auch vor dem Israel-Konflikt war bereits vieles aus der Balance für ganz viele Menschen – in deren eigenem Raum und Umfeld: der Karriere-Backlash, den zahlreiche Frauen seit Corona erfahren. Die sich zuspitzende Stimmung Jung gegen Alt. Der Dauerstreit auf den Straßen, SUV gegen Lastenfahrrad, Fußgänger gegen Radfahrer, alle gegen die Scooter. Und so weiter. Kleine Kriege des Alltags, die in die Gesellschaft tiefgehende Wunden reißen. Denn die Argumente werden immer bissiger, emotionaler und fern jeder Sachlichkeit.
An vielen Tagen regen mich diese Dinge enorm auf, und ich frage mich, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit unserer Debattenkultur geschehen ist, und welche Mitverantwortung die Medien daran tragen. An anderen Tagen aber katapultiert mich der – vergleichsweise zu den großen Problemen der Welt – künstlich hochgepushte Konfliktschauplatz in Jugenderinnerungen zurück. Da gab es ebenfalls diese Art von „Glaubenskriege“. Die hießen z.B. „Volkswagen oder Opel?“ als ich ein Kind war, in meiner späteren Jugend „Beatles oder Rolling Stones?“, „Grüne oder Atomkraft?“. Oder „Burgund oder Bordeaux“? in den von Wachstum gesegneten 1990er-Jahren, als sich für viele Menschen das gute Leben öffnete. Gibt es nicht auch bei Ihnen solche Listen im Souvenirs-Fundus, über die Sie heute schmunzeln können? Und wie war das damals? Natürlich lag man einander sofort in den Haaren, aber irgendwann waren die Totschlagargumente fad. Man versuchte es mit Diskussionen, sonst gab es kein Weiterkommen. Oft reichte die gegenseitige Erkenntnis, dass die/der andere für sein Anderssein Argumente und/oder eine Lebensgeschichte hatte. Und dies konnte wiederum neues Denken zur Folge haben. Gerade dieser Tage sollte man sich so einer Erfahrung gewahr sein und diese unbedingt als Möglichkeit ins Auge fassen.
Seit Jahrzehnten reden wir alle über Multikulturalität, über Verschiedenheit und Individualismus. Sagen heute Diversität dazu. Diversität am Arbeitsplatz, in den Schulen und Universitäten, im Wohnbau und Straßenbild, auf den Märkten und in den Lokalen. Aber wehe, sie überrascht uns im echten Leben dort, wo wir nicht vorbereitet oder ausreichend gebildet sind! Mal zugeben zu können: „Ich kenne mich nicht aus, aber erzähl‘ du mal…“ Offen für Verknüpfungen zu sein, für Gespräche auf Augenhöhe, für Verständnis, Unterstützung und versöhnende Allianzen. Gelebtes Allyship würde zur Abkühlung des überhitzten Raumklimas beitragen. Das wäre so wichtig, nicht nur dort, wo es um Politik geht.
Man kann ja klein beginnen. Jeder in seinem persönlichen Umfeld. Wenigstens im Kleinen müsste das „1,5-Grad-Ziel“ doch zu schaffen sein. Suchen auch Sie sich Verbündete für eine inklusivere Gesellschaft. Egal, in welchem Bereich. Egal, für welches Ziel. Damit wäre Wichtiges losgetreten. #alliesforequity
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