Was hat der weibliche Zyklus mit dem Erfolg eines Unternehmens zu tun? Und warum ist er keine Schwäche, sondern – ganz im Gegenteil – eine Superkraft? Das erklärt Alissia Quaintance in ihren „Cycle Positivity“-Programmen und -Workshops, die sie seit 2021 in Unternehmen wie Microsoft, Deutsche Telekom, General Motors und Siemens durchführt, um gesündere Arbeitswelten für Frauen zu schaffen.
Nachfrage: steigend. Denn die Wirtschaft erkennt, dass das Thema Frauengesundheit nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch relevant ist. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) rief kürzlich Unternehmen weltweit dazu auf, mehr Geld in die Gesundheit ihrer weiblichen Beschäftigten zu investieren. Studien zufolge könne diese Strategie die Produktivität um bis zu 22 Prozent steigern, Fehltage um bis zu 62 Prozent und Kündigungen um bis zu 23 Prozent reduzieren.
Auch Alissia Quaintance arbeitet mit Zahlen und Fakten wie diesen. Sie wertet außerdem die Ergebnisse ihrer Workshops, in denen Mitarbeitende oft erstmals offen über Wechseljahrsbeschwerden, Endometriose-Schmerzen oder Mütter-Müdigkeit sprechen, aus und liefert Firmen eine persönliche Analyse dazu – die zeigt auch Bereiche auf, in denen Frauen sich von ihren Arbeitgebern mehr Unterstützung wünschen. In manchen Chefetagen sei sie vorab auf Widerstände gestoßen, erzählt die 40-Jährige. „Ich musste schon hart dafür kämpfen, dass ein Budget freigegeben wird. Aber wenn ich meine Argumente und Daten präsentiere, ist es am Ende fast unmöglich, nein zu sagen.“
Raus aus der Tabuzone
Alissia Quaintance ist es gewohnt, sich durchzusetzen. Lange Jahre arbeitete die Diplom-Kauffrau mit Schwerpunkt Innovation in der Produktentwicklung für neue Technologien. „Für die Dinge, die ich in die Welt bringe, gab’s noch nie Budgets“, erklärt sie. „Das hilft mir heute.“ Genau wie ihr späteres Aufgabenfeld: Mit ihrem amerikanischen Ehemann gründete Alissia die Beratungsfirma „IQ Gemini“ und referierte über die Rolle des Menschen in der digitalisierten Arbeitswelt. „Transformation und Innovation sind meine Komfortzone“, bekundet sie.
Ihre jetzige Business-Idee stammt allerdings aus einer Zeit, in der es Alissia nicht gut ging. Als Frau in der Tech-Branche fühlte sie sich nie benachteiligt – bis sie 2019 einen Sohn zur Welt brachte. Nur drei Monate nach seiner Geburt war sie wieder voll im Einsatz. „Ich dachte, ich kann so weitermachen, wie bisher.“ Als sie merkte, dass das weder körperlich noch nervlich machbar war, stieg sie aus der Firma aus, nahm zwei Jahre Elternzeit und fragte sich: Warum wird im Berufsleben nie thematisiert, was in einer Frau biologisch vorgeht, die ein Kind bekommen hat? Warum erleben wir Frauen täglich Dinge, über die niemand spricht? Das war die Geburtsstunde von „Cycle Positivity“. Um auch in puncto Gesundheit eine Expertin zu werden, ließ sie sich unter anderem zur staatlich anerkannten Heilpraktikerin ausbilden. Ihr Ziel: gängige Glaubenssätze verändern, weg mit der Scham und raus aus der Tabuzone!
Alissia führt bei Unternehmen Vorträge und Workshops durch, bei denen selbst Frauen in Führungspositionen sich plötzlich vor allen öffnen und von Fehlgeburten oder Wochenbettdepressionen berichten. Beim Start des „Cycle Positivity“-Programms seien manche Firmen unsicher, ob und wie es angenommen werde, so Alissia. Doch das Feedback danach war bisher durchwegs positiv: Ihre Workshops hätten Teams auf eine neue Art zusammengeschweißt und bei männlichen Mitarbeitenden den Wunsch geweckt, weibliche Kolleginnen besser zu verstehen und ihren Arbeitsalltag angenehmer zu gestalten.
Annehmen – nicht unterdrücken
Nach den interaktiven Workshops folgt Phase zwei: Alissia erstellt gezielte Bildungs- und Schulungselemente, die auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind und Frauenthemen in den Fokus stellen. „Jede Blutung, jede Geburt oder auch die Wechseljahre sind ein Wachstumszyklus“, betont sie. „Wir sollten ihn annehmen, nicht unterdrücken. Wenn andere und wir selbst uns das erlauben, sind wir als Frauen unbesiegbar.“
Text: Anna Butterbrod
Früher in Rente wegen Menopause
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin veröffentlichte 2023 im Rahmen des Projekts „MenoSupport“ die erste deutschlandweite Studie zur Auswirkung der Wechseljahre am Arbeitsplatz. Die Wissenschaftler:innen befragten über 2000 Frauen zwischen 28 und 67 Jahren. Zehn Prozent gaben an, aufgrund von Wechseljahrsbeschwerden früher in Rente gehen zu wollen oder bereits gegangen zu
sein. Bei den Frauen über 55 waren es sogar rund 20 Prozent. Fast ein Viertel der Befragten reduzierte ihre Arbeitsstunden, fast ein Drittel war krankgeschrieben oder nahm unbezahlten Urlaub, und mehr als jede sechste wechselte den Arbeitsplatz.