Die derzeitige Krise als Chance zu sehen, fällt vielen Menschen nicht nur schwer, sondern ist in vielen Fällen auch schlichtweg anmaßend oder gar falsch. Wer vor den Scherben der eigenen Existenz steht, denkt weder im ersten, noch im zweiten oder dritten Moment über mögliche Chancen der Corona-Krise nach.

Wer jedoch die Möglichkeit hat, sich in der derzeitigen Situation neu auszurichten und aufzustellen, spürt jetzt vielleicht Chancen auf, aus denen sich später neue Karrierewege ergeben könnten. Oder baut ein neues Selbstbewusstsein auf, das wiederum neue Möglichkeitsräume eröffnet. Gabriele Strodl-Sollak ist akademisch geprüfte PR-Beraterin systemische Organisationsberaterin, Universitätslektorin sowie Trainerin für Kommunikation und Diversitätsmanagement und beobachtet diese Veränderungen und Neuausrichtungen ganz genau.

Gabriele Strodl-Sollak

»Im Coaching begleite ich nun schon seit längerer Zeit eine junge Führungskraft, die in einem Konzern tätig ist. Ich arbeite mit ihr an einem selbstbewussteren Auftreten, das es ihr ermöglicht selbstsicher mit dem Lift zu Terminen in die oberste Führungsetage zu fahren, um dort souverän vor den Vorständen aufzutreten. Durch Corona ist jetzt etwas Überraschendes passiert: Durch Video-Calls und Online-Meetings fallen viele dieser Insignien der Macht plötzlich weg. Die Anreise in den elften Stock ist nicht mehr notwendig. Es wird einfach nur ein Link angeklickt und man sitzt sich Angesicht zu Angesicht gegenüber. Wenn auch nur digital«, erklärt Strodl-Sollak. Weil die physische und oft einschüchternde Präsenz der Vorstände wegfällt, entsteht eine egalitärere Situation. »Und auch in den Video-Calls lässt sich, beispielsweise mit der Wahl des Hintergrunds, sehr viel beeinflussen. Das Besondere an der aktuellen Situation ist jedoch, dass junge Menschen diese Spielregeln besser kennen und beherrschen als ältere Generationen«, fügt sie noch hinzu.

Ein anderer Aspekt, den Strodl-Sollak in den vergangenen Wochen bei ihren Online-Coachings- und Workshops beobachten konnte, betrifft das in Unternehmen häufig praktizierte Silodenken. Auch das wurde, so Strodl-Sollak, durch die Krise etwas eingedämmt und hat einem verstärkt interdisziplinären Denken Platz gemacht. »Die Revierverteidigung ist geringer geworden. Außerdem ist es schön zu beobachten, dass in vielen Unternehmen der Zusammenhalt stärker geworden ist, weil es darum geht, das Unternehmen gemeinsam gut durch die Krise zu bringen. Natürlich gibt es aber auch immer Leute, die sich zurücklehnen und da nicht so dabei sind.«

In einem ihrer Positionierungs-Workshops hat Strodl-Sollak außerdem eine Frau kennengelernt, die aus der Arbeitslosigkeit wieder in ein Angestelltenverhältnis wechseln möchte. Unter den derzeitigen Bedingungen ist das allerdings kein leichtes Unterfangen. »In ihrem letzten Job hat sie Erfahrungen zu Blended Learning gesammelt und konzipiert und veröffentlicht jetzt Online-Kurse. Sie kann das dann als Referenz nehmen, für die Zeit wenn Bewerbungen wieder etwas einfacher möglich sind, könnte damit aber auch wieder in die Selbstständigkeit gehen. Eine Doppelstrategie sozusagen.« Darüber hinaus ist Strodl-Sollak aber auch aufgefallen, dass momentan viele Herzensprojekte umgesetzt werden. So haben zum Beispiel Victoria Lozar und Xenia Geppert ein Projekt namens »Heldinnendialog« gestartet, eine Reihe an Video-Beiträgen rund um interessante Frauen. »Durch die Kurzarbeit der beiden Frauen war plötzlich Zeit für dieses Herzensprojekt«. Wo Neuausrichtung, zum Beispiel durch Digitalisierung, möglich wurde, haben sich also tatsächlich einige neue Möglichkeitsräume aufgetan. Richtig wertschätzen wird man diese aber vermutlich erst dann können, wenn es wieder möglich ist, viele verschiedene Räume zu betreten.

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