StartBusinessVielfalt ist mehr als die äußere Erscheinung

Vielfalt ist mehr als die äußere Erscheinung

Doch können wir diese Verschiedenheit auch aushalten? Warum Top-Down ausgedient hat und Unternehmenskultur bereits auf dem Parkplatz beginnt, erklärt Julia Heinz in ihrer Kolumne.

Zum Jahresbeginn herrscht erfahrungsgemäß ein allgemeiner Aufruhr. Ein wildes Wuseln nach tagelangem Ruhen. Da werden Listen geschrieben, Pläne geschmiedet und wieder in die Hände gespuckt. Das wusste das Musik-Duo „Geier Sturzflug“ schon Anfang der 80-iger Jahre. Aufgrund großer Beliebtheit coverte die Band Nanard das Lied auf Französisch – die Wecksirene kennt keine (Landes-) Grenzen. Schließlich könnte das Bruttosozialprodukt auch heute hier und dort ein bisschen Aufwind unter den Flügeln gebrauchen. 

Nun versetzt Glaube bekanntlich Berge, aber der Glaube allein reicht eben nicht, um die Punkte auf der Liste in Taten umzusetzen.  

Oft erlebe ich großen Veränderungswillen. Mutige Ideen, die auf riesigen Flipcharts skizziert werden. Bunte PowerPoint Präsentationen und kreative Meetings. Und am Ende: passiert rein gar nichts. Die Macht der Gewohnheit schleicht sich still und heimlich zwischen ambitionierte To-Do-Listen und erstickt jede Veränderung im Keim. Auslösereiz – gewohnte Haltung – Belohnung: nach diesem Schema funktionieren all unsere Gewohnheiten. Laut Charles Duhigg, Pulitzer Preisträger und Autor zahlreicher Bücher u.a. zu den Themen Hirnforschung und Psychologie, entstehen Gewohnheiten sogar nur, weil das Gehirn ständig nach neuen Wegen sucht, sich weniger anzustrengen. 

Wir sind die Summe unserer Erlebnisse, aber kein Opfer der Ergebnisse

Wollten wir uns nicht alle mehr anstrengen? Im neuen Jahr und überhaupt? Sind nicht einige genervt von der angeblich faulen Gen Z, die auf ambitionierte Boomer trifft. Und wollen nicht alle endlich mehr und vor allem ein Vorankommen, anstatt plattfüßigem Stehen auf immer ein und derselben Stelle? Manchmal müssen wir zurückschauen, um voranzukommen – und das ist jetzt ausdrücklich kein Kalenderspruch. Wir sind die Summe unserer Erlebnisse, aber kein Opfer der Ergebnisse. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir sehr wohl etwas verändern und aktiv beeinflussen können, obwohl wir manchmal vielleicht gar nicht wissen, dass es hinterher tatsächlich besser sein wird. Denn es gibt mehr als Schwarz oder Weiß oder Alt gegen Jung oder die da oben gegen alle anderen. 

„Nur weil etwas anders ist, heißt es nicht, dass es schlechter ist. Und nicht alles Neue ist per se besser.“

Die eigene Realität bildet sich aufgrund von Erlebnisse und Erfahrungen – ist aber auch etwas,  dass wir immer wieder neu er-lernen können. Ein kleiner Perspektivwechsel wirkt dabei Wunder. Denn häufig ist die Idee, die bloße Vorstellung im Kopf und die Flucht in den Konjunktiv mächtiger als die eigentliche Umsetzung. Die Kraft der Emotionen ist aber noch viel mächtiger und der eigentliche Treiber konkreter Handlungen. Das Schöne: emotionale Kompetenz kann gelernt werden. Und das tut auch gar nicht weh. Versprochen.  

Denn das Geheimnis erfolgreicher Unternehmensführung beruht nicht allein auf der Fachkompetenz, sondern besonders auf der Fähigkeit, Emotionen sowohl in Bezug auf sich selbst als auch andere wahrzunehmen, auszudrücken und vor allem zu verstehen und zielgerichtet damit umzugehen. Diese Klugheit der Gefühle gewinnt gerade in Zeiten rasanter Digitalisierung und dem zunehmenden Einsatz von KI an Bedeutung. Denn wenn sich nahezu alles digitalisieren lässt, ist es eines nicht: der Faktor Mensch. 

„Wenn sich nahezu alles digitalisieren lässt, ist es eines nicht: der Faktor Mensch“

Die Basis bildet die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit – gerade Führungskräfte sind gut beraten, die Wirkung des eigenen Handelns auf andere objektiv einzuschätzen. Eine goldene Regel frei nach Kants kategorischem Imperativ. Bestehendes kritisch zu hinterfragen, ist eine Grundvoraussetzung für Veränderung. Denn nur weil etwas anders ist, heißt es nicht, dass es schlechter ist. Und nicht alles Neue ist per se besser. Diese feinen Unterschiede zu erkennen und konkret zu adressieren, ist die große Aufgabe des Leaderships. Die Abkehr von einem Schwarz-Weiß-Denken hin zu der Erkenntnis, dass es ein breites Spektrum gibt, in das jede und jeder einbringt, was er oder sie kann. Stärken stärken, lautet die Devise. Aber auch reflektieren und ehrlich erkennen: das kann ich einfach nicht. Und sich für diese Dinge konkrete Unterstützung holen. 

Unterschiedliche Herangehensweisen akzeptieren – auch die, die uns vielleicht nerven

Es geht darum etablierte, vertikale Kommunikationswege zu durchbrechen und Kreativität als Ventil zu sehen. Hierarchien zu lockern, ohne Reglements zu durchbrechen. Potenziale freisetzen, die in strikter Top-Down Handhabe womöglich niemals zum Vorschein kommen und im Kopf behalten, dass Potenziale auch zu realisierende Gewinne sind.  

Wenn wir Vielfalt wollen, die sich nicht nur in äußeren Erscheinungen und auf gut formulierten Homepages wiederfindet, sondern auch gedanklich zum Tragen kommt und somit wahrhaftig etwas bewirkt, brauchen wir eine gänzlich andere Grundhaltung. Wir müssen lernen, Menschen als Ganzes zu sehen und unterschiedliche Herangehensweisen zu akzeptieren. Auch die, die uns vielleicht nerven.  

Dafür brauchen wir mutige Vorreiter. Die bereit sind, andere Wege zu gehen. Die vielleicht gar nicht mal so neu sind, die aber endlich einfach mal gegangen werden. Kluge Köpfe, die wissen, dass mit authentischer Kommunikation auf Basis eines starken Bewusstseins für sich selbst und dem gleichzeitigen Adressieren der Bedürfnisse anderer sowie dem Setzen von klaren Grenzen ein prosperierendes Unternehmensumfeld geschaffen werden kann. Kluge Köpfe, die erkennen, dass sie hier Teil von etwas ganz Großem sein können. Indem sie den Konjunktiv einfach mal gegen das Präsens tauschen. 


Über die Autorin

Julia Heinz ist Volkswirtin, Kommunikationsexpertin und Gründerin der Strategieberatung communique. Sie berät Unternehmen, Personen und NGO´s hinsichtlich ihrer strategischen Positionierung, relevanter Zielgruppenanalyse und einer ganzheitlichen Kommunikation sowie dem Aufbau moderner Unternehmenskulturen. Mit ihrem wertebasierten Ansatz baut sie Brücken und setzt nachhaltige Impulse, um Haltung medienübergreifend sichtbar zu machen.  

Als Markenstrategin ist sie überzeugt, dass gelebte Werte verbinden und die Grundlage für erfolgreiche Marken bilden, die nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Ihr Credo: Wertschöpfung entsteht auch durch Wertschätzung und ohne Markenkern kein Markenauftritt.  

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