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430.000 Kindergartenplätze fehlen, aber 100.000 Stellen sind frei: Wie zwei Frauen die Kinderbetreuung in Deutschland neu gestalten

Die Unternehmerinnen Nicole Hoffmann und Christina Ramgraber wollen die Kita-Branche in einen attraktiven Arbeitsmarkt verwandeln und zudem das Standing von Erzieher:innen verbessern.

Die Lage ist gleich doppelt heikel: Kita- und Kindergarten- plätze sind knapp, und es mangelt an Fachkräften in diesem Bereich, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Zwei Frauen arbeiten daran, den Erzieher:innenberuf in Zukunft attraktiver zu gestalten und Eltern Betreuungsplätze für ihre Kinder zu schaffen.

Das Problem drückt sich in Zahlen so aus: Rund 430.000 Kita-Plätze fehlen in Deutschland – trotzdem sind wegen Fachkräftemangels 100.000 Stellen in Betreuungseinrichtungen unbesetzt. Ab 2026 haben Eltern bundesweit einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen, die stufenweise eingeführt wird. Damit wächst der Bedarf an Erzieher:innen, und die Lage verschärft sich weiter.

„Höchste Zeit, gegenzusteuern“, findet Nicole Hoffmann. Mit ihrem Start-up ErfolgsKITA spricht die 34-Jährige gleich zwei Zielgruppen an: Einerseits unterstützt sie Unternehmen dabei, Betriebs-Kitas zu gründen, und schafft so andererseits Möglichkeiten für Pädagog:innen, die sich weiterentwickeln wollen.

Als Pädagogin, Kita-Trägerin und Unternehmerin wurde Nicole Hoffmann von der Nachrichtenseite „Business Insider“ als „Zukunftsmacherin 2023“ ausgezeichnet. Ihr Ziel: die Kita-Branche endlich in einen attraktiven Arbeitsmarkt zu verwandeln.

Die Südbadenerin ist überzeugt, dass Unternehmen, die in eigene Kitas investieren, ihre Zukunft sichern, indem sie als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden. Denn ein garantierter Betreuungsplatz fürs eigene Kind ermöglicht Eltern eine entspanntere Alltagsplanung und – das betrifft zum größten Teil ja noch immer die Mütter – eine frühere Rückkehr aus der Elternzeit, wenn gewünscht.

Wie Pflegekräfte oder medizinisches Personal

Nicole Hoffmann arbeitet außerdem mit Nachdruck daran, das Standing von Erzieher:innen zu verbessern, die ihrer Meinung nach „einen ebenso bedeutenden Beitrag zur Gesellschaft und Wirtschaft leisten wie Pflegekräfte oder medizinisches Personal“, und daher selbstverständlich eine bessere Vergütung verdient hätten. „So würde die Kita-Branche mehr Talente für sich gewinnen“, ist Nicole Hoffmann überzeugt. Ein weiterer Punkt sei, die Erzieher:innen in Deutschland einheitlich zu gestalten, denn derzeit sehe diese in jedem Bundesland anders aus. Nicole Hoffmann bietet im Rahmen ihrer ErfolgsKITA eine digitale Fortbildung zur Kita-Leitung an.

So will sie Pädagog:innen Mut machen, den nächsten Karriereschritt zu gehen. „Der Netzwerkeffekt innerhalb Deutschlands ist so enorm“, sagt sie. Und Vernetzung hat ja schon bei der Lösung vieler Probleme geholfen …

Ansätze finden, die zum Unternehmen passen

Auch Christina Ramgraber, Gründerin von sira Kinderbetreuung, will die Betreuungssituation in Deutschland optimieren. „Wir haben kein flächendeckendes, funktionierendes System“, sagt die Münchnerin. sira Kinderbetreuung ist ein anerkannter, frei gemeinnütziger Träger von eingruppigen Kitas mit neun bis zwölf Kleinkindern im Alter von bis zu drei Jahren.

Das Besondere an ihrem Angebot: Im Auftrag von und in Kooperation mit Arbeitgeber:innen errichtet und betreibt Christina Ramgraber kleine Kinderbetreuungsstandorte, sprich: Großtagespflegen und Mini-Kitas. „So ermöglichen wir kleinen und mittleren Unternehmen, eine eigene betriebliche Kinderbetreuung für ihre Mitarbeitenden anzubieten“, sagt die 42-Jährige. Auch Kommunen macht sie ihr Modell schmackhaft. Aktuell betreibt sira Kinderbetreuung bereits gut 40 Standorte in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

„Anstatt sich als Arbeitgeber:in nur zu beschweren oder die Verantwortung den Eltern zu überlassen, ist es wichtig, zu überlegen, wie man die Gesellschaft, das Kita-System und die eigenen Mitarbeiter unterstützen kann“, betont die Unternehmerin.

Arbeitgeber:innen müssten da den Ansatz finden, der zu ihrem Unternehmen passt. „Man muss sich unbedingt mit dem Bedarf der eigenen Mitarbeiter auseinandersetzen“, sagt sie.

Auch Konfrontation ist gefragt

„Habe ich viele junge Kolleg:innen im Team, dann ist eine Mini-Kita sicher eine gute Idee. Sind die meisten Kinder meiner Mitarbeiter:innen dagegen schon in der Schule und schafft die Kommune, in der ich bin, keine guten Lösungen, beteilige ich mich vielleicht an einem Hortkonzept und biete eine Ferienbetreuung an. Oder ich erhöhe das Gehalt von Eltern um einen Betrag, den sie für die Betreuung in der Kita vor Ort benötigen.“ Da sei Kreativität gefragt – und manchmal auch Konfrontation: „Man darf keine Angst haben vor einer möglichen Benachteiligung von Kolleg:innen, die keine Kinder haben.“


Daten und Fakten

Nicole Hoffmann gründete ihr erstes Unternehmen in München im Juli 2017. Heute hat sie 35 Mitarbeiter:innen. Zwei Kitas sitzen in München, zwei in Kehl, in der Nähe von Offenburg (Baden- Württemberg).

sira ist ein Unternehmen mit Sitz in München. Die 43 Standorte zählen zirka 150 Mitarbeiter:innen, davon sind 29 in Bayern, zwölf in Nordrhein-Westfalen und zwei in Baden-Württemberg. 16 Standorte betreibt Christina Ramgraber in Kooperation mit Arbeitgebern als Betriebs-Kitas (13 in Bayern, drei in NRW).

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