StartThemenSHEtech"Das Gründen muss so populär werden wie Skifahren"

„Das Gründen muss so populär werden wie Skifahren“

Wie entwickeln sich Tech Start-Ups in Österreich? Mit welchen Hürden haben Sie zu kämpfen und wieso ist die Frauenquote im IT-Bereich so erschreckend niedrig? Simona Hübl vom Growth Accelerator i5growth im Gespräch mit SHEconomy.

 

Was macht ein Growth Accelerator wie i5growth?

Bei uns bei der i5growth ist es so, dass wir den Fokus rein auf Technologie Unternehmen haben die wir in der Wachstumsphase sehr individuell unterstützen. Unternehmen, die besonders international viel Potenzial haben und gerade am Sprung sind, eben dieses zu nutzen. Der Schwerpunkt liegt auf Potenzial am US-Markt. Dort waren wir historisch viel unterwegs und sind sehr gut vernetzt und auch mit Leuten vor Ort aufgestellt. Wir unterstützen die Unternehmen dabei, ihr Marktpotenzial möglichst schnell zu manifestieren und zu realisieren indem wir dort Marktanteile erschließen. Das machen wir indem wir dabei helfen strategische Partnerschaften einzugehen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Unternehmen die „Company History Changing“ sein könnten weil sie eine gewisse Größe und Reputation haben die sozusagen als Multiplikator verwendet werden kann um dort möglichst schnell Fuß zu fassen. Da fädeln wir Partnerschaften ein, in der Vergangenheit mit den „Tier One“ Tech Unternehmen wie Google, Microsoft, Salesforce oder Facebook. Die weiteren Schritte bei denen wir unterstützen sind individuell abhängig davon, was sich aus diesen Partnerschaften ergibt. Das wird meistens schnell auch zu einem Human Resources Thema, weil eine starke Positionierung am US-Markt nur möglich ist, wenn man im Team Leute vor Ort hat. Das war jetzt durch die Corona-Pandemie alles etwas anders, aber sobald Treffen wieder uneingeschränkt möglich sind wird es wieder dazu übergehen, bei wichtigen Meetings auch persönliche Präsenz zeigen zu müssen. In unserer Erfahrung ist es für Europäische Unternehmen unerlässlich, Leute vor Ort zu haben um am US-Markt als wichtiger Player ernst und wahrgenommen zu werden. Wir unterstützen die Unternehmen dabei dort dieses Team aufzubauen und bei Bedarf eine Legal Entity (Anm. Rechtsträger) zu gründen. Wir finden heraus, wie wir uns positionieren müssen um wirklich einen Nerv der Zielgruppe zu treffen und einen Platz an jedem relevanten Verhandlungstisch zu bekommen. Vom Aufgabenbereich ist es im Grunde wirklich alles, was zum schnellen Wachstum dazu gehört. Von Business Development über Sales, HR, bis hin zu Kapital und Finanzierungsfragen.

Wieso liegt der Fokus bei Tech-Start-Ups in Österreich eher auf Wachstumsstartups? Wieso müssen erfolgreiche Start-Ups mit Aussicht auf Wachstum abwandern?

Ich würde garnicht sagen, dass erfolgreiche Tech Start-Ups abwandern müssen. Was wir sehen ist, dass im Normalfall in den USA wegen der persönlichen Präsenz ein Sales Team sitzt weil es das einfach braucht. Hinzu kommt bei viel Kontakt und Kommunikation, besonders mit der Westküste – wo die Techriesen ihren Sitz haben – die Zeitverschiebung von neun Stunden, die ein Problem darstellt weil man in Wahrheit nur ein paar Stunden hat, in denen man sinnvoll kommunizieren kann. Das heißt aber nicht, dass die ganze Company abwandern muss, sondern im Gegenteil. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, in Österreich das Tech-Team auf- und auszubauen und das Sales Team in den Staaten zu haben. Österreich hat dafür einen Standortvorteil, denn im Silicon Valley eine*n Entwickler*in zu finden ist schwierig. Die Konkurrenz mit den anderen Companies die dort sitzen ist stark und auf der anderen Seite ist es aktuell auch so, dass durch die Pandemie die Menschen wieder verstärkt abwandern aus den Mega-Cities.

“ÖSTERREICH HAT NICHT GENUG IT-FACHKRÄFTE UM DIE NACHFRAGE ZU DECKEN”

Wie groß kann man sich die „Tech-Szene“ in Österreich vorstellen? Ist Österreich ein „Tech-Land“?

Soweit würde ich noch nicht gehen, Österreich als „Tech-Land“ zu bezeichnen, obwohl wir das Potential schon hätten. Man hat aber in den letzten Wochen einige Dinge gesehen, die sich bereits über die letzten Jahre angebahnt haben. Unternehmen wie beispielsweise blackshark in Graz, die stark wachsen konnten und im Moment viele Tech Arbeitsplätze schaffen. Man sieht schon, dass sich was tut. Wir haben nach wie vor Aufholbedarf Tech-Themen in Österreich vor den Vorhang zu holen. Der IT-Fachkräftemangel ist etwas Omnipräsentes in Österreich. Zwar ist Österreich ein attraktiver Standort für Arbeitnehmer*innen in Hinsicht auf Lebensqualität, allerdings sind speziell Personen aus dem EU-Ausland mit einer Reihe von Hürden konfrontiert, wenn sie hier arbeiten wollen. Stichwort hierbei ist die Rot-Weiß-Rot Karte und co., das wird seit Jahren schon aus dem Start-Up Umfeld stark kritisiert. Da hat sich bisher wenig getan. Ich habe selber erlebt, wie aufwendig und mühsam es ist eine Rot-weiß-Rot Karte zu beantragen, noch dazu ist es mit viel Unsicherheit verbunden. Da muss sich wirklich etwas tun, denn wir haben in Österreich auf keinen Fall genug IT-Fachkräfte, um die Nachfrage selber zu decken.

Könnte der Fachkräftemangel auch damit zusammenhängen, dass die Frauenquote im IT-Bereich erschreckend niedrig ist und viele Frauen garnicht die Möglichkeit einer Karriere in dieser Branche sehen?

Ich glaube die niedrige Quote von Frauen die eine Technikausbildung beginnen ist eines der Hauptprobleme. Die Quote von Frauen die ein solches Studium abschließen liegt aktuell bei rund 15%. Hier muss man ansetzen. Wenn ich versuche mich daran zurückzuerinnern, wann ich mit dem Thema Technik als  Karriereoption als Mädchen in Berührung gekommen wäre fallen mir nicht viele Momente ein. Mittlerweile glaube ich, dass es mit Initiativen wie dem Töchtertag oder Frauen in der Technik besser geworden ist. Ich denke es ist wichtig, dass Staat und Bildungssystem mit solchen Initiativen sicherstellen, dass noch viel mehr Bewusstsein geschaffen wird. Das muss bereits in der Schule beginnen. Themen wie Coding-Wochen oder Gründungs-Boot Camps ist etwas das sich hoffentlich bald vor allem getrieben durch Initiativen wie die der Austrian Startups in Schulen etabliert. Was ich sehr plakativ und treffend finde ist eine der Kernforderungen von Austrian Startups: Das Gründen muss so selbstverständlich und populär werden wie das Skifahren und schon in der Schule gefördert. Was ich auch glaube ist, dass man bis zu einem gewissen Grad auch die Eltern mit einbinden muss, da in der Elterngeneration das Rollenbild wohl noch einmal traditioneller und vielleicht auch konservativer ist. Viele Eltern wissen garnicht, wie sie den technischen Wissensdrang ihrer Kinder, besonders Mädchen, fördern und damit umgehen sollen.

“DIE BASIS MUSS DAS SCHLIESSEN DES GENDER PAY GAP SEIN“

Was können Maßnahmen sein, die Arbeitgeber*innen und Unternehmen setzen können, um junge Frauen für eine Karriere in der Technik zu motivieren?

Die Basis muss das Schließen des Gender Pay Gap sein und dieses ist in der Technik so groß wie nirgends. Hier ist auch die Gesetzgebung gefragt. Ein anderer ganz wichtiger Punkt ist das Schaffen von weiblichen Vorbildern. Viel muss bereits im Recruiting beginnen. Nicht nur von Frauenförderung reden sondern Maßnahmen wirklich umsetzen. Ich denke, das ist auch etwas, das uns als Gesellschaft nicht gut genug gelingt. Wenn wir von Jeff Bezos, Elon Musk und co. reden, sollten eigentlich allen auch zwei oder drei Frauen einfallen, die mindestens genauso inspirierend sind. Denn die gibt es!

Es wäre auch wichtig, dass man darüber redet, wie es Frauen, die im Tech-Umfeld arbeiten, geht um jüngere Generationen zu ermutigen. Ich kann nur aus persönlicher Erfahrung sagen, dass ich das Gefühl habe hier als Frau genauso viel schaffen zu können wie jeder Mann. Ich möchte jede und jeden ermutigen, sich das anzuschauen. Wenn man das Gefühl hat eine Karriere in der Tech-Branche könnte einen interessieren, das auch einfach auszuprobieren. Wenn man es nicht probiert, wird man nie wissen ob man es kann. Daher: give it a try, es ist ein super spannendes Umfeld in dem Frauen und Männer gleichermaßen unser aller Zukunft mitgestalten können.

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