StartBalanceLifestyle & ArtAgnes Husslein-Arco im Interview: "Bewusst weibliche Positionen fördern"

Agnes Husslein-Arco im Interview: „Bewusst weibliche Positionen fördern“

Ab wann Kunst zur Wertanlage wird, woran man gute Kunst erkennt und wie man auch mit kleinem Budget eine Sammlung aufbauen kann, verrät Agnes Husslein-Arco, Direktorin der Heidi Horten Collection.

In Kunst investieren – ist das sinnvoll?

Agnes Husslein-Arco: Kunst als reine Wertanlage zu betrachten, widerspricht meinem Selbstverständnis. Für mich ist das Wichtigste, dass ein Kunstwerk Freude bereitet und das eigene Leben bereichert. Ebenso wichtig ist es, bei jedem Kunstkauf auf Qualität zu achten, und daher sollte man ein geschultes Auge und viel Erfahrung mitbringen, um diese Qualität auch zu erkennen. In diesem Sinne: Ja, es zahlt sich aus, in gute Kunst zu investieren, aber man muss wissen, was man tut.

Wann ist eine Sammlung auch eine Wertanlage?

Objektiv gesehen wird eine Sammlung dann zur Wertanlage, wenn sie sorgfältig, intelligent und fokussiert aufgebaut ist und die Arbeiten von hoher Qualität und anerkannten Künstler:innen sind. Es geht darum, Werke auszuwählen, die auch einen internationalen Markt haben und deren monetäre Entwicklung sich über eine längere Zeit positiv nachvollziehen lässt. Das bedeutet, dass man Künstler:innen auswählt, die ein weites Spektrum an Interessent:innen abdecken. Eine Sammlung wird erst ob ihrer Qualität interessant für Museen und Ausstellungen. Eine Sammlung, die diese Kriterien erfüllt, kann durchaus an Wert gewinnen.

Kann man auch mit kleinem Budget erfolgreich Kunst sammeln?

Die Frage ist, was man als „erfolgreich“ bezeichnet. Ich bin überzeugt, dass man auch mit einem kleinen Budget eine interessante Sammlung aufbauen kann. Das Wichtigste ist doch, dass der oder die Käufer:in mit den erworbenen Werken glücklich ist. Wenn man ein gutes Auge hat, kann man früh Künstler:innen erkennen die später einmal begehrt sein werden.

Woran erkennt man gute Kunst?

Das ist keine einfache Frage. Für mich ist es wichtig, dass man Kunst einordnen kann: Woher kommt der Künstler, die Künstlerin? Welche Entwicklung hat der oder die Künstler:in bisher gemacht und wohin geht sein oder ihr Weg? Welche Ideen stecken im Werk, und wie originell ist es?

Wie sieht es mit den Frauen am Kunstmarkt aus?

Es ist ein Faktum, dass Künstlerinnen lange Zeit nicht die gleiche Beachtung fanden wie ihre männlichen Kollegen. Dass Frauen bis 1919 nicht an Kunsthochschulen studieren durften, zeigt, wie schwer es für sie war, Anerkennung zu finden. Zum Glück hat sich in den letzten Jahren viel getan, und heute rücken Museen, Galerien und der Kunstmarkt Künstlerinnen mehr in den Fokus. Dennoch spiegelt sich diese Anerkennung oft noch nicht in den Preisen wider – hier bleibt noch viel zu tun.

Sollten Sammlerinnen ihre „Spezies“ unterstützen?

Das Wort „Spezies“ finde ich etwas schwierig, aber ich denke, es geht vor allem darum, als Frau Verantwortung zu übernehmen und bewusst weibliche Positionen zu fördern. Dabei sollte man jedoch nicht die Qualität außer Acht lassen. Es ist wichtig, talentierte Künstlerinnen zu unterstützen, ohne Kompromisse einzugehen.

Wie bekommt man als Künstlerin Sichtbarkeit und Marktwert? Gibt es Strategien zur Selbstvermarktung?

Selbstvermarktung ist definitiv ein Schlüssel, um als Künstlerin sichtbar zu werden, aber das liegt nicht jedem. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig die richtigen Kontakte in der Kunstwelt zu knüpfen, vor allem mit Galerist:innen, und sich Unterstützer:innen zu suchen, die einem helfen können, sich als Person und Marke zu etablieren und diesen Weg gemeinsam zu gehen. Netzwerke und strategische Allianzen sind oft genauso entscheidend wie das eigene Talent.

Was bedeutet die wachsende Zahl an Künstler:innen für den Markt? Welche Chancen gibt es für den Kunstnachwuchs?

Eine lebendige, junge Kunstszene bereichert jede Stadt, was man gerade in Wien deutlich spürt. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem es ums Geldverdienen geht, und realistisch gesehen können nur wenige von ihrer Kunst leben. Neben Talent und guter Vernetzung braucht es oft auch ein Quäntchen Glück. Soziale Netzwerke bieten jungen Künstler:innen neue Möglichkeiten, ein breites Publikum zu erreichen – aber man darf dabei auch die Käuferseite nicht außer Acht lassen: Als Konsument:in muss man sehr darauf achten, ob es sich dort um „wahre Kunst“ handelt oder nur um Promotion. Am Ende des Tages funktioniert der Kunstmarkt aber immer noch nach traditionellen Strukturen: Galerien, Museen, internationale Auktionshäuser – dort muss man als Kunstschaffende:r vorkommen, um Erfolg zu haben.

Lohnt es sich, auf Blue-Chip-Künstler:innen zu setzen? Wo liegen die Risiken?

Für mich beginnt das Sammeln immer beim persönlichen Geschmack. Außerdem ist es ein Faktum, dass der Kunstmarkt dem Zeitgeschmack unterworfen ist. Vor rund 50 Jahren waren beispielsweise Werke von Malern des 19. Jahrhunderts total gefragt – heute sind diese Werke im Wert stark gefallen – das heißt jedoch nicht, dass die kunsthistorische Bedeutung des Künstlers dadurch abnimmt. Wer heute das nötige Budget hat und vom Markt gehypte Blue-Chip-Künstler:innen sammelt, weil sie ihm gefallen, sollte das ruhig tun. Diese Werke werden zumindest in absehbarer Zeit nicht stark an Wert verlieren und bieten damit eine gewisse Sicherheit. Dennoch gibt es auch im Kunstmarkt Trends und Entwicklungen, die schwer vorherzusehen sind.

Text: Nicole Adler

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