StartInnovationPlanetUrsula von der Leyen: Naturschutz ist Wirtschaftsfaktor

Ursula von der Leyen: Naturschutz ist Wirtschaftsfaktor

Die wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält eine emotionale Rede in München und zeigt, warum Biodiversität auch wirtschaftlich nötig ist und wie Naturgutschriften wirken könnten.

Auf der viel beachteten Innovations-Konferenz „Digital Life Design“ (DLD) kommen internationale Vordenker*innen zu verschiedenen Themen – beim DLD Nature in der vergangenen Woche standen Klimaschutz und Biodiversität im Vordergrund.

„Jedes Glas Süßwasser, jeden Apfel, den wir essen, funktionierenden Ökosystemen zu verdanken haben“, erklärte Maria Furtwängler in München. Die bekannte Schauspielerin und Unternehmerin trat in diesem Rahmen gemeinsam mit Eckhardt von Hirschhausen als Co-Moderatorin auf – beide verbindet ihre Ausbildung in der Medizin und ihre Leidenschaft für das Thema Naturschutz. Denn: „Wo immer die biologische Vielfalt zusammenbricht, sind unsere wirtschaftliche Stabilität, unsere Sicherheit und unsere Gesundheit in Gefahr“, so Furtwängler, die mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in engem Austausch steht. Die Politikerin, die gerade neu für fünf Jahre im Amt bestätigt wurde, hielt im Munich Urban Colab eine Grundsatzrede, die auch mit vielen emotionalen Elementen gespickt war. Denn im Einstieg wies von der Leyen darauf hin, wie viele Arten seit ihrer Kindheit bereits verschwunden sind, und welche Gedanken sie sich um die Zukunft ihrer vier Enkelkinder macht.

Die Kommissionspräsidentin versucht den so genannten Green Deal nach vorn zu bringen, der die Klimaneutralität der EU bis 2050 vorsieht – damit wäre die Europäische Union der weltweit erste klimaneutrale Staatenverbund.
In ihrer DLD-Rede forderte von der Leyen dazu auf, das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Natur grundlegend neu zu denken. Europa habe in den vergangenen Jahren einen „Riesenschritt Richtung Zukunft gemacht“, indem es sich von fossilen Brennstoffen aus Russland befreit hat und inzwischen mehr Strom aus Wind und Sonne als aus allen fossilen Brennstoffen zusammen produziert. „Wir haben nicht nur unsere Politik, sondern auch unsere Denkweise geändert. In den kommenden Jahren müssen wir einen ähnlichen Wandel auch auf anderen Feldern, weit über den Energiesektor hinaus, schaffen“, sagte die Kommissionspräsidentin.

Der Druck auf die Natur habe einen Kipppunkt erreicht, sagte von der Leyen. „Seit Generationen belohnt die Menschheit nur das Ausplündern unserer natürlichen Umwelt. Und heute sehen wir, wie grundlegend falsch das ist. Es ist vom moralischen Standpunkt her falsch. Aber auch vom wirtschaftlichen. Die landwirtschaftlichen Erträge sinken aufgrund der Degradation der Böden und fehlender Insekten. Die Netze der Fischer bleiben leer, weil Düngemittel von den Feldern das Leben im Wasser ersticken. Wasserkraftwerke und Atomkraftwerke werden durch Dürren stillgelegt. Der Handel entlang unserer Wasserstraßen gerät ins Stocken, weil die Flüsse trockenfallen. Es gibt ein klares wirtschaftliches Argument für die Erhaltung und Wiederherstellung der Natur.“

Mehr Anreize für neue Form des Wirtschaftens

In den Businessplänen der Unternehmen tauche die Natur inzwischen auf, sagte von der Leyen. „Damit diese neue Form des Wirtschaftens wachsen und gedeihen kann, müssen wir auch politisch unseren Teil dazu beitragen. In den zurückliegenden fünf Jahren haben wir unsere Klimaziele in ein umfassendes Paket gesetzlicher Vorschriften mit klaren Regeln gegossen. Doch wir müssen nicht nur diese Vorschriften umsetzen, sondern auch Anreize für diejenigen schaffen, die noch einen Schritt weitergehen. Für den, der über das hinauswill, was ohnehin vorgeschrieben ist, muss es Belohnungen geben. Denn der Schutz unserer Natur muss sich auch wirtschaftlich rechnen. Und das kann gelingen.“

Sie führte zwei Beispiel auf, zum einen neue Finanzierungsinstrumente, um Landwirte für die mit nachhaltiger Bewirtschaftung verbundenen zusätzlichen Kosten zu entschädigen und ihnen einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass sie sich um Boden, Wasser und Luft kümmern. „Es ist an der Zeit, diejenigen zu belohnen, die unseren Planeten schützen“, sagte von der Leyen. Zudem sprach sie über Naturgutschriften. „Nehmen wir einen Wasserversorger, für den sauberes Quellwasser entscheidend ist. Oder ein Unternehmen, das Obst verkauft und auf das fundamentale Wirken von Bestäubern angewiesen ist. Sie könnten Naturgutschriften dazu nutzen, örtliche Gemeinschaften und Landwirte zu unterstützen, die „Ökosystemleistungen“ erbringen. Wir können einen Markt für die Wiederherstellung unseres Planeten schaffen.“

Bei den Vereinten Nationen und anderswo werde bereits an einer globalen Norm für Naturgutschriften gearbeitet. „Das ist ein wichtiger erster Schritt, um diesen aufstrebenden Markt auszubauen. Und mit den Mitgliedstaaten arbeiten wir intensiv daran, die ersten Pilotprojekte zur Unterstützung dieses Prozesses auf den Weg zu bringen. Wir wollen, dass die Dekarbonisierung zu Wachstum und Innovation führt.“

Green Deal braucht langen Atem

Die Etappen des Green Deal auszuhandeln braucht einen langen Atem und Kompromisse. Während für die rechten Parteien im EU-Parlament Klimapolitik nicht zu den Prioritäten zählt, wünschen sich beispielsweise Umwelt-Verbände mehr Einsatz, um das Thema Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kritisiert etwa die Pläne im Bereich Kreislaufwirtschaft und geht davon aus, dass die Ziele des Green Deal verfehlt werden. „Ursula von der Leyens neuer Fokus liegt auf Industrie, Bürokratieabbau und Technologieoffenheit. Ambitionierte Impulse der vorherigen Kommission im Bereich Kreislaufwirtschaft, etwa – wie die Verordnungen zu Verpackungen, Ökodesign und Batterien – dürften nicht weichgespült werden.

Fotomaterial© Burda Press

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